„Ich betrachte mich selber in meiner Rolle als eine, ohne dass ich es bemerkt habe, emanzipierte, feministische, starke Schwarze Frau in einem weißen Land.“
Wer die Bonner Rapperin Die P bis heute noch nicht kannte, hat definitiv was verpasst. Mit ihren treffsicheren Punchlines, einem Flow direkt aus der Seele und fetziger Wortakrobatik auf Boom Bap Beats bringt sie die Hood auf die Karte und zieht jede:n in ihren Bann. 2021 veröffentlichte sie ihr Debütalbum „3,14“ und ist schon lange nicht mehr aus dem deutschen HipHop wegzudenken. Am 08.04. startet sie mit ihrer ersten Tour namens „DHL – Tour“ in Bremen in der Lila Eule. Wir haben sie interviewt und geben euch einen kleinen Einblick in die Welt von Die P.
Hi, Die P! Schön, dass das geklappt hat. Wie geht’s dir!
Hi! Mir geht’s eigentlich ganz gut, ich bin ein bisschen nervös weil erste eigene Tour, aber das kann nur gut werden. Bin viel live gegangen in den letzten Jahren und an Erfahrung kann mir da keiner was nehmen, deswegen geht’s mir eigentlich gut.
Welchen Song hast du heute nach dem Aufwachen gehört?
Tatsächlich war’s „Jigzaw – Wie ein Mann“ (lacht). Vielleicht kleine Sidestory dabei: ich hör viel Jigzsaw wenn ich Sport mache und da ist halt einfach der Song dabei und ja! Ist jetzt so gewesen, dass das der erste Song war, als ich auf Play gedrückt hab.
Du bist ja schon seit einigen Jahren in der Szene und hast dir einen Namen gemacht! Auch an Live Erfahrung mangelt es dir nicht. Du sagst, dass HipHop erst auf der Bühne so richtig gelebt werden kann. Jetzt steht deine erste Tour mit Auftakt in Bremen kurz vor der Tür. Was ist das für ein Gefühl, so kurz vor der ersten Tour zu stehen?
Also das Gefühl, jetzt kurz vor der ersten Tour zu stehen, ist unfassbar. Es kostet unglaublich viele Nerven und Arbeit und tatsächlich auch mehr Nerven und Arbeit als ein Album, was ich jetzt so aus meiner Erfahrung sagen kann. Aber ich habe Bock auf den Auftakt und wir haben uns gute Städte rausgesucht, das sind so die stärksten Städte bei uns, wo das Live immer gut funktioniert hat. Wir werden da aber auch nachlegen ganz deutschlandweit, sodass wir nicht nur die paar Städte abklappern können. Jetzt starten wir das erstmal so und sind sehr froh, dass wir das mit unseren eigenen Beinen aufstemmen konnten und sind einfach sehr stolz auf uns.
Anfänge von Die P
Wie bist du zur Musik gekommen? Gab es in deiner Familie oder deinem frühen Umfeld Berührungspunkte mit Musik und wie sahen die aus?
In meiner Familie gab’s immer schon Berührungspunkte mit Musik. Ich glaube, es gibt kaum eine afrikanische Familie, die ohne Musik und dessen kulturellem Hintergrund auskommt. Tatsächlich hab ich eigentlich schon immer viel HipHop und Rap gehört durch ältere Geschwister gehört. Die haben viel MTV und den ganzen Stuff schon gehört und hatten einfach Ahnung. Ich habe Wu-Tang_Clan, Redman und Afrika Bambaataa, Nas und so alles schon gehört bevor ich überhaupt wusste was abgeht. Dementsprechend war die Motivation, selber Musik zu machen, sozusagen wie ein Licht, das mir aufgegangen ist, dass ich mir dachte „Ja, ich mach jetzt HipHop“. Also es war jetzt nicht so, dass ich dachte „Ich muss es mir beibringen“, sondern ich hab‘ gemerkt „Ok, das ist es, also mach ich’s zu meiner Hauptspezialität“.
Warst du vor’m HipHop auch in anderen Musikrichtungen unterwegs?
