Das frauenzimmer ist ein Tagestreff für wohnungslose Frauen in Bremen. Es finanziert sich aus der Zusammenarbeit von der Inneren Mission und Spendenprojekten. Im frauenzimmer arbeiten ehrenamtlich engagierte Frauen und zur Zeit zwei hauptamtliche Mitarbeiterinnen. Ich habe ein Interview mit der Koordinatorin des frauenzimmers Ana Küntzel und Britta Pundt, der Einrichtungsleiterin geführt.
Als ich in die Abbentorstraße einbog, sah ich schon von weitem das Haus Nr. 5. Es ist ein buntes Haus, bemalt vor Jahren von Frauen für ein Projekt. Die Fenster sind groß und mit weißer, milchiger Folie abgeklebt. Von außen kann kein Blick hinein geworfen werden. Die Tür in der Mitte des Hauses ist geschlossen, hat einen Spion und links eine Klingel an der Wand. Es ist kurz vor zehn und ich klingele an der Tür des frauenzimmers. Recht schnell öffnet sich die Tür und eine freundliche Frau steht mir gegenüber, die Koordinatorin Ana Küntzel. Sie führt mich hinein ins frauenzimmer, welches tatsächlich ein großes Zimmer ist. Der Raum hat eine warme Farbe, er ist sehr gemütlich eingerichtet. Sofas, Bilder, Pflanzen und Tische mit Stühlen stehen im Raum. In einer Ecke befinden sich zwei Computer und Regale. In einer anderen Ecke stehen Wäschekörbe mit Kleidungsstücken. Rechts geht es in die Küche und geradeaus ins Büro, wo wir uns mit der Einrichtungsleiterin und der Koordinatorin des frauenzimmers hinsetzen.
Mehr als nur ein Zimmer
Im frauenzimmer wird viel geleistet für die in Not geratenen Frauen. Dort haben sie die Möglichkeit ein Frühstück, Mittagessen und Getränke zu bekommen, eine Postadresse anzumelden, Wäsche zu waschen, Kleidung zu bekommen, Pflege- und Hygieneprodukte zu erhalten, zu duschen oder am Computer zu recherchieren. Neuerdings gibt es auch die Möglichkeit sich im WLAN anzumelden. Die Sofas laden zum Verweilen und Ausruhen ein. Die mitgebrachten Kinder können in einer Spieleecke spielen. Vor Corona und der Abstandsregelung wurde auch gerne und regelmäßig in einer Gruppe Karten gespielt. Das frauenzimmer ist ein geschützter Ort für die Frauen, in dem sich die Frauen sicher und wohlfühlen sollen. Hier wird geholfen, beraten und gegeben. Einmal in der Woche gibt es eine ärztliche Notversorgung.
Der Lockdown veränderte einiges
Corona hat in so vielen Bereichen einiges verändert, „Es steht und fällt gerade alles mit Corona“ sagt die Koordinatorin des frauenzimmers. Seit dem Lockdown im Jahr 2020 hat sich vieles verändert. Vor der Pandemie gab es viele Möglichkeiten für die Frauen, es gab verschiedene Kurse wie Nähen, Kochen, Malen und Ausflüge; organisiert von den ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen. Diese sind durch den Lockdown und die halbjährige Schließung sowie auch aus Gefährdung der Gesundheit ausgestiegen. Denn es waren überwiegend ältere Frauen, die sich ehrenamtlich beteiligten und interessante Kurse für die Frauen anboten. Die halbjährige Schließung hat vieles verändert. Die wohnungslosen und in Not geratenen Frauen konnten in dieser Zeit nur noch zu ihren Postfächern. „Aber alles andere ist dann weggebrochen, viele Einrichtungen hatten ja auch geschlossen“, sagt die Koordinatorin Ana Küntzel im Interview zu mir. Es fehlte der Halt, die Gespräche, das Essen, Duschen – das soziale Engagement von den Ehrenamtlichen und Mitarbeiterinnen in dieser schwierigen Zeit.
Neu aufgestellt
Jetzt sind sie schon seit längerer Zeit wieder zurück mit einem neu aufgestellten Team und neuen Konzepten. Nach dem Lockdown war das frauenzimmer nur dreimal geöffnet. Mittlerweile haben sich die Öffnungszeiten verändert und der Tagestreff hat von Montag bis Freitag von 10:00 bis 14:00 Uhr geöffnet. Seit dem Lockdown arbeiten nun viele Studentinnen ehrenamtlich im frauenzimmer. Anfangs gab es Hürden, die zu bewältigen waren. Viele jüngere Studentinnen hatten vorher keine Berührungspunkte mit dem Klientel. Um das Eis auf beiden Seiten zu brechen und die wohnungslosen und in Not geratenen Frauen über die neuen Öffnungszeiten der langen Corona-Pause zu informieren, organisierten sie eine Bollerwagen-Tour. In die Bollerwagen wurden alle nötigen Dinge eingepackt: Kleidung, Masken, Getränke, Pflege- und Hygieneprodukte und belegte Brötchen. Um die wohnungslosen Frauen nach der erzwungenen Pause wieder zu erreichen, gingen die Mitarbeiterinnen des frauenzimmers durch die Stadt und sprachen die Frauen an. Und sie kamen wieder in Kontakt, was durch die schwierige Lage in der Pandemie um so wichtiger erscheint. Ebenfalls werden jeden Freitag im frauenzimmer Produkte ausgelegt, die die Frauen sehr gebrauchen können. Am Ende des Monats gibt es auch das Essen umsonst, weil gerade am Monatsende das Geld bei vielen knapp wird. Ansonsten kostet das Essen 2,50€ und unterstützt ein Kochprojekt für Langzeitarbeitslose im Café Papagei. Getränke sind für die Frauen immer frei erhältlich.
