Erinnert ihr euch noch daran, dass auf Tampons die Luxussteuer von 19 Prozent galt, also mehr als auf Kaviar, Ölgemälde und Trüffel? Wahrscheinlich schon, denn erst letztes Jahr wurde das Ziel erreicht, dass Tampons, Binden und Slipeinlagen nur noch mit 7 Prozent besteuert werden, denn: Menstruationsprodukte sind kein Luxus!
Trojanisches Tampon
Dass diese unsinnige Luxussteuer endlich abgeschafft wurde, war unter anderem auch dem deutschen Start-Up-Unternehmen The Female Company zu verdanken, über die frauenseiten in diesem Zusammenhang bereits berichtete. Diese brachten 2019 das Tampon-Buch auf den Markt, also ein Buch, in dem 15 Bio-Tampons steckten. Da Bücher nur mit 7 Prozent besteuert werden, konnten die Tampons dadurch günstiger erworben werden. Diese Aktion, kombiniert mit weiteren Petitionen und Protesten, überzeugte die Regierung schließlich, die Steuer zu senken.
Wer oder was ist The Female Company?
Heute möchten wir euch The Female Company nochmal richtig vorstellen, denn die Gründerinnen und zahlreichen Mitmacher*innen haben sich so einiges einfallen lassen, um alle Tabus rund um Menstruation und Vulven-Gesundheit aufzubrechen. Ann-Sophie Claus und Sinja Stadelmaier gründeten The Female Company 2018 eigentlich aus dem Grund, um Bio-Tampons, Bio-Binden und Bio-Slipeinlagen zu verkaufen. In Deutschland ist es nämlich keine Pflicht für Tampon-Hersteller, die Inhaltsstoffe anzugeben. So ganz genau kann man also nicht wissen, was überhaupt in den handelsüblichen Tampons drinsteckt. Die beiden Gründerinnen beschlossen, Hygieneprodukte aus Bio-Baumwolle, garantiert ohne Chemikalien, Pestizide und Duftstoffe herzustellen.
Ihr nächster revolutionärer Schritt war der Verzicht auf Plastik und so war The Female Company weltweit die erste Firma, die Tampons ohne Plastikverpackung produzierte. Diese Idee war zwar gut, in der Umsetzung gestaltete sich das allerdings dann doch schwieriger. Weil der Papierverbrauch schlechter für die Umwelt war als gedacht, überlegten sich die Gründerinnen etwas anderes. Jetzt werden die Tampons zwar wieder in einer Plastikverpackung geliefert, allerdings handelt es sich hierbei um kompostierbare Folie, die CO2-neutral hergestellt wird. Die Female Company legt alle ihre Entscheidungen sehr transparent und offen auf ihren Social Media- Accounts und Internetseiten dar, lässt die Kund*innen und Instagram-Abonnent*innen an vielen Stellen aktiv an den Entscheidungen teilnehmen und versucht, ein enges Verhältnis zu den Tampon-Abonnent*innen zu pflegen. Ab und zu laden sie beispielweise zu Foto-Shootings ein und losen die Gewinner*innen aus, um ein realistisches Bild ihrer Kundschaft abbilden zu können und damit nahbar zu bleiben.
Menstruations-Abo
Das System, um seine Menstruations-Produkte zu bekommen, ist sehr simpel: auf der Internetseite kann man einen gewissen Bestellzyklus einstellen, zu dem dann eine bestimmte Anzahl an Tampons und weiteren Hygieneprodukten nach Hause geliefert wird. Das heißt, kein stressiges zur-Drogerie-rennen, weil man wieder vergessen hat, Nachschub zu kaufen: der Nachschub landet regelmäßig direkt im Briefkasten. Und das nicht nur in Deutschland, mittlerweile lassen sich die Tampons in 13 weitere Länder in Europa verschicken. Die Einnahmen von den Perioden-Abos werden an das Sozialprojekt „Pads for Girls“ gespendet. Dort nähen Frauen, die aus Prostitution oder Menschenhandel befreit wurden, waschbare Stoffbinden, und geben sie weiter an Frauen in Mumbai.
Doch nur die Tampon-Produktion schien dem Start-Up noch nicht zu reichen.
Menstruation + Masturbation = Menstrubation!
Im Mai 2020 führten sie eine Studie zu Menstruationsschmerzen durch, von denen es bis heute noch einfach zu wenig gibt. Ein Ergebnis davon war, dass Masturbation bei vielen Menstruations-Symptomen helfen kann. Masturbation, vor allem bei FLINTA*, ist ein weiteres tabuisiertes Thema. Daher sind solche Studien enorm wichtig, um die ständigen Lücken in der Wissenschaft zu füllen, die die sexuelle Gesundheit von menstruierenden Personen und Personen mit Vulven betreffen.
Aufklärung auf PornHub?
