Am 2. Juni ist Internationaler Hurentag.
Wer arbeitet, soll auch Anerkennung bekommen.
Ich bin im Nachkriegs-London streng protestantisch erzogen worden. Meine Eltern waren arm und auch Labour-Wähler (was mein frühkindliches Psychogramm so ziemlich umschreibt). Drei Jahre vor meiner Geburt war in Großbritannien der Wohlfahrtsstaat eingeführt worden: Es gab zum ersten Mal kostenlose medizinische Versorgung und Arbeitslosengeld. Niemand wollte mehr als Dienstbote arbeiten: Die Arbeiterklasse hatte ihren Stolz, und ging auch dafür auf die Straße. Streik war überall. Mal fuhren die Busse nicht, mal gab es kein Strom.
It´s a rotten job, but somebody´s got to do it
Wenn die Arbeit hart ist und die Arbeitsbedingungen mies, dann sagt die Engländerin: „It´s a rotten job, but somebody´s got to do it“. Tja – Sch***job, aber jemand muss es machen. Es gab in England in den Fünfziger Jahren sehr viele Sch***jobs. Die Müllmänner mussten noch den Müll mit der Hand anpacken; die Krankenschwester auch, und in den Kohlebergwerken durften sich die Kumpels noch gute schwarze Staublungen anatmen. Als ältere Kinder mich darüber aufgeklärt hatten, was Prostituierte machen und warum und wozu sie das tun, fand ich das ganz schlüssig. Offenbar gab es eine Versorgungslücke, und es hatten sich Leute bereit erklärt, diese zu schließen. Ich ging also logisch davon aus, dass die Prostituierten auch für mehr Lohn und bezahlten Jahresurlaub auf der Strasse rumstanden.
Das Mysterium der verbotenen Arbeit…
Als ich diese Schlussfolgerungen in der Sonntagsschule äußerte wurde ich eines besseren belehrt. Diese mutigen Heldinnen der Arbeiterklasse waren verachtenswürdig und verdammt. Man durfte nicht einmal über sie sprechen. Die Reaktionen der Erwachsenen waren so extrem, dass sie alleine für sich einen kompletten Studiengang darstellten: Mein Vater schlug meine Mutter, weil er davon ausging, sie hätte mir das alles eingeflüstert; meine Mutter meldete mich an den Kirchenrat, damit dieser erzieherisch eingreife… Ich beschloss fortan, den Mund zu halten. Nicht jedoch aufzuhören zu denken.
Schnitt: Deutschland 2010
Als der ehemaliger Verteidigungsminister (und Baron, und was auch immer) 2010 im Fernsehen verkündete, der Einsatz in Afghanistan sei einem Kriegsdienst gleich zu setzen, und es solle für die SoldatInnen Orden und Auszeichnungen geben erschien mir das sofort schlüssig: „It´s a rotten job,“ dachte ich mir „but somebody´s got to do it“. Nach kurzem Überlegen erkannte ich aber, dass es in Kriegsgebieten einen noch härteren Sch***jobs gibt. Zuerst, so dachte ich mir, sollte es Orden und Auszeichnungen für die dort tätigen minderjährigen Zwangsprostituierten geben. Und in jeder Stadt (mindestens) ein Denkmal.
Geht Gar Nicht
Aber was macht Sexwork zu einem so harten Job? Was ist gerade an diesem Beruf, das sich nicht modernisieren, sich nicht zivilisieren lässt? Ob legal oder verboten, SexworkerInnen werden in ihren Arbeitsverhältnissen größtenteils irgendwo zwischen Milch- und Schlachtvieh angesiedelt. Aber Vieh ist nicht Mensch – und da liegt das Problem. Es geht nicht eigentlich um Sexkauf, sondern um Austoben von Frauenhass und Frauenverachtung, also Gewalt. Kein Wunder, dass das Bündnis „Stop Sexkauf“ die Bundesrepublik Deutschland „wegen Legalisierung der Prostitution verklagen will.
Zwangsprostitution und Sexwork
Warum ist Sexwork keine normale Dienstleistung? Ärztinnen, Rechtsanwältinnen und Verwaltungsangestellte werden weder in Schweinehochhäusern noch in Legebatterien gehalten. Sie haben keine Flatrates sondern werden nach Tarif bezahlt. Im Mai dieses Jahres gründete die Neuseeländerin Antonia Murphy ein „ethical brothel“, mit unterstützender und respektvoller Arbeitsatmosphäre. Sie musste aber feststellen, dass sie keine Stellenanzeigen in der Presse – egal ob print oder online – setzen durfte. „Putzen, Kellnern oder Callcenter-Jobs hätte ich reinsetzen dürfen“ sagte sie im Interview mit der NZ Herald, „Ich biete 11 mal soviel wie diese Mindestlohnjobs: Die Frauen sollten wenigstens die Wahl haben!“
ProstSchG – Prostitutionsgesetz 2017
Ab 1. Juli 2017 tritt das neue Prostitutionsschutzgesetz in Kraft. „Mit der Einführung von Mindestanforderungen an Prostitutionsstätten werden die Arbeitsbedingungen vor Ort verbessert und die Betreibenden stärker in die Verantwortung genommen. Kriminelle Ausbeutung von Prostituierten, menschenunwürdige Geschäftsmodelle, Gewalt – all das soll künftig früher erkannt und verhindert werden.“ schreibt dazu das zuständige Bundesministerium (BMFSFJ). Aber schon jetzt sind sowohl Gegnerinnen als auch Befürworterinnen von Sexwork strikt dagegen: Es mache nichts besser aber vieles schlimmer, sagen sie – ausnahmsweise – einstimmig.
Ricarda
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