Performern, Schauspielerin, Keramikkünstlerin, das sind nur einige Berufsbezeichnungen, die auf Laura Solar zutreffen. Die in Bremen lebende Künstlerin setzt sich mit ganzem Herzen für mehr Bewusstsein für Endometriose und Brustkrebs ein. In ihrer Theaterarbeit beschäftigt sie sich mit dem biografischen Erleben der Teilnehmenden und arbeitet in ihrer Performancekunst mit dem Thema Berührung und der Interaktion zwischen Zuschauenden und Performer*in.
Erfahrt mehr über diese interessante Frau in unserem Interview.
Laura, würdest du dich als Bremerin bezeichnen?
Ich bin eine waschechte Bremerin. Meine Eltern sind Chilene und Italienerin, aber wenn man mich fragt, woher ich komme, sage ich immer “Ich bin Bremerin!”. Im Steintor bin ich groß geworden und zur Schule gegangen. Auch die ersten Jahre mit unserer Tochter haben wir dort gelebt. 2019 sind wir dann vom Viertel in die Neustadt gezogen und ich hatte eine Woche Liebeskummer.
Wolltest du nie weggehen?
Ich hatte nie diesen Drang wegzugehen. Das lag hauptsächlich daran, dass meine Eltern beide selbstständige Schauspieler*innen waren. Daher bin ich in meiner Kindheit viel gereist. Daraus hat sich wahrscheinlich der Wunsch entwickelt, mehr Beständigkeit zu haben. Ich reise gern, bin aber auch sehr sehr gern zu Hause und kann das richtig genießen.
Das klingt nach einem sehr gleichmäßigen Alltag. Allerdings arbeitest du in vielen Bereichen. Wie passt das alles in eine Woche und wa
s machst du alles?
Bis Dezember 2022 habe ich den Bonusmarkt geleitet, ein gefördertes Projekt für die Innenstadtbelebung. Ich hoffe sehr, dass es wieder aufgenommen werden kann. Die Leute fragen schon!
Meine Keramikkunst erarbeite ich tagtäglich und wenn was anderes dazu kommt, habe ich die Freiheit zu entscheiden, wie ich es unterbringe. Es gibt immer Vor- und Nachteile in der Selbstständigkeit. Ich will immer vieles gleichzeitig machen. Da muss ich mich manchmal zügeln um nicht völlig überwältigt zu sein. Jetzt heißt es erstmal: Konzentration auf die Keramik!
Ich arbeite viel projektbezogen. Die verschiedenen Projekte sind nicht immer gleichzeitig aktuell, daher ist das möglich. Meine größte Struktur bringt mir die Arbeit als Keramikerin. Hier habe ich eine tägliche Struktur und gehe ins Atelier.
Ich organisiere den Bonusmarkt hier in Bremen. Hier kümmere ich mich um die Kuration und alle organisatorischen Belange. Ich achte darauf, dass eine gut gemischte Vielfalt unter den Ausstellenden gibt. Über diese Arbeit habe viel viele kleine Businesses kennen gelernt. Am Tag der Veranstaltung bin ich auch immer vor Ort und dirigiere die Abläufe.
Welche weiteren Projekte neben Keramik und Bonusmarkt haben dich im vergangenen Jahr bewegt?
Im Sommer habe ich Performance-auftritte gehabt mit meiner Kollegin und unserem Duo “Manibus.Pedibus” (Instagram.com/manibus.pedibus) in den Niederlanden und in Rastatt. Die Performance “ANOTHER TOUCH” befasst sich mit dem Thema der Berührung. Es ist eine unglaublich schöne Erfahrung gewesen, wie wir in Kontakt gehen durften mit den Zuschauenden – und herzerwärmendes Feedback haben wir bekommen. Das tat der Seele gut 🙂 Wir arbeiteten auch als Schauspieler*innen unter der Regie von Frank Bobran. Gemeinsam mit dem Orchester Lauter Blech und einem weiteren Spieler inszenierte er ein Stück zu Paul Celan.
Aktuell sind wir dort in neuen Überlegungen, wie wir weitermachen. Als Künstlerin nach zwei Jahren Coronazeit war die Theaterarbeit sehr schwierig. Die Förderstruktur hat mir als Künstlerin das Gefühl gegeben, dass meine Arbeit nicht wertvoll ist. Daher hat es mich viel Kraft gekostet, mein Selbstverständnis im täglichen Schaffensprozess wiederzufinden.
Ich kann mir aber gut vorstellen, zukünftig beides – Keramik und auch Theater in meinem Leben als feste Anker unterzubringen.
Wie würdest du deine berufliche Biografie schildern?
Als Tochter von 2 Schauspielern hatte ich früh einen Zugang zu Kunst. Ich war schon immer interessiert am Malen und jegliche andere Arten von Kunst.
