Wer gelegentlich gerne einen Blick auf Festival Line-Ups wirft, um zu Pandemiezeiten in Erinnerungen zu schwelgen oder sich auf die Zeit danach zu freuen, hat sich vielleicht auch schon einmal eine der folgenden Fragen gestellt: Wie viele der Headliner sind eigentlich FLINTA*-Personen? Auf dem wievielten Platz wird überhaupt die erste FLINTA*-Person genannt?
Antworten auf beide Fragen können erste Aufschlüsse darüber geben, wie ausgeglichen die Geschlechterverhältnisse unter den Künstler*innen sind, ohne direkt alle gelisteten Namen studieren zu müssen – und meistens fällt der Anteil für FLINTA*-Personen viel zu gering aus.
Die Musikbranche ist männerdominiert. Keychange möchte das ändern – eine Bewegung, die talentierte, unterrepräsentierte Geschlechter in der Musikbranche unterstützt.
Das Talent ist gleich verteilt, die Möglichkeiten nicht
Wie stark das tatsächliche Ungleichgewicht ausgeprägt ist, zeigen konkrete Zahlen. Um erst einmal bei den Musikfestivals zu bleiben: Die Musikwebsite Pitchfork hat das Zählen übernommen und die 20 größten Multi-Genre Musikfestivals in den USA im Jahre 2018 betrachtet: 70 Prozent der Auftritte waren von Künstlern, 19 Prozent von Künstlerinnen und bei 11 Prozent waren beide der benannten Geschlechter-Kategorien auf der Bühne vertreten. Ähnlich sehen die Zahlen bei einem Ausflug in die Liste der Top 100 Künstler*innen der „Billboard Year-End Charts“ für das Jahr 2020 aus: Nur 22 Prozent der erfolgreichsten Künstler*innen des Jahres sind weiblich.
Bei weiteren Musikschaffenden ist das Ungleichgewicht noch größer. So liegt bei Songschreibenden der Frauenanteil bei 12 Prozent, bei Produzierenden bei gerade mal 2 Prozent. Und zu guter Letzt: Der Gender Pay Gap in der Musikbranche liegt bei 30 Prozent.
Nun genug zur Bestandsaufnahme – die Zahlen verdeutlichen eindeutigen Handlungsbedarf. Was macht also Keychange?
Das Keychange 50/50-Versprechen
Keychange unterstützt talentierte, unterrepräsentierte Geschlechter in der Musikbranche mithilfe von Trainings, Workshops und der Kooperation mit Partnerorganisationen. Diese sind Musikfestivals oder auch andere Organisationen wie Veranstaltungsstätten, Plattenfirmen, Agenturen oder auch Organisationen im Rundfunk aus der gesamten Musikbranche. Sie bieten den unterrepräsentierten Geschlechtern eine Plattform und haben sich außerdem dem Keychange 50/50-Versprechen, dem Versprechen zur Geschlechtergerechtigkeit, verpflichtet.
Dieses verfolgt ein konkretes Ziel: Bis 2022 soll ein ausgeglichenes Geschlechterverhältnis hergestellt werden – sowohl auf den Line-Ups und auf der Bühne als auch hinter der Bühne. Alle Festivals und weitere Mitwirkende, die die 50/50 Pledge unterschreiben, verpflichten sich, dieses Ziel einzuhalten. Zu den 50 Prozent zählen alle unterrepräsentierten Geschlechter.
An die Organisationen auf anderen Ebenen wird ebenso appelliert: Orchester können das 50/50-Ziel beispielsweise auf ihre Orchestermitglieder anwenden, Musikhochschulen auf ihre Lehrkräfte. Organisationen im Rundfunk können die Quote der Moderierenden und der Gäste in den Fokus nehmen.
Eine nachhaltige Veränderung der Strukturen
Ziel ist eine nachhaltige Veränderung – die Veränderung der grundlegenden Strukturen in der Musiklandschaft von einer männerdominierten Branche hin zu einer ausgewogeneren, inkludierenden Branche mit niedrigeren Barrieren. Außerdem soll mehr Zusammenarbeit geschaffen werden durch den Aufbau eines Netzwerks unter den kooperierenden Organisationen, die aktiv an der Veränderung mitwirken.
Über 300 Festivals und Musikorganisationen haben das 50/50-Versprechen bereits unterschrieben. In Deutschland wird Keychange vom Reeperbahnfestival in Hamburg geleitet.
Und was kann ich tun?
Auch wir als Individuen können an der nachhaltigen Veränderung zu einer geschlechtergerechten Musiklandschaft mitwirken. Eine Möglichkeit wäre zum Beispiel, darauf zu achten, ausgeglichene Playlists zu priorisieren und diese zu teilen.
Du möchtest auf ein Festival oder Konzert gehen? Informiere dich, welche Organisationen das Keychange 50/50-Versprechen unterschrieben haben und wähle aus der Liste aus.
Du kennst ein Talent oder eine Musikorganisation, die noch nicht bei Keychange dabei ist? Es gibt die Möglichkeit, Talente und Organisationen zu nominieren.
Jetzt bleibt nur noch eines zu sagen: Wir freuen uns auf die geschlechtergerechten Line-Ups 2022!
Lena Rohde
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