Erstmals ist das FemCafé für ihr Engagement für den Nachbarschaftspreis nominiert. Die Chance auf den Publikumspreis verdient sich das FemCafé vor allem durch ihre Aktivitäten im Foodsharing.Seit nun fünf Jahren ist das FemCafé aktiv. Von der Entstehung bis zum Traum vom Meer und wie dieser Traum Wirklichkeit werden könnte, davon haben Kathrin Lahusen und Rima Youssef in einem Interview mit uns berichtet.
Viel Herzblut und Energie haben die beiden Frauen in das FemCafé investiert. Kathrin ist Bremerin und von Anfang an dabei. Rima hat ebenfalls schon seit fünf Jahren viele Erfahrungen und Erinnerungen im FemCafé gesammelt. Sie flüchtete damals mit ihrer Familie aus Syrien ins unbekannte Deutschland. Seitdem haben sie und ihre Familie viel erreicht. Damals, Arabisch als Muttersprache sprechend, kam die Familie in Deutschland an. Heute steht Rima kurz davor ihr Deutsch auf C1 Niveau zu beweisen. Ein Sprachniveau, welches nur eine Stufe unter Deutsch-Muttersprachler*innen ist. Ihre Kinder haben ihr Abitur und engagieren sich fleißig in Sport und Musik, berichtet die stolze Mutter. Sie sind angekommen. Ein Prozess, in dem das FemCafé eine wichtige Rolle spielte.
FemCafé: Der Anfang von Gemeinschaft
Oktober 2015. Ein Jahr, welches vielen von uns gut in Erinnerung geblieben ist. Damals stiegen die Zahl an Geflüchteten und immer wieder kursierte das Thema durch die Medien. Es war oft ein einseitiges Bild, von Toleranz, aber vor allem auch von den problematischen, unbegleitete Minderjährigen. Kathrin Lahusen erinnert sich:
„Wir haben damals als diese vielen, auffälligen Jugendlichen immer in der Presse waren, als diese große Einwanderungswelle war, da haben wir uns dann irgendwann gedacht: Und was ist mit den Frauen?“
So entstand das FemCafé. Das Konzept ist einfach: Alte Bremerinnen helfen neuen, geflüchteten Bremerinnen. Und dies auf ganz verschiedene Arten. Am Anfang der Entstehung war das FemCafé vor allem Anlaufstelle für existenzielle Fragen. Hierzu zählte zum Beispiel die Wohnungssuche oder die Anmeldung der Kinder an Schulen. Kleine Spenden und Geschenke wie Kleidung oder Geschirr wurden verteilt, um den Anfang in dem neuen, fremden Deutschland etwas leichter zu machen. Ob alte oder neue Bremerinnen, die Frauen bildeten ein Netzwerk das noch heute besteht.
Schon am Anfang des FemCafés wurde besonders darauf geachtet, dass man auch die neuen Bremerinnen in die Organisation mit einband. Und auch die alten Bremerinnen gewannen viel dazu. Zum einen, zählen dazu die Eindrücke, die das Kennenlernen einer neuen Kultur mitbringt. Zum anderen, betont Kathrin die Stärke und Lebensfreude, die sie und viele andere Frauen über die Jahre mit den neuen Bremerinnen erlebt hat: „So viele Probleme müssen sie meistern, das bewundere ich aber auch sehr”.
Der Alltag und Projekte: Essen schenken und gemeinsam kochen
Hierbei stellten die Frauen über die Jahre viele Projekte auf die Beine. Das Prominenteste hiervon ist das Foodsharing Angebot. Seit dem Januar 2019 bietet das FemCafé zweimal die Woche einen Verteildienst von Lebensmitteln an. Bei den Lebensmitteln handelt es sich um gerettetes Essen, dass dann an die neuen Bremerinnen
weitergegeben wird. Jener Zwischenschritt entstand als Lösung auf ein Problem: Dem Quizz, welches auf Deutsch beantwortet werden muss, um bei der Organisation Foodsharing teilzunehmen. Jenes Quizz muss bei der Anmeldung bei Foodsharing.de beantwortet werden, um an den Foodsharing Aktionen teilzunehmen. Es besteht aus einigen Fragen zu dem Thema nachhaltiger Nahrungskonsum. Leider stoßen hier viele nicht-Muttersprachler auf Probleme. „Dieses Quizz ist sprachlich sehr schwierig zu bewältigen“, erklärt Kathrin. Dank dieses Engagements sorgt das FemCafé nun schon seit fast zwei Jahren für volle Mägen bei den neuen Bremerinnen und ihren Familien. Auch von der Coronakrise wurde das FemCafé nicht gestoppt.
