Homo-, Bi- und Transphobie sind weltweite Phänomene. Es gibt sicherlich kein einziges Land, in dem LGBTQ-Menschen völlig ohne Angst vor Diskriminierung leben können. Allerdings variiert das Ausmaß der Gewalt, die LGBTQ-Menschen erfahren. Auch der Schutz der rechtlich gegeben ist variiert stark zwischen verschiedenen Ländern. So ist es keine Überraschung, dass viele LGBTQ-Menschen aus ihren Ländern vor Hassgewalt fliehen um zum Beispiel in Deutschland Asyl zu beantragen. Auch aus sogenannten sicheren Herkunftsländern kommen Geflüchtete, um Schutz zu suchen. Teilweise sind die Asylanträge für LGBTQ-Geflüchtete erfolgreich. Aber die Schwelle für den Grad der Verfolgung, der zu einem positiven Asylantrag oder anerkannten Flüchtlingsstatus führt ist hoch. Nicht einmal ein Verbot von gleichgeschlechtlichen Beziehungen im Herkunftsland sorgt in allen Fällen für einen Schutz vor Abschiebung.
EU-weites Recht erst seit Kurzem
2013 bestimmte der europäische Gerichtshof (EuGH), dass LGBTQ-Geflüchtete Anspruch auf Asyl haben. Die verantwortlichen Richter stellten dabei fest, dass LGBTQ-Menschen als soziale Gruppe anzusehen sind, was ihnen in der Rechtssprechung zugute kommt. Darüber hinaus entschieden die Richter, dass man nicht erwarten darf, dass LGBTQ-Geflüchtete nach einer Ausweisung oder Abschiebung in das Land der Herkunft ihre Sexualität oder ihr Transsein verheimlichen sollen. Davor durften Ämter in der EU Geflüchtete nach europäischem Recht ausweisen, unter dem Vorwand, sie würden ja keine Diskriminierung erfahren, solange sie ihre Sexualität nicht offen ausleben oder ihr Transsein geheim halten. Betroffen von solchen Entscheidungen waren auch LGBTQ-Menschen, die in Zwangsehen lebten. Die Richtlinie, die vom EuGH ausgeht, sorgt zwar für eine bessere Stellung der Geflüchteten, garantiert aber keinen Schutz.
Nicht jede Diskriminierung führt zum Schutzanspruch
Der Lesben- und Schwulenverband (LSVD) führt auf seiner Seite einen Leitfaden für den Anspruch auf Asyl für Homosexuelle. Laut diesem müssen ausländische LGBTQ-Menschen, die in Deutschland ankommen, im Ursprungsland einer Verfolgung ausgesetzt sein, die die Gefahr von Leib, Leben, oder Freiheit verursacht. Dabei muss eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte vorliegen oder drohen. Eine kumulative Diskriminierung — das heißt zum Beispiel verweigerter Zutritt zu Bildungseinrichtungen oder Bedrohung der Existenzgrundlage — können zu so einem Umstand führen. Bloße Ausgrenzung, Beleidigungen, oder „unsubstantiierte Drohungen“ sollen aber nicht ein ausreichender Grund für einen Asylanspruch sein. Bei diesen verschiedenen, teilweise graduellen Maßstäben ist nicht unbedingt zu erwarten, dass Gutachter*innen bei Asylanträgen zu einheitlichen Resultaten kommen.
Selbst bei einem expliziten Gesetz gegen gleichgeschlechtliche Beziehungen besteht nicht zwangsläufig ein Asylanspruch. Nur wenn bewiesen werden kann, dass tatsächlich Strafen gegen LGBTQ-Menschen im Herkunftsland verhängt werden, gilt ein Anspruch auf Asyl. Dies geht ebenfalls auf die Entscheidung des EuGH zurück. Volker Beck von den Grünen kritisiert diese Vorgehensweise. Er sagt, die Existenz von Strafparagrafen gegen Sexualität verursache begründete Furcht und schaffe eine Atmosphäre der Angst. Damit sei der Schutzanspruch gerechtfertigt.