Ich war nie in anderen Musikrichtungen außer im HipHop unterwegs, denn für mich bedeutet HipHop auch Einflüsse aus Jazz, Soul, Funk. HipHop ist ja nicht nur Rap, sondern auch Platten, DJing, Produzieren, Scratchen, Breakdancen und andere Elemente. Das bedeutet, ich hab‘ für mich Rap einfach entdeckt und bin dann dabei geblieben, weil ich gemerkt hab, dass das mein Steckenpferd ist.
Welche Vorbilder hast du? Haben die sich verändert? Welche sind dazu gekommen?
In meiner Familie habe ich viele Vorbilder, zum Beispiel meine Schwester, aber ansonsten musikalisch jetzt erstmal so nicht. Es gibt viele Ikonen, von denen ich mich inspirieren lasse, aber Vorbilder würde ich die nicht nennen.
Würdest du dir selber eine Rolle zuschreiben in deiner Szene? Welche wäre das?
Meine Rolle ist die starke Frau, die HipHop für sich entdeckt hat und keinen Unterschied macht „woher, wer, wie, warum“ sondern einfach die Kultur so nimmt, alles aufsaugt, immer besser werden will und einfach als Repräsentantin für so viele Frauen in diesem deutschen HipHop geworden ist, ohne es zu bemerken. Was mich alles sehr stolz macht. Ich versuche, dieser Rolle gerecht zu werden, aber mache größtenteils einfach, worauf ich Bock habe. Und das ist gute Musik.
Beweggründe
In deinen Texten verarbeitest du unter anderem ein Leben in der Hood und spielst mit dieser Ästhetik. Woher kommt die Motivation, diese Themen anzusprechen? Woher kommt deine Inspiration?
Meine Inspiration kommt aus meiner Realität, aus meiner Gegenwart, aus der Stadt in der ich lebe, aus den Menschen, mit denen ich lebe, mit denen ich zu tun habe und die, die mich enttäuschen. Ich glaube, das spiegelt sich viel in meinen Texten wider. Ich rede viel über meine Familie, ich erzähle viel darüber, wo ich herkomme, weil im HipHop ja auch dieses Repräsentieren und Staten wichtig ist und die Leute sollten, wenn man eine nachhaltige und langfristige Musikkarriere schaffen will, so eine Kennenlernphase mit der Künstler:in hinter sich bringen und die hab ich jetzt Gott sei Dank hinter mir. Dementsprechend spiegel ich einfach die Welt wider, wie ich sie sehe.
(Wie) verbindest du Musik und Politik miteinander?
Ich mach mir keine Gedanken über Politik, wenn ich HipHop mache, aber Falk Schacht hat mir persönlich gesagt, dass so, wie ich es mache, was ich mache, ob ich es mache, politisch ist, ob ich es will oder nicht. Und das seh‘ ich ein. Das ist ok. Aber ich selber mache mir keine Gedanken darüber.
Wann bist du am kreativsten?
Mitten in der Nacht. Zwischen 01:30 Uhr und 5 Uhr morgens passieren unglaubliche Dinge (lacht). So kann man das sagen.
Feminismus in der Szene
Wie nimmst du die HipHop Szene für Menschen, die keine cis Männer sind, wahr? Wie war das für dich, vielleicht auch gerade in den Anfängen?
Ich hab‘ das Gefühl, dass wenn man gut ist, ist man gut. Und wenn man sich zu sehr darauf fokussiert, dass man boykottiert wird, weil man `ne Frau ist, binär oder nicht-binär – egal wie man sich definiert – dann wird man von sich selber aufgehalten. Ich bin der Meinung, dass wenn du etwas kannst, etwas möchtest, etwas willst und es einen Weg für dich gibt, egal wie viele Steine dort liegen, dann kannst du das erreichen. Dann kannst du entweder deine eigene Szene bilden oder dich mit Gleichgesinnten treffen, oder vielleicht sogar der Welt etwas Neues zeigen. Das ist so meine Intention. Ich selber hatte nie Probleme im deutschen HipHop. Ich hab‘ mich selber da nie kategorisiert – Frau, Schwarz, etc.. Die Gesellschaft, die mir gegenübersteht, nur die spiegelt mir das wider. „Wie ist das denn, dass du schwarz bist?“, „Wie ist das denn, dass du eine Frau bist?“ Aber ich selber, ich sehe mich einfach als Menschen.