Zusätzlich dazu hat sich eine Kochgruppe gebildet, die das gerettete Essen verarbeitete. Eine Aufgabe, die ihre eigene Herausforderung hatte, wie Rima erzählt: „Zum Kochen gehen […] sollen wir nur Deutsch sprechen. Das ist sehr gut.“ So wurde auch die Sprache im entspannten Beisammensein geübt. Hierzu kommen noch Ausflüge und Kurse, die das FemCafé mit Begeisterung auf die Beine stellte. Zusammen wurde Musik gespielt, gesungen und getanzt. Rima erinnert sich mit einem Lächeln an den gemeinsamen Ausflug zum Schwimmen. Auch der Ausflug nach Dörverden ist ihr besonders in Erinnerung geblieben. Die Erinnerung, wie sie gemeinsam mit den Wölfen geheult haben. Weiterführend stehen politische Events immer mal wieder auf dem Plan, wie das Projekt mit der Gruppe Women in Exile aus Berlin. Eine Übersicht der verschiedenen Veranstaltungen ist auf der Internetseite des FemCafés zu finden.
Die Frauen: Das verbundene Miteinander
Die Frauen des FemCafés sind ein bunter Haufen. Momentan finden sich vor allem neue Bremerinnen aus Syrien, Albanien oder dem Iran, oder auch Frauen mit kurdischen oder
persischen Wurzeln im Café wieder. Aber die Zusammensetzung wechselt stetig. So suchten vor allem am Anfang auch viele afrikanische Frauen das FemCafé auf, was jetzt abgenommen hat.
Auch für Menschen mit weniger guten Deutschkenntnissen ist hier Platz. Es findet sich fast immer ein*e freiwillige*r Übersetzer*in bei den Treffen und im Notfall kann die Barriere auch mit Englisch und ein bisschen Kreativität überwunden werden. Und auch wenn noch keine konkreten Erfahrungen mit offen Diversen gemacht wurden, fällt dem*der geübten Betrachter*in auf der Internetseite des FemCafés das Sternchen hinter Frauen auf, welches alle Interessierten Frauen* willkommen heißt. Egal welche Nationalität, Religion oder Sprache mitgebracht wird:
„Alle sind herzlich willkommen“ Kathrin Lahusen
Neue Wege durch Corona
„Wir versuchen jetzt einen neuen Weg und ohne FemCafé geht es nicht“ Kathrin Lahusen
Auch das FemCafé ist natürlich nicht von Coronaauflagen verschont geblieben. So mussten leider einige Veranstaltungen verschoben, abgesagt, oder die Anzahl der Teilnehmer*innen begrenzt werden. Doch das FemCafé besitzt einen zähen Kern. Das Foodsharing Angebot geht weiter, trotz Krise, Lockdown und anderen Hürden. Und auch monatliche Treffen im Bürgerpark wurden und werden organisiert. Interessierte werden über die WhatsApp-Gruppe oder auch den Mailverteiler informiert.
„Das finde ich eine wirkliche Qualität, dass wir immer dabeibleiben, egal ob es jetzt von außen her schwierig ist“ Kathrin Lahusen
Der Traum vom Meer
Wie viele, gemeinnützige Organisationen ist Geld für das FemCafé nie im Überfluss. So helfen der Mikrofont und der Stadtteilfont bei der Miete, aber Vieles funktioniert durch das begeisterte Engagement der alten und neuen Bremerinnen. Vor der Nominierung für den Publikumspreis des Nachbarschaftspreises gewann das FemCafé ebenfalls den Bremer Preis „Die sieben Faulen“.
„Danke FemCafé und danke Kathrin, danke Eva, danke Lina“ Rima Youssef
Nun liegt das Augenmerk des FemCafés auf dem Nachbarschaftspreis und all den Chancen und Träumen, die das Preisgeld von 10.000 Euro ermöglichen würde. Kathrin erzählt mit verhaltener Hoffnung:
„Wenn wir einen Preis gewinnen sollten [..]: Wir Frauen würden gerne ans Meer fahren und ein paar Tage zusammen da sein und auch das Meer wieder positiv besetzen. Mit dem Mittelmeer wissen wir, dass viele da eine ganz schwere Flucht hatten.“
Rima ergänzt: „Seit 5, 6, 7 Jahren haben wir das Meer nicht mehr gesehen [..]. Deswegen möchten wir gerne dahin. Für viele Frauen ist das auch so.“ Es wäre eine kleine Versöhnung, ein Wiedersehen mit dem Meer unter anderen Umständen. Die Geschichten aus dem FemCafé zeigen, wie viel sich in einigen Jahren ändern kann. Und so herrscht Hoffnung für ein Happy End am Meer. Jede*r konnte das FemCafé hierbei unterstützen. Der*die Gewinner*in des Publikumspreises wird online gewählt und am 10. November bekanntgegeben. Wir sind schon gespannt auf das Ergebnis.
Sarah Hamer
Kira meint
Danke für den wunderbaren Artikel! Das FemCafé und seine Akteur*innen haben es mehr als verdient einmal so vorgestellt zu werden. Genauso wie ihnen hoffentlich bald der Nachbarschaftspreis überreicht wird.