Teilweise muss der Schutz erst eingeklagt werden
Der Verein LSVD veröffentlicht auf seiner Seite einige Entscheidungen von deutschen Gerichten, in denen LGBTQ-Geflüchtete versuchten ihr Bleiberecht in Deutschland gegen das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) einzuklagen. An diesen Urteilen ist unter anderem zu erkennen, dass sogar Schwule und Lesben aus zum Beispiel dem Iran, wo für Schwule die Todesstrafe droht, zunächst abgewiesen wurden. So geht aus einem Urteil hervor, das BAMF fände ein Geflüchteter habe „aufgrund seiner Homosexualität keine Probleme mit den Behörden im Iran gehabt.“ Sein Flüchtlingsstatus und somit der Schutz vor Abschiebung wurde erst durch das Gericht im Zusammenhang der Klage anerkannt. Die Ablehnung des Asylantrags durch das BAMF fiel erst nach der Entscheidung durch den EuGH von 2013.
Aber auch die Gerichte kommen bei dem gleichen Herkunftsland nicht zu einheitlichen Entscheidungen. So wies das Verwaltungsgericht Potsdam in 2014 die Klage einer lesbischen Frau aus Russland ab. 2017 entschied das gleiche Gericht aber, dass einem bisexuellen, russischen trans Mann der Flüchtlingsstatus zugesprochen werden soll. In vielen Entscheidungen kamen die Gerichte auch zu dem Beschluss, zwar den Flüchtlingsstatus anzuerkennen, während gleichzeitig das Asylrecht abgewiesen wurde. Dies war zum Beispiel der Fall wenn die Geflüchteten über EU-Länder eingereist waren. Laut der Rechtssprechung hätten sie Asyl im als erstes betretenen sicheren Land beantragen müssen.
Der Hass hört in Deutschland nicht auf
Die Möglichkeit der Ausweisung ist nicht das einzige Risiko, unter dem LGBTQ-Geflüchtete leiden. Auch Diskriminierung nach der Ankunft ist für viele ein Problem. In einem Interview für die Deutsche Welle berichtet Knud Wechsterstein von der Initiative Rainbow Refugees Frankfurt, dass die Umgebung in Deutschland für Geflüchtete oft genau so homophob ist wie in Deutschland. Denn queere Geflüchtete müssen oft in Unterkünften mit Menschen aus dem eigenen Herkunftsland zusammenleben — und das auf engem Raum. Auch fällt es einigen schwer im Prozess des Asylantrags auf einmal offen über die eigene Sexualität zu reden. Diese mussten sie nämlich meist jahrelang verschweigen. Auch Dolmetscher*innen stammen oft aus dem Kulturkreis, vor dem LGBTQ-Leute flüchten. Zeit.de berichtet, dass oft Geflüchtete von Dolmetscher*innen beleidigt und drangsaliert werden. Statt Geflüchtete im Gespräch zu unterstützen, sabotieren Dolmetscher*innen queere Menschen teilwese.
Der EuGH hat in den letzten Jahren weiter die Rechte queerer Geflüchteter gestärkt. 2014 entschied der Gerichtshof, dass Gutachter*innen keine Fragen zu sexuellen Praktiken stellen dürfen. Auch Videos oder Bilder dürfen nicht als Beweis für die Sexualität verlangt oder akzeptiert werden. Und erst im Januar 2018 entschied der EuGH, dass auch keine psychologischen Tests durchgeführt werden dürfen, um die Sexualität festzustellen. Aber der bloße rechtliche Anspruch auf eine gute Behandlung garantiert nicht, dass gegen queere Geflüchtete nicht diskriminiert wird.
Die Bundesrepublik Deutschland schaffte selbst erst die Strafbarkeit von Sex zwischen Männern 1994 ab. Die gesetzliche Verfolgung von Männern, die Männer lieben war bei uns selbst noch eine Tatsache in junger Vergangenheit. Ein Teil der Aufarbeitung mit dieser beschämenden Vergangenheit muss auch sein, dass wir Menschen die für ihre Sexualität oder fürs Transsein immer noch verfolgt werden, ohne Wenn und Aber Schutz bieten. Denn das Recht auf die eigene Sexualität und das Recht zu Lieben sind keine Menschenrechte, solange wir sie nicht für alle anerkennen.
Kathy Hemken
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