Rätsel der Woche:
Sechs Job-Bewerber stehen vor Ihnen, unter ihnen ein Kampfpilot, ein Astrophysiker, Ingenieure, Raumfahrttechniker und Meteorologen…
Was würden Sie ihnen als erstes sagen?
a) „Ich freue mich, so viel gesammelte Kompetenz hier zu sehen! Wie ist ihre Karriere-Planung für die nächsten fünf Jahre?“
Oder: b) „Hey Mädels, tolle Overalls! Alles klar mit der Kinderbetreuung?“
Das mag wie ein Witz klingen, für die sechs Die Astronautin-Finalistinnen, die sich am 1. März in der Airbus-Halle in Bremen vorstellten war es aber gewohnte weibliche Wirklichkeit. Der Haken an der Sache und Grund für das Ganze: da das Training und der Flug zur ISS privat finanziert werden müssen (Kostenpunkt etwa 40.000.000 Euro) stehen die „Mädels“ in der Pflicht, Casting-Shows, Fundraiser und Presse-Konferenzen mit zu machen.
Casting Show
Anders als bei GNTM-Mutter Heidi Klum steht aber bei Claudia Kessler das Wohl und Weiterkommen ihrer Astronautinnen im Vordergrund. Förderung und Weiterbildung von Frauen in der Weltraumbranche ist seit langem ihr erklärtes Ziel. 2009 gründete sie zusammen mit ESA-Direktorin Simonetta Di Pippo Women in Aerospace Europe (WAE), um durch Netzwerken, Präsenz-Zeigen und Mentoring Frauen innerhalb des europäischen Space-Programms nach vorne, beziehungsweise nach oben, zu bringen.
Crowdfunding?
Aber wie kommt man darauf, 40.000.000 Euro durch Crowdfunding und Sponsoring erreichen zu wollen? Ist die ESA denn so schwer von Verstand, dass sie es in den Tagen der Gleichstellungsförderung nicht fertigbringt, EU-Mittel zu beantragen, um (mit viel Eigenlob und Selbstbeweihräucherung) eine so genannte „Quotenfrau“ auf die ISS zu schicken? Ein objektiver Bedarf wäre ohnehin da, denn die Wissenschaft hat viel zu wenig Datenmaterial über das Verhalten des weiblichen Körpers im All. In Anbetracht dieser Tatsache hat die Deutsche Gesellschaft für Luft- und Raumfahrt (DGLR) das Auswahlverfahren für die Astronautinnen mit allen Tests und Befragungen sozusagen im eigenen Interesse gesponsert.
„Diskriminierung“
Doch es wäre Diskriminierung – so Johann-Dietrich Wörner, Generaldirektor der ESA – eine Stelle ausdrücklich nur für ein Geschlecht auszuschreiben. Der Fehler läge eher bei den Bewerberinnen: Männer würden sich auch dann bewerben, wenn sie „nicht hundertprozentig den Anforderungen erfüllen“ – bei Frauen wäre ihnen ihre eigene Gewissenhaftigkeit im Weg und sie würden sich gar nicht erst trauen, sich zu bewerben. (Netter Versuch, besonders das mit der „Diskriminierung“).
So kommt langsam die Vermutung auf, dass Claudia Kesslers Casting-Show einen weiteren Zweck dient, als nur dem Fundraising. Leute an der Spitze des europäischen Weltraumgeschäfts – Leute, die wirklich etwas verändern könnten – sollten sich einen Ruck geben und eine deutsche Astronautin zur ISS schicken. Sie wird ihnen ja schon auf einem Teller präsentiert.
Und bis es so weit ist – Spendet massenhaft!
Glenys Gill
Links
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Wer wird die erste deutsche Astronautin? „Der zwölfte deutsche Mensch im All sollte eine Frau sein“
Frauen im Weltraum. Warum ist dafür noch ein Casting nötig?
Eine dieser Frauen wird die erste deutsche Astronautin
Claudia Kessler – die Frau hinter „Die Astronautin“
Emilia meint
Auf andere Weise passend ist der derzeit im Cinema gezeigte Film: Hidden Figures. Sehr lohnenswert: die Durchsetzung hochkompetenter schwarzer Frauen bei der NASA!
Ronja meint
Eigentlich finde ich es total Klasse, dass einige es in die Hand nehmen, damit auch einmal deutsche Astronautinnen ins All fliegen können. Was mich verblüfft: wenn die 6 ausgewählten Kandidatinnen so toll sind – und das sind sie wirklich! -, warum müssen dann private Mittel gesammelt werden? Warum ist es nicht selbstverständlich, dass diese geballte Kompetenz bei der ESA ihren (finanzierten) Weg gehen kann? Müssen wir mal wieder über eine Quote reden? Eine Quote ist immer dann das Mittel der Wahl, wenn vorhandene Qualität von Frauen nicht ihre Würdigung findet.
Die Astronautin meint
Liebe Ronja,
herzlichen Dank für Deinen Kommentar. Leider haben wir auch keine Antwort auf die Deine Frage, warum es für die ESA nicht selbstverstädnlich ist. Aus diesem Grund haben wir diese Initiative auch gestartet.
Liebe Grüße