Ihr wisst noch nicht, was ihr im August so machen wollt? Geht doch mal Fahrrad fahren! Hier eine kleine Inspiration aus Christels Fahrradleben.
Eine Fahrradtour an Oder und Neiße, entlang der polnischen Grenze. Die Gegend im äußersten Südosten der Republik ist für mich ein weißer Fleck auf meiner inneren Landkarte – oder wenn ich ehrlich bin: der hinterste Winkel.
Aufgewachsen im Kalten Krieg, guckte ich nur nach Westen: Popmusik aus England, Schüleraustausch mit Frankreich, Coca Cola aus den USA, Urlaub an der Adria. Hinter’m “eisernen Vorhang” war auch mein Weltbild zu Ende. Seit der Wende war es wirklich Zeit, zu meinem privaten “Zusammenwachsen” beizutragen und das ferne fremde Deutschland zu erkunden. Und nichts bringt uns eine Region näher als eine Fahrradreise von Ort zu Ort: Landschaft, Dörfer oder Städte, Dialekt, Essen und vieles mehr werden in einem gemächlichen Tempo erfahrbar und erlauben in langen Stunden des Dahinradelns, alles auf sich wirken zu lassen.
Der Charme der Vergangenheit
Zu zweit entscheiden wir jeweils von Tag zu Tag über das nächste Nachtquartier, und am liebsten sind uns Privatunterkünfte. Meist sind es ältere Ehepaare, die nach dem Auszug der Kinder mit der Vermietung von ein oder zwei Zimmern ihre Rente aufbessern. Das Zimmer liegt oft unterm Dach – der Nippes begleitet uns dann von der Haustür die Treppe rauf bis ins Bad, und ist im Charme der 60er Jahre gehalten: Porzellan-Enten, röhrende Hirsche, aber auch Belobigungen aus Betrieben, Ehrungen vom Sportverein.
Auch die Zimmerausstattung birgt einige spezielle Schätze: bunte Tapeten wetteifern mit Matterhorn und Wiesengrund, Rüschengardinen mit Plastikblumen und herausgeputzten Betten.
Interessant wird es am nächsten Morgen beim Frühstück, das entweder in der “guten Stube” oder in der Wohnküche serviert wird, und oft mit ein bisschen Familienanschluss. Denn die meisten unserer Gastgeber erzählen gern etwas aus ihrem aktuellen und vergangenen Leben. Wie sie ihr Haus Stück für Stück aufgebaut haben; wo sie gearbeitet und was sie hergestellt haben; wie schlimm das Hochwasser die Leute getroffen hat. Vergangenheit ist so Einiges, untergegangen mit der DDR. Und oft ist keine Gegenwart an ihre Stelle getreten. Vor allem Arbeitsplätze sind verschwunden, und mit ihnen die Ausbildungsplätze, und mit ihnen wiederum sind die Jungen abgewandert. So nehmen wir unser Frühstück manches Mal mit gemischten Gefühlen ein, zwischen selbstgemachter Marmelade und Resignation. Dann müssen wir noch den Gemüsegarten hinterm Haus begutachten. Fast immer tipp topp in Ordnung, die Beete mit dem Lineal gezogen. Der Versuch, der allgemeinen Unordnung der Welt eine kleine liebevolle Idylle entgegenzusetzen.
Kein Hotel hätte ich dagegen eingetauscht
Dann wird es Zeit zum Aufbruch. Wir werden noch mit guten Ratschlägen versehen. Und dann steigen wir aufs Rad, winken und fahren los – meist ein bisschen erleichtert. Und bereichert, im doppelten Sinn: Gut, mit Leuten in Kontakt zu kommen, die in meinem alltäglichen Leben kaum vorkommen. Und gut zu sehen, wo ich auf jeden Fall nicht leben möchte.
Dorothea Hartz meint
Liebe Kolleginnen, ich empfinde das Foto auf der Titelseite mit dem umgefallenen Rad und dem Rucksack daneben, für das, um was es in dem Artikel geht, nämlich Reisen mit dem Rad, äußerst unpassend! Die Assoziation – vor allem auf den Frauenseiten, daneben: #ausnahmslos, darüber: Hilfetelefon – Gewalt gegen Frauen….liegt auf der Hand. Da muss doch ein fröhlicheres Fahrradfahrbild zu finden sein! Schönen Gruß, Dorothea Hartz
abarckhausen meint
Hallo Dorothea,
du hast völlig recht, manchmal sind wir auch betriebsblind 🙂
Danke für den Hinweis, wir werden das ändern.
Andrea