Die HfK (hochschule für künste) hat mich 2 mal abgelehnt! Haha. Nach ein paar Umwegen bin ich dann bei der Theaterpädagogik gelandet. Habe in Ottersberg von 2012-2016 studiert.
Im Anschluss habe ich mir im Selbststudium noch viele weitere Fähigkeiten und Skills aus dem Theater- und Performancebereich angeeignet. Besonders durch das praktische Realisieren von Projekten. Und dann kam durch die Corona-Zeit die Keramik hinzu.
Welches war dein letztes Theaterprojekt?
Das letzte Theaterprojekt war ein Projekt zu Chile. Mein Vater ist Exil-Chilene. Die Unruhen 2019 in Chile haben etwas in mir ausgelöst. Die Geschichte steckt auch in mir als Kind. Das hat mich aufgewühlt und ich habe mich gefragt, ob es andere Menschen wie mich gibt, die so weit weg von dem Geschehen sind und trotzdem aufgewühlt werden. Was macht man mit dieser Energie, dachte ich? Theater. Ich arbeite im Theater generell gern biographisch. Und sobald man biographisch arbeitet, wird es auch politisch. Daraus ist dann ein Projekt entstanden “MÁS ALLÁ” . Ich habe mit Kindern von Exilchilen*innen und Menschen, die in Chile geboren sind und als Kinder ins Exil mussten gearbeitet. Im Projekt ging es vor allem um das Innere Erleben aufgrund der politischen Ereignisse und was sie in uns hoch bringen. Familie, Trauer, Wut und Scham, sowie Identität und die Frage wo gehöre ich hin – waren Themen. Ich begleite gern solche künstlerischen Prozesse, die auch biographische Verbindungen haben. Für mich umschreibt der Begriff autobiographisch-politisches Theater meine Herangehensweise am besten.
Dein Leben lang warst du selbstständig tätig. Woher nimmst du die Kraft und Zuversicht? Was ist dein Geheimnis?
Es ist kein Geheimnis, dass mein Mann mein größter Fan ist. Die Kraft ziehe ich aber besonders daraus, dass er mich in meiner Arbeit bestärkt.
Ich werde einfach unglücklich, wenn ich etwas mache, hinter dem ich nicht hundertprozentig stehe. Daher nehme ich die Unsicherheit der freiberuflichen Tätigkeit auf mich. Kunst ist meine Sprache, meine Form mich auszudrücken, wenn man mir das nimmt, nimmt man mir auch meine Kraft. Meine Superpower. Auch jetzt schon zehre ich ganz viel von der Arbeit. Natürlich wünsche mir, dass ich von meiner Arbeit gut leben kann. Aber mehr brauche ich nicht.
Du beschäftigst dich in deinen Arbeiten unter anderem mit dem Thema Gesundheit vom Uterus. Wie äußert sich das, wie bist du dazu gekommen?
Das Thema begleitet mich schon eine Weile. Anfang 2022 habe ich die Diagnose für Endometriose bekommen. Ich glaube, dass das der ausschlaggebende Punkt war, der Moment wo das Thema sich vertieft hat. Sicherlich hat auch die Erkrankung meiner Mutter mit rein gespielt, das will ich nicht abstreiten. 2017 habe ich meine Tochter zur Welt gebracht und auch da habe ich mich schon viel mit dem Thema des weiblich gelesenen Körpers beschäftigt. Vor allem, wie die Gesellschaft sich in schwangere Körper einmischt.
Zunächst startete ich in der Keramik mit modelliertem Brüsten. Meine Arbeiten mit modellierten Busen und später modelliertem Uterus thematisieren diese Themen . Mit meinen Arbeiten möchte ich gerne mehr Awareness für diese Themen schaffen.
Wie spiegeln sich deine Erfahrungen in deiner Keramikarbeit wider?
Naja, zum einen hat mich die Ignoranz zum Thema Endometriose extrem erschrocken. Bevor ich die Diagnose bekam, hieß es immer, es sei normal Schmerzen zu haben, wenn man seine Menstruation hat. Das zog sich durch meine ganze Pubertät bis ich jetzt 33 Jahre alt war. Als ich nach der Schwangerschaft Schmerzen hatte, war das auch normal. Ich musste lange und heftig dafür kämpfen, ernst genommen zu werden und gehört zu werden. Es macht mich unfassbar wütend und frustriert mich, wenn ich überlege wie viele Kinder und Menschen mit Uterus rum laufen und eingetrichtert bekommen, dass es völlig in Ordnung sei, unter Schmerzen zu leiden. Soll das unsere Strafe sein? Für was?
Always remember: it is NOT normal to be in pain.
Wie sind die Rückmeldungen auf deine Arbeiten?
Ich erhalte ganz verschiedene Rückmeldungen – meistens positive, aber auch mal negative. Einige Menschen fühlen sich provoziert. Aber am schönsten ist es, wenn ich