The Female Company greift manchmal auch zu etwas rabiateren Mitteln. Als sie ihren eigenen Menstruationscup rausbrachten, organisierten sie dazu das ultimative Aufklärungsvideo. Unzählige menstruierende Personen hatten einfach zu viele Nachfragen zum Ein-und Aussetzen des Cups, die sich nicht alle durch erklärende Nachrichten lösen ließen. Also kooperierten sie mit Lina Bembe, einer feministischen Porno-Darstellerin. Die zeigte auf PornHub in drei Videos mit dem Titel „One Girl, One Cup“ ganz ohne Zensur, was man über die Menstruationstasse wissen sollte, sprich: Falten, Einsetzen, Rausholen. „No Porn, Just Education“ war das Motto dieser Kampagne. Diese Aufklärungsaktion wird leider als pornographisch eingeordnet und darf deswegen auch nur auf einer pornographischen Seite gezeigt werden. Die Betreiber der Porno-Seite löschten das Video diverse Male von der Plattform, dadurch provozierten sie aber eine Riesen-Aufmerksamkeit. Das richtete gleichzeitig das Augenmerk auf die Problematik der Sache. Da die populäre Porno-Seite aber wegen einiger fragwürdiger Entscheidungen in der Kritik stand, sind die Tutorials nun auf der alternativen Porno-Seite Cheex verfügbar.
Lass dich testen!
Ihr neuestes Projekt ist die Aufklärung über Geschlechtskrankheiten. Dafür brachten sie Anfang Juni diesen Jahres ein Test-Kit in ihren Online-Shop, mit dem man sich auf Chlamydien testen kann. Dafür lässt man sich das Kit zusenden, nimmt selber den Abstrich vor, sendet es zurück ans Labor und hat innerhalb von fünf Tagen sein Ergebnis. Chlamydien gehören zu den häufigsten Geschlechtskrankheiten in Europa, bleiben allerdings häufig unentdeckt, was gesundheitliche Folgen wie Unfruchtbarkeit mit sich ziehen kann. Selbst viele Gynäkolog*innen testen nicht immer beim jährlichen Abstrich auf alle sexuell übertragbaren Infektionen (STIs).
The Female Company möchte erreichen, dass es ganz normal sein sollte, sich auf Geschlechtskrankheiten testen zu lassen. Um ihr Kit zu promoten, haben sie sich Hilfe von der Pornodarstellerin Nat Portnoy geholt, denn für Menschen in der Porno-Branche gehört es zum Beruf, sich regelmäßig testen zu lassen. #testlikeapornstar lautet der Hashtag, mit dem der Test beworben wird. Einfach, schnell und anonym.
Baby cats statt erlaubter Aufklärung?
Facebook hat allerdings wieder seine Datenschutz-Richtlinien raushängen lassen und das Video eingeschränkt- was erneut zeigt, wie schwer realistische Aufklärung in den sozialen Medien sein kann. Die Reaktion der Female Company bestand darin, dass sie das Video kurzerhand nachbearbeiteten und jedes Mal, wenn Begriffe wie „porn“, „sex“ oder „chlamydia“ fielen, wurden sie von Katzengeräuschen übertönt und mit Begriffen wie „cuddle“ oder „cat“ ersetzt. So wurde aus „I am a pornstar. And a sex expert.“ kurzerhand „I am a cuddle star. And a cat expert.“
The Female Company räumt also nicht nur mit Vorurteilen und schambehafteten Gefühlen gegenüber STIs, Menstruation und Vaginalgesundheit auf, sondern auch mit Stigmatisierung gegenüber Pornodarsteller*innen, indem sie die, die nun mal echte Expert*innen auf dem Gebiet sind, für ihre Aufklärungsvideos engagieren.
„Not all women menstruate and not all menstruators are women!“
The Female Company versucht, niemanden aus ihrem potenziellen Kund*innen-Pool zu vergessen. Zum einen äußerten sie sich kritisch zu ihrem eigenen Namen und erklärten, dass nicht alle Frauen menstruieren und nicht alle, die menstruieren, Frauen sind. Zum anderen vertreiben sie in ihrem Online-Shop die Mamma-Box (Mamma (ital.)- Brust), die für Mütter nach der Geburt gedacht ist. Denn auch über das Wochenbett gibt es viel zu wenig Aufklärung und Information, während sich in der Mamma-Box alles Notwendige befindet, um gut über diese Zeit zu kommen.
Das Start-Up ist in den letzten Jahren zu einem beeindruckenden Unternehmen mit der richtigen Botschaft herangewachsen. Sie verkaufen nicht nur Hygieneprodukte für die Menstruation, sie brechen mit den Stigmata rund um Menstruation, Masturbation oder der Vulva im Allgemeinen. Sie klären auf in allen Bereichen und erreichen damit Menschen von jung bis alt in allen möglichen Lebenslagen.
Hut ab an die zwei Gründerinnen und alle, die The Female Company zu dem machen, was sie ist.
Anne Preuß
Anne Röhm meint
ein sehr guter Artikel! Habe ihn gleich an junge Frauen aus meinem Freundinnenkreis weitergesandt.
Bitte weiter über The Female Company berichten.
Witzige Ideen und Kampagnen, Facebook zeigt mal wieder sein wahres Gesicht.
Die Mischung aus Aufklärung, Informationen und direkten Angeboten ist nachahmenswert.
Anne R.