Die Landesfrauenbeauftragte Ulrike Hauffe (ZGF) zur Situation der Hebammen: „Höchste Zeit für die große Lösung, der Haftpflichtfonds muss endlich her.“
Aus Anlass der Aktuellen Stunde in der Bremischen Bürgerschaft am Mittwoch, 14. Juni, mit dem Titel „Hebammen vor dem Aus? – Wahlfreiheit bei der Geburt für werdende Mütter?“ kommentiert Landesfrauenbeauftragte Ulrike Hauffe:
„Was im Bereich der Geburtshilfe gerade geschieht, lässt sich nur noch als paradox bezeichnen: Zum einen gibt es gerade in jüngster Zeit Mut machende Signale aus der großen Politik. Hier haben die Verantwortlichen – endlich – verstanden, wieviel im Argen liegt, wie sehr Schwangerschaft und Geburt dem Diktat des medizinischen Machbaren und dem Ruch des Risikos unterliegen, wie wenig es noch um die werdenden Mütter, um echte Selbstbestimmung, um Vertrauen in die Fähigkeiten des Körpers geht.
Zum anderen geben reihenweise freiberufliche Hebammen die Geburtshilfe auf. Wissen und Strukturen gehen verloren. Geburtsstationen kleinerer Krankenhäuser schließen mangels Rentabilität, Schwangere im ländlichen Raum haben oft haarsträubende Wege vor sich, wenn die Wehen kommen. Wahlfreiheit, Selbstbestimmung, war da was? Da stimmt etwas nicht im System.
Schon eine Sensation
Vor wenigen Wochen hat der Kooperationsverbund gesundheitsziele.de, ein breiter Zusammenschluss von Entscheidungsträgern der Spitzenverbände im Gesundheitswesen, sich zur natürlichen Geburt und zu so genannten Salutogenese bekannt: Schwangerschaft und Geburt primär aus der Perspektive der Frau und ihrer Fähigkeiten zu sehen, nicht aus der Perspektive einer potenziell Kranken und ihrer Behandlung im Medizinbetrieb. Schon eine Sensation, finde ich. Bündnisse zur Unterstützung der natürlichen Geburt gemäß unserem Bremer Vorbild tagen landauf und landab und identifizieren die lokalen Fallstricke, die einer natürlich und ohne Eingriffe vonstatten gehenden Geburt entgegenstehen. Alle Bundesländer haben bereits vor drei Jahren einstimmig an die Bundesregierung appelliert, mehr Anreize für die natürliche Geburt zu setzen, um so die immens hohen Kaiserschnittraten in vielen deutschen Krankenhäusern zu senken.
Sicherstellungszuschuss stellt nicht sicher
Alles nur Gerede? Angesichts der Nachricht, dass nun auch die drei Bremer Beleghebammen sich aus der Geburtshilfe verabschieden, sieht es schon sehr so aus. Es helfen ja aller Konsens und alle Empfehlungen auch auf den höchsten Ebenen nicht, wenn zugleich immense Haftpflichtprämien die freiberuflichen Hebammen zur Berufsaufgabe zwingen. Denn sie sind es, die Alternativen zur Krankenhaus-Geburt, sprich Wahlfreiheit und Selbstbestimmung überhaupt erst ermöglichen. Auch der Sicherstellungszuschuss der gesetzlichen Krankenkassen, der als Überbrückung bis zu einer tragfähigen Lösung die berufliche Existenz freiberuflicher Hebammen „sicherstellen“ soll, trägt angesichts schleppender Auszahlung, hoher, aus Hebammensicht in Teilen schikanöser Anforderungen nicht wirklich.
Die Preisspirale könnte gestoppt werden
Seit Jahren steht den freiberuflichen Hebammen das Wasser bis zum Hals. Höhere Leistungsvergütung und Sicherstellungszuschlag haben daran wenig geändert. Es ist höchste Zeit für die große Lösung: einen Haftpflichtfonds, der für Schäden aufkommt, die über einer bestimmten Deckungssumme liegen. Damit könnte die Preisspirale bei den Prämien gestoppt werden. Dieser Fonds aber kann nur auf Bundesebene funktionieren, ihn einzurichten ist Aufgabe des Bundesgesundheitsministers.“
Zum Hintergrund
Von 2002 bis 2016 haben sich die Haftpflichtversicherungsprämien mehr als verzehnfacht. Inzwischen muss eine Hebamme, die freiberuflich Geburtshilfe anbietet, über 6800 Euro nur für ihre Berufshaftpflichtversicherung bezahlen. Dabei ist es egal, ob sie als Hausgeburts- oder Geburtshaushebamme vielleicht nur wenige Geburten im Jahr begleitet oder ob sie als sogenannte Beleghebamme im Krankenhaus arbeitet und dort vielleicht auch viele Geburten betreut. Die Prämien für Hebammen, die ausschließlich Wochenbettbetreuung, Kurse oder Vorsorgeuntersuchungen anbieten, sind ebenfalls gestiegen. Viele Hebammen können die Prämien aufgrund ihres ohnehin schon niedrigen Verdienstes nicht mehr erwirtschaften.
Weitere Informationen findet ihr auf unsere-hebammen.de
Schreibe einen Kommentar