Du bist ja beim All female Label 365xx gesigned und warst auch die erste Künstlerin dort. Wie war das für dich?
Ich war sehr stolz und ich muss auch, wenn ich ehrlich bin, sagen, dass das mitunter ein Grund war, warum ich unterschrieben habe. Das Blatt war noch komplett leer. Es stand nichts drauf, ich habe die Messlatte gesetzt und Lina Burghausen ist zu einer Zeit an mich getreten, wo ich sowieso vorhatte, den nächsten Step zu machen und dementsprechend hat sich dann viel gefügt und zu dem Zeitpunkt sehr gut angefühlt.
Das Label 365xx startete 2020 und dieses Labelkonzept war damals einzigartig und neu. Du als erste gesignte Person warst also von Anfang an dabei. Was hat sich seither verändert?
Einige Frauen aus dem Untergrund sind aufgetaucht und haben sich getraut. Es gibt jetzt diese Möglichkeit, aber wie ich schon selber sagte, die Frauen, die vorher schon richtig Bock auf Mucke hatten – egal ob Rap oder Soul oder so – die kannte ich vorher auch schon. Und wir haben nicht viel über diese Szene debattiert, ob sie uns Platz macht oder nicht, because if you’re good, you’re good. Wenn du gut bist, bist du gut. Dann hinterfragt keiner, ob du transgender, nicht-binär, homosexuell bist, glaub ich.
Ein Problem in der Repräsentation von Flinta* Artists sind außerdem Festivals. Dort sind wir weiterhin oft in der Unterzahl. Wie können Lineups diverser werden?
Das sind die vielen Jens, Niklas und Hans, die da als Kuratoren hinter den großen Festivals sitzen und mit HipHop eigentlich nicht so viel zu tun haben in ihrem Leben oder nur ganz stupiden stereotypen HipHop kennen. Ich weiß nicht genau, wie man das diverser machen kann. Das sind ganz bestimmte Leute, die anscheinend einfach das Festival dann so aussehen lassen möchten. Aber ich hatte schon das Gefühl, dass in den letzten zwei Jahren viel passiert ist. Festivals wie das splash!, Tapefabrik und so weiter haben viiieel mehr female Artists auf den Lineups als früher, also ich hab schon Diversität in den Festivals mitbekommen, aber da ist durchaus noch viel Luft nach oben.
Was hättest du gerne als Flinta* Künstlerin früher gewusst?
Ich hätte früher gerne gewusst, dass man mich später mal Flinta* Künstlerin nennt (lacht). Ja, das hätte ich gerne gewusst.
Welche anderen Flinta* Artists dürfen wir uns auf keinen Fall entgehen lassen? Mit der Wahl-Bremerin Presslufthanna startest du ja am 08.04. in der Lila Eule hier in Bremen in deine Tour. Wir freuen uns schon! Gibt es noch andere female Artists aus Bremen, die du feierst?
Ich würde gerne auf die Frage antworten „welche anderen guten, nennenswerten Artists aus meiner Branche gibt es denn noch?“ Und da kann ich dir ganz klar sagen: Presslufthanna ist am Start, Antifuchs ist am Start, Shanel aus Freiburg ist auch richtig krass, Hanna Noir aus Hamburg auch gut. Es gibt wirklich gute, gute Künstlerinnen, wo man sich durchhören kann.
Was verbindest du mit Bremen? Hast du eine crazy Geschichte aus oder über Bremen, die du gerne teilen möchtest?
Flo Mega. Das ist mein Anker, meine Ankommensinsel, mein Ruhepol. Mit Flo Mega habe ich mein Bremen entdeckt und ich bin sehr dankbar dafür.
Noch ein paar abschließende Worte?
Ich hoffe, das Interview hat euch gefallen. Mein Name ist Die P und wir sehen uns am 08.04. in der Lila Eule wo meine erste Tour, die „DHL-Tour“ – Deine Hood Lebt- Tour, startet! Ich freue mich auf jeden Einzelnen, der den Weg dahin findet. Presslufthanna noch im Gepäck dabei und ganz viele super Artists, die noch Bock haben, zu cyphern. Wir sehen uns! HipHop vom Feinsten, für jeden ist was dabei. Peace!
Wo? Lila Eule, Bremen
Wann? 08.04.2023
Jule Oeser
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