Ein strahlender Sonntagmorgen im Mai. Die Sonne lachte am blauen Himmel. Das Wetter schien heute vielversprechend zu werden. Vor meinem kleinen Lokal in der Altstadt flanierten schon die ersten Touristen vorbei. Es könnte ein guter Umsatztag werden. Also rasch die 4 Tische und die Stühle raus getragen, hübsche Tischdecken aufgelegt und kleine Vasen mit frischen Blumen drauf gestellt. Nun konnte es los gehen. Der Kaffee duftete schon bis nach draußen und ich hoffte, dass der Geruch gleich ein paar Leute anlockte. Und er lockte, aber anders.
Ich sah, dass an den Tischen auf einmal 8 Kinder saßen so im Alter von etwa 10 Jahren. Eine Begleitperson war weit und breit nicht zu sehen. Ich ging hinaus. Alle hatten sie Rucksäcke dabei. Große Kinderaugen schauten mich herzerweichend an. „Bitte, dürfen wir uns hier ausruhen? Uns tun so die Füße weh!“ Und wer kann da schon „Nein“ sagen. – Ich jedenfalls nicht. Natürlich durften sie.
Ich begab mich wieder in das Innere des Lokals. Durch das Fenster konnte ich beobachten, was sich da draußen abspielte. Da glaubte ich doch meinen Augen nicht zu trauen,—-holten die Bengel doch aus ihren Rucksäcken ihren Proviant heraus. Cola-Dosen machten sich auf meinen Tischen breit und fünf der Jungen hatten neben ihren Brötchen auch die in Plastik verpackten ekligen Frikadellen einer bekannten Kette, deren Namen ich hier nicht erwähnen möchte. Mir blieb die Spucke weg. Was nun? Was denken die Gäste, die hier vorbei gehen. Da kann ich damit rechnen, dass keiner von denen meinen Laden betritt, geschweige denn zum Essen kommt. Ich bin doch kein Imbiss! In meinem Kopf arbeitete es fieberhaft. Die Kinder sollten doch auch ihre Pause haben. Da kam mir eine glorreiche Idee. Flugs packte ich ein paar Teller mit Servietten zusammen, toastete rasch ein paar Toastscheiben und machte zwei Schälchen mit Senf und Ketchup fertig. Die Frikadellen schnitt ich in kleine Häppchen und ordnete sie auf ein paar Salatblättern nett an. Dies alles platzierte ich rasch auf die Tische und nahm die ganze Kartonage an mich. Dann mussten noch ein paar Cola-Gläser raus. Die Dosen mussten natürlich schnellstens von den Tischen runter. So sah das Ganze doch gleich viel appetitlicher aus. Strahlende Kinderaugen dankten es mir. Und auch ich war erleichtert, es hätten ja auch meine Enkel sein können.
Der Test
Etwas später ging die Tür auf, ein junger Mann betrat das Lokal, reichte mir die Hand und sagte :“ Ich möchte mich im Namen unserer Gruppe ganz herzlich bedanken. Wir haben das Ganze hier heimlich mitgefilmt. Es geht um eine Studie, die wir gerade mit dieser Gruppe erarbeiten über die Freundlichkeit der Gastwirte Kindern gegenüber. Sie waren dabei die Beste.“ Acht Kinderköpfe steckten kichernd ihre Köpfe durch die Tür und winkten mir, laut und fröhlich „Danke“ rufend, zu. Und ich winkte erleichtert zurück. So war ich zum Star eines Filmes geworden. Zwar keine Gage, aber ein gutes Gewissen.
Karo meint
Eine schöne Geschichte! Ich kann mir die Zwickmühle, in der Sie steckten, sehr gut vorstellen 🙂 Chapeau für Ihre Reaktion!