Kennt ihr das, wenn jemand eure Gefühle nicht erwidert? Es gibt eine Online-Gemeinschaft von Männern, die anscheinend durchgängig unter Ablehnung leiden. Sie nennen sich incels. Das ist eine Wortzusammensetzung aus den englischen Wörtern involuntary (unfreiwillig) und celebacy (Zölibat). Diese incels sind Männer, die noch nie oder wenig sexuellen Kontakt zu Frauen hatten, obwohl sie sich diesen wünschen. Sie leben also sozusagen unfreiwillig zölibatär. Für ihren Mangel an romantischen und sexuellen Beziehungen machen sie jedoch einzig und allein die Frauen verantwortlich. Und zwar Frauen im Allgemeinen.
Das Frauenbild der Incels
Denn Frauen seien nach Incel-Logik oberflächlich und triebgesteuert. Sie würden daher ausschließlich erfolgreiche, muskelbepackte ‚bad boys‘ attraktiv finden. Die Incels, welche doch eigentlich die netten Kerle seien und auch innere Werte schätzen, würden dabei übergangen werden. Dass diese Männer bei den Frauen nicht landen, weil sie diese als Sex-Objekte betrachten, verstehen sie nicht. In Online-Foren tauschen sich die Incels dann darüber aus, wie einsam sie sind und beschimpfen Frauen quasi dafür, einen eigenen Willen zu haben. Die Incels empfinden es nämlich als selbstverständlich, dass Frauen sich ihnen zur Verfügung stellen. Von daher verlieren sie buchstäblich den Verstand, wenn dies so nicht geschieht. Auf Online-Platformen wie Reddit reden sie sich dann unter ca. 40.000 Gleichgesinnten vollkommen in Rage und verteufeln Feminismus und weibliche Selbstbestimmung, welche sie als die größte Ungerechtigkeit gegen Männer auffassen. Sie stellen sich selbst als Opfer dar, dabei geht schädliches Verhalten von ihnen selbst aus. Sie tauschen in ihren Foren brutale sexuelle Gewaltfantasien aus und abseits des Bildschirmes werden diese manchmal zur Realität.
Motiv: Frauenhass
So war beispielsweise der Amoklauf eines 22-jährigen US-Amerikaners im Jahre 2014 von Frauenhass motiviert. Der Täter erklärte seinen Zustand in einem 137-seitigen Manifest und mehreren Videos unter anderem wie folgt:
„In den vergangenen acht Jahren meines Lebens, seit ich in die Pubertät gekommen bin, war ich gezwungen, eine Existenz in Einsamkeit zu erdulden, eine Existenz voller Zurückweisung und unerfüllter Begehren. Alles nur deshalb, weil Frauen sich nie zu mir hingezogen fühlten. In den vergangenen Jahren bin ich in Einsamkeit verrottet“.
Dieser Mörder wurde nach seiner Tat unter den Incels als Märtyrer gefeiert. Auch ein junger kanadischer Mann tötete im Jahre 2018 aus Hass mehrere Frauen. Er wollte sich ebenfalls am weiblichen Geschlecht rächen. Da stellt sich nun die Frage: Handelt es sich hier nur um Einzelfälle oder ist das Problem weitgreifender?
Produkte des Patriarchats
Was die meisten dieser Incels gemeinsam haben ist die Überzeugung, dass Frauen nach der Nase von Männern zu tanzen haben. Es handelt sich hier größtenteils um Männer, die in dem Glauben erzogen wurden – von den Eltern oder von der Gesellschaft – ein Anrecht auf die Körper von Frauen zu haben. Im Prozess des Heranwachsens fieberten sie womöglich darauf hin, eines Tages von diesem Anrecht Gebrauch zu machen, nur um dann zu erfahren, dass sie sich nicht nehmen können, was sie wollen. Der Frauenhass, der von den Incels ausgeht, wurzelt also nicht allein in ihrem Mangel an sexuellen Beziehungen. Denn es gibt auch genug Erwachsene – jeglichen Geschlechts – die sexuell unerfahren sind und nicht die halbe Menschheit dafür verantwortlich machen.
Das Problem liegt darin, dass Kinder schon von klein auf in bestimmte Rollen gedrängt werden, die ihr Selbstbild und das von anderen prägen. Jungs sollen aktiv und dominant sein, Mädchen eher passiv und nicht aufmüpfig. Von daher wäre wohl der größte Schritt getan, wenn Kinder gleich erzogen und behandelt würden, unabhängig von Geschlecht. Unter solchen Umständen hätten die Incels vielleicht auch gelernt, Mädchen und Frauen als eigenständige Personen mit einer Bandbreite von Charaktereigenschaften zu betrachten.
Katrin Engels
Maxim Safonov meint
Ein hervorragender Artikel, ich bin sehr gerührt, insbesondere vom letzten Absatz. Man muss traditionelle Geschlechterrollen bekämpfen. Und es stimmt, alle Kinder sollen nach gleichen Mustern erzogen werden.
S. Zielinski meint
Bis vor einer Woche wusste Ich gar nicht, dass es diese Subkultur gibt und war zutiefst erschüttert. Ende der 90er Jahre war Ich selbst von Einsamkeit zerfressen, hab Pärchen gehasst und im betrunkenen Zustand sogar beschimpft. Ich wäre wahrscheinlich selbst ein Incel geworden. Glücklicherweise bin Ich dank dem Hobby Fotografie der Natur nahe gekommen und der Frieden hat Mich quasi an die Hand genommen. Dennoch weiß Ich um die inneren Qualen der Incels und Ich fühle Mich seit dem Gewahrwerden ihrer Existenz irgendwie dafür verantwortlich, jenen jungen Menschen, die noch nicht ganz von dieser Ideologie zerfressen sind, einen Ausweg anzubieten.