Die Kombination aus weniger Arbeitsgelegenheiten (AGH) des Jobcenters, der Wegfall von Fördermitteln aus dem Europäischen Sozialfonds (ESF) sowie Kürzungen bei Sprachkursen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) haben dazu geführt, dass es im Land Bremen zu drastischen Finanzierungslücken bei der Beschäftigungsförderung kommt. Deren konkretes Ausmaß ist aktuell noch nicht vollständig abzusehen, denn in den kommenden Jahren werden weitere Angebote enden oder reduziert werden müssen. Exemplarisch berichteten heute (21. Januar 2025) vier Vertreterinnen von Trägern auf Einladung der Zentralstelle der Landesfrauenbeauftragten (ZGF) darüber, welche konkreten Auswirkungen die fehlenden finanziellen Mittel auf die Arbeitsmarktintegration von Frauen in Bremen und Bremerhaven haben.
Wegbrechen von etablierten Strukturen und Maßnahmen entgegenwirken

„Gerade betroffen sind Menschen mit besonderem Unterstützungsbedarf, darunter viele Frauen mit Migrationshintergrund sowie Alleinerziehende. Ohne die Angebote werden sie es noch schwerer haben, auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Die Berichte der Träger zu den Auswirkungen der finanziellen Lücken sind alarmierend. Statt zielgerichtete Arbeitsmarktpolitik befürchten wir einen Kahlschlag ungekannten Ausmaßes. Die Politik muss daher dringend handeln und auch mit Landesmitteln gegensteuern“, sagt die Landesfrauenbeauftragte Bettina Wilhelm.
Doris Salziger, Geschäftsführerin von Frauen Arbeits Welten gGmbH (FAW): „Uns haben die Finanzierungseinschnitte eiskalt erwischt: kurzfristig fallen bei FAW 54 Prozent der Mittel weg. Unsere Berufsberatung für Frauen wird seit über 20 Jahren über den ESF finanziert. In dieser Zeit haben wir tragfähige Strukturen aufgebaut und kennen die Bedarfe der Zielgruppe genau. FAW begleitet so jährlich circa 600 Frauen auf ihrem Weg in Qualifizierung und Beschäftigung. Mit weniger Mitteln werden entsprechend weniger Frauen Unterstützung und Beratung erhalten können.“
Monica Kotte, Projektleitung der Zentralen Frauenberatungsstelle „Zukunft im Beruf“ (ZIBnet) beim Arbeitsförderungs-Zentrum im Lande Bremen GmbH (afz): „Gerade in einer strukturschwachen Region wie Bremerhaven brauchen viele Frauen, insbesondere Alleinerziehende und Frauen mit Migrationshintergrund, niedrigschwellige Unterstützungsangebote, um Wege in den Arbeitsmarkt zu finden. Diese bieten wir an. Doch auch beim afz entfallen Mittel in Höhe von rund 50 Prozent. Vier von sieben Frauenprojekten mussten beendet werden, über 15 Kolleginnen mussten kurzfristig gehen. Nächstes Jahr werden weitere hinzukommen. Es darf nicht vergessen werden, dass die Sozialwirtschaft, darunter viele kleine Träger wie wir, auch wichtige Beschäftigungsgeber im Land Bremen sind.“
Claudia Schlosser, Geschäftsführung Mütterzentrum Osterholz-Tenever e.V. „Wir leisten mit unseren Angeboten wie Sprachkursen mit Kinderbetreuung, Beratungsangeboten sowie Frauengruppen nicht nur einen Beitrag für den Einstieg der Frauen in den Arbeitsmarkt, sondern generell für die Integration von Frauen mit Migrations- und Fluchthintergrund. Das sind zwei Seiten einer Medaille, die eng miteinander verwoben sind. Beides ist zudem wichtig für eine gute Sozialstruktur in den Quartieren. Sprachkurse mussten wir bereits einstellen, der Fortbestand von niedrigschwelligen Beratungen sowie Qualifizierungsangeboten ist gefährdet.“
Rosi Leinfelder, Geschäftsführung des Paritätischen Bildungswerkes (PBW): „Es ist ein Paradox: Bremen braucht dringend mehr Personal in den Kitas, insbesondere ausgebildete Erzieherinnen. Nun wird ausgerechnet bei der erfolgreich laufenden Maßnahme ‚Wege in Beschäftigung‘ ein zentrales Modul (Pro Kita II), also das Herzstück des Programms, ab Mitte 2025 nicht mehr finanziert. Darüber konnten die teilnehmenden Frauen die erforderliche Praxiserfahrung erwerben, die zur Aufnahme einer Ausbildung zur staatlich anerkannten Erzieherin notwendig ist. Wir können nun keine neuen Teilnehmerinnen mehr aufnehmen.“
Nicht alle betroffenen Träger konnten auf dem Podium der Pressekonferenz sein. Von großen finanziellen Lücken berichteten der ZGF aber unter anderem auch: die Waller Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft (WaBeQ), Arbeit im Fokus, VIA-Vermittlung und Integration von Alleinerziehenden, die Handwerkskammer bezüglich ihrer Ausbildungsbegleitung sowie das Projekt Gateway beim Deutschen Roten Kreuz.
Tragfähige und langfristige Strategie benötigt
Bremen befindet sich in einem Sanierungsprogramm, weitere EU-Mittel sind aktuell nicht absehbar und der Bundeshaushalt ist frühestens im Herbst zu erwarten. „Die aktuelle Situation im Land Bremen erfordert daher eine sorgfältige Analyse dahingehend, welche Maßnahmen die gewünschten Erfolge für die jeweilige Zielgruppe erzielen und welche Strukturen in Bremen und Bremerhaven unbedingt erforderlich sind, um Frauen in allen Quartieren zu erreichen, sie an den Arbeitsmarkt heranzuführen und langfristig in Beschäftigung zu bringen. Bremen braucht also eine langfristige arbeitsmarktpolitische Strategie und darin eine klare frauenpolitische Perspektive. Das bedeutet: zentrale Strukturen müssen über Landesmittel langfristig abgesichert werden und Träger sollten bei der Akquise von Drittmitteln vom Land begleitet und unterstützt werden. Die Neuausrichtung der Arbeitsmarktpolitik muss zudem in einem transparenten Beteiligungsprozess erarbeitet werden“, fordert die Landesfrauenbeauftragte.
Arbeitsförderung wirkt sich auf die gesamte Gesellschaft aus
Weniger Beschäftigungs- und Qualifizierungsangebote verzögern oder verhindern die Arbeitsmarktintegration von Menschen in ein existenzsicherndes Berufsleben. Dabei trifft es die Gruppen am härtesten, die besondere Unterstützung benötigen, wie beispielsweise Alleinerziehende und Frauen mit Flucht- und Migrationshintergrund.
Hinzu kommt, dass die arbeitsmarktpolitischen Dienstleister (Beschäftigungs- und Weiterbildungsträger) mit ihren Angeboten auch für eine soziale Infrastruktur in den Quartieren beitragen, die nicht nur den dort Arbeitenden, sondern allen Menschen im Stadtteil zugutekommt. Brechen Angebote wie beispielsweise Stadtteiltreffs, Mutter-Kind-Gruppen und Sozialkaufhäuser weg, trifft das nicht nur die Beschäftigten und den Träger, sondern mindert die gesellschaftliche Teilhabe der Menschen, die in den Stadtteilen leben erheblich.
Pressemitteilung der Bremischen Zentralstelle für die Verwirklichung der Gleichberechtigung der Frau (ZGF)
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