Laura Eckert ist der diesjährige „Sommergast“ der gleichnamigen Ausstellungsreihe der Museen Böttcherstraße in Bremen. In „Schichtwechsel“ können die Büsten und lebensgroßen Skulpturen der jungen Leipziger Bildhauerin noch bis zum 25.9.2016 im Paula Modersohn-Becker Museum und im historischen Ludwig Roselius Museum besucht werden.
Zunächst führt der Weg die Besucher*innen durch Räume mit Gemälden von Paula Modersohn-Becker. Da deren bekannteren Werke derzeit in Paris zu sehen sind, bekommen die Besucher*innen eher unbekannte Bilder, darunter jede Menge Akte zu sehen, die sich sonst weniger Geltung verschaffen können – also auch sehr lohnenswert. Dann schließlich folgt das Skulpturen-Kabinett von Laura Eckert.
Im Fokus ihrer Arbeit steht der Mensch, wie sie selbst in einem Video – ebenfalls in der Ausstellung zu sehen – sagt. Der Mensch, mit seiner Psychologie, dem Körper und seinen Grenzen. Die Figuren veranschaulichen den stetigen Kampf mit eben diesen Grenzen und Zwängen. Davon gibt es einige: Auf der Seite des Körpers werden sie, etwa im Bereich des Leistungssports, immer wieder überschritten. Der Körper erscheint als veränderbar, verbesserbar. Organe und Körperteile können ausgetauscht werden, die plastische Chirurgie boomt und in der Wissenschaft wird für längeres Leben und „bessere“ Gene geforscht. Auf der anderen Seite findet sich der Mensch in sozialen und gesellschaftlichen Zwängen wieder, nimmt je nach Kontext verschiedene Identitäten und Rollen an und kämpft gleichsam gegen diese an. Eckerts Themen sind also höchstaktuell.
Ihre Skulpturen bestehen vor allem aus recyceltem Holz, Dielen oder alten Brettern. Der Aspekt des Wiederverwertens ist ihr besonders wichtig. Eckert nutzt Materialien, die bereits „ein Leben gehabt haben“ und deutet diese um, führt sie zu etwas Neuem zusammen. Und so erschafft sie Bilder im dreidimensionalen Raum, lässt diese mit dem Raum interagieren.
Die Bilder, die sie dabei „haut“, um Eckert selbst zu zitieren, kommen einem dabei irgendwie bekannt vor. Die hellen Farben und die ebenmäßigen Gesichtszüge ähneln stark den Gipsbüsten der Antike. Die perfekten Symmetrie-Gesichter haben etwas von einer modernen Nofretete. Andererseits ist da die sichtbare Versehrtheit und Unsicherheit im abgewandten Blick der Büsten, die nicht ganz zur königlich stolzen Nofretete passen wollen. Und so erinnern sie auch entfernt an die Holz-Büsten von Kriegsversehrten, die Kader Attia im Rahmen der 13. Documenta Kassel 2012 ausstellen lies. Eckerts Büsten sind schön und gruselig zugleich, vor allem aber faszinierend und man möchte sie einfach nur sehr sehr lange ansehen.
Laura Eckerts Werke ähneln also zuvor dagewesenen Skulpturen, sie erfindet nicht gänzlich etwas Neues. Sie weiß, auf welchen kunsthistorischen Schultern sie steht. Aber sie kopiert nicht, sondern nimmt einzelne Teile und fügt sie zu etwas Neuem zusammen. Der Regisseur Jean-Luc Godard hat einmal gesagt „It’s not where you take things from – it’s where you take them to.” Und genau das macht auch Laura Eckert und erschafft so etwas ganz Eigenes und das ist wirklich sehr sehenswert!
Rieke Bubert
Emilia meint
Ja, ein Dank an das Paula Modersohn-Becker-Museum, diese junge Künstlerin nach Bremen geholt zu haben.
Mary meint
Einfach genial! Die geschichteten, verleimten Holzplatten verstärken Ausdruck und räumliche Wirkung der Skulpturen. Eine faszinierende Ausstellung, insbesondere – allerdings nur bei einigen Skulpturen -die Gegenüberstellung von alten klassischen Köpfen zu denen von Laura Eckert.
Ronja meint
Diese Bildhauerin ist eine Entdeckung!
Finni meint
Der Bericht über die Ausstellung ist exzellent. Ich selber fand die Ausstellung auch wunderbar und inspirierend – in jedem Fall lohnenswert. Die Bildhauerin hat mich stark motiviert, bei meinem nächsten Aufenthalt in Leipzig sie dort zu besuchen. Zuvor sollten jedoch alle die Bremer Ausstellung sehen – ein großes Kleinod!