Spenden und Finanzierung
Das frauenzimmer finanziert sich hauptsächlich durch Spenden. So werden Kleidung, Hygiene- und Pflegeprodukte und auch Geld gespendet. Das frauenzimmer gehört mit zur Inneren Mission in Bremen. Das Projekt Tagestreff frauenzimmer wurde 2003 gegründet. Die Spenden sind wichtig, um die Frauen zu versorgen. Rossmann spendet regemäßig Pflege- und Hygieneprodukte. Besonders viel wird auch Kleidung gespendet, was manchmal leider zum Ärgernis wird. Das frauenzimmer ist dankbar über jede Spende, jedoch können kaputte und dreckige Kleidungsstücke nicht weitergegeben werden. Momentan gibt es einen Annahme-Stopp, da die riesige Menge an Kleidung keinen Platz mehr in der Kleiderkammer findet. Das Foto zeigt die Kleiderkammer des frauenzimmers, welche die Ehrenamtlichen liebevoll nach Farben und Größen sortiert haben. Die Feuerwehr spendete im Winter warme Jacken, die sehr beliebt waren. Aufgrund der Corona Kontakt- und Abstandsregelungen wird die Kleidung zur Zeit im Tagestreff ausgelegt und aufgehängt. Die Frauen können sich dann Kleidung aussuchen oder nach Wunsch werden auch Kleidungsstücke aus der Kleiderkammer geholt.
Notunterkunft für wohnungslose Frauen
Im Erdgeschoss befindet sich das frauenzimmer und darüber die Notunterkunft für wohnungslose Frauen. Dort stehen mehrere Betten zur Verfügung. Durch Corona können nicht mehr so viele Frauen in der Unterkunft unterkommen. Eine Aufnahme in die Notunterkunft ist 24 Stunden am Tag möglich. Die Notunterkunft wird unter anderem vom Jobcenter finanziert, um einen Platz zu erhalten müssen die Frauen die Zentrale Fachstelle für Wohnen aufsuchen und sich dort melden. In der Notunterkunft werden die Frauen teilweise betreut, es wird an Termine erinnert und es wird ein Auge auf die Frauen geworfen, im Gegensatz zu einer Notunterkunft ohne Ansprechpartner*innen. Jedoch sind die Frauen auch für sich selbst verantwortlich, was das Kochen und die Absprachen betrifft. Hier wird vorher eine Mitwirkungspflicht von den Frauen unterschrieben.
Die Lage der Frauen
Die Wohnungslosigkeit der Frauen hat verschiedene Beweggründe, sie sind nicht in eine Schublade zu stecken. Einige von ihnen sind schon mit achtzehn Jahren aus dem Betreuten Wohnen geflogen und in die Notunterkunft gekommen, andere Frauen kämpfen mit psychischen Problemen und sind dadurch in Not geraten. Manche Frauen kommen, weil sie sich einsam fühlen, andere wollen sich aufwärmen und suchen den Schutz, den sie auf der Straße nicht bekommen, denn es ist „für Frauen wahnsinnig gefährlich draußen“ erklärt mir Ana Küntzel. Im Gespräch macht die Koordinatorin deutlich, dass es wirklich jede Frau treffen kann. Unter den wohnungslosen Frauen sind auch Akademikerinnen. Ansehen kann man den meisten die Wohnungslosigkeit nicht. Einige brauchen die Aufmerksamkeit der Mitarbeiterinnen im frauenzimmer, suchen Nähe und Kontakt – zu Corona ist das schwierig geworden. Die Tische im Raum stehen weit voneinander entfernt. An einem Tisch können nur zwei Frauen sitzen, getrennt von einer Plexiglasscheibe. Grundsätzlich arbeiten nur Frauen im frauenzimmer und in der Notunterkunft. Männern ist es nicht gestattet, ins frauenzimmer zu gehen.
Das frauenzimmer leistet eine Menge
Das frauenzimmer ist ein sehr wichtiges Projekt für wohnungslose und in Not geratene Frauen. Die Mitarbeiterinnen und Ehrenamtlichen leisten eine Menge und versuchen das Beste für die Frauen zu geben. Sei es ein Gespräch, ein Erfahrungsaustausch, Beratung, Ärztliche Versorgung, Kleidung, Hygieneprodukte oder ein Lächeln.
Flo
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