Wer malen, essen oder einfach nur ausspannen will, sollte sich ins Herz des Schnoors begeben.
Hier gründeten Ruth Degenhardt, Nesrin Manduz und Ronald Philipps im vergangenen Jahr das Künstlerhaus „Ausspann“. Sie verbinden dabei Gastronomie mit Kunst und Inklusion. Im Jahr 1562 erbaut, diente das Haus damals als „Ausspann“ für Händler*innen, die Bremen auf ihren Reisen durchquerten. Als Ausspann wurden früher Gasthäuser bezeichnet, die an Handelsstraßen lagen und eine Herberge für Pferd und Wagen boten. Die Pferde wurden nach einer langen Reise aus den Kutschen ausgespannt. Seitdem ist viel geschehen. Pferde können zwar nicht mehr untergebracht werden, aber die offene Feuerstelle blieb und ist damit im Schnoor einzigartig.
Bevor das Künstlerprojekt einzog, stand das Gebäude fast zwei Jahre lang leer. Ruth Degenhardt und Ronald Philipps hatten die Idee für ihr Kunst- und Integrationsprojekt schon länger gehegt und die Augen stets für das passende Haus offen gehalten. Die tatsächliche Umsetzung benötigte viel Mut. „Ronald war die treibende Kraft“, erinnert sich Ruth Degenhardt. Mit der ersten Malgruppe, die sich regelmäßig im Atelier traf, startete das Projekt im Sommer 2016 langsam. Im Oktober öffnete das Ausspann dann auch für allen übrigen Interessierten täglich für ein paar Stunden die Pforten.
Kein Konsumzwang
Heute ist das denkmalgeschützte Gebäude dienstags bis sonntags geöffnet und heißt jede*n willkommen. Das Team vom Ausspann versteht das Projekt als einen offenen Raum für alle Menschen, die sich beteiligen möchten. „Hier muss man nicht konsumieren, um da sein zu dürfen“, sagt Ruth Degenhardt, in deren Händen der gastronomische Bereich liegt. Tee und Wasser werden kostenlos bereitgestellt. Neben Ruth Degenhardt stecken hinter dem Projekt Ronald Philipps, der als Verantwortlicher für Kunst und Leitung fungiert, und Nesrin Manduz, in deren Aufgabenbereich die Integration fällt.
Auf den 350qm des mehrstöckigen, verwinkelten Hauses soll künftig ein buntes Programm an Ausstellungen, Konzerten oder Lesungen stattfinden. Bereits heute treffen sich hier regelmäßig das Frauennetzwerk Compania sowie eine Gruppe von Kunsthandwerker*nnen und Graphiker*nnen. Einmal im Monat gibt es einen Vortrag zum deutschen Asylrecht, der auf Persisch gehalten wird.
Kunst und Integration
Kunst soll im Ausspann nicht nur gezeigt werden, sondern tatsächlich „stattfinden“. Daher können Gäste sich künstlerisch im offenen Atelier austoben. Jeden Donnerstag gibt es ein offenes Maltreffen, bei dem ein*e Ausspann-Künstler*in dabei ist, der*die bei Bedarf hilft. Dies kann beispielsweise die Kunstpädagogin Nathalie Kober sein, die das Treffen auch mit ins Leben gerufen hat.
Auch Ausstellungen verschiedener internationaler Künstler*innen sind für die Zukunft geplant. Immer dienstags findet ein offenes Maltreffen für Geflüchtete statt. Dieses Angebot gehört zum Integrationsprojekt, das den Verantwortlichen besonders wichtig ist. „Wir sehen den Bedarf, geflüchteten Menschen einen Ort anzubieten, an dem sie einfach „da sein“ können“, so Ruth Degenhardt. Das Angebot beschränke sich aber nicht auf Geflüchtete. Vielmehr soll ein Miteinander mit allen Menschen ermöglicht werden, unabhängig der Herkunft. Jeden Donnerstag helfen sechs Student*innen geflüchteten Kindern bei den Hausaufgaben. Parallel wird für die Mütter eine Freizeitaktivität angeboten.
Das gastronomische Angebot ist als Klammer um Kunst und Integration zu verstehen. Die Angebote wechseln und Gäste können sich zwischen drei warmen Mahlzeiten sowie Kuchen entscheiden. Die Karte wächst langsam. Noch kann eine Person im Notfall die Arbeit alleine bewältigen. Besonders gefreut hat sich das Team über einen gespendeten Orangenbaum. Während der Erntezeit werden die Orangen des Baumes direkt ins Ausspann geliefert. In dieser Zeit können Gäste dann frisch gepressten Orangensaft genießen.
Ein riesiger Spielplatz
Das Ausspann ist nicht irgendwann „fertig“. „Das Haus ist wie ein riesiger Spielplatz,“ betont Ruth, „hier stecken so viele Möglichkeiten drin. Manchmal ist es schwierig zu vermitteln, was wir noch alles für Ideen im Kopf haben.“ Daher sind Menschen und Gruppen, die sich beteiligen wollen, immer willkommen. Seit neustem steht ein Klavier im Erdgeschoss und für den Sommer ist die Eröffnung des Außenbereiches geplant. Am Samstag, dem 25. März 2017 findet die offizielle Eröffnung statt. Ronald Philipps und Ruth Degenhardt halten eine Ansprache und auch die Bremer Sozialsenatorin Anja Stahmann wird etwas sagen. Die Mitglieder des „Netzwerkes-Ausspann“ präsentieren ihre Arbeit durch Filmvorführungen, Musikbeiträge oder Diskussionsrunden. Um 19.00 Uhr wird der Bremer Künstler Jean Luke auftreten. Die übrigen Programmpunkte sind noch offen und bieten Raum zur Gestaltung. Sicher ist, dass alle Beteiligten eine Chance bekommen sollen, sich vorzustellen.
Laura Gerken
Josie meint
Wow. Was ein super Beitrag und schöne Bilder. SOllte man wirklich einmal machen. Ausspannen ja das haben viele, so wie ich, echt nötig …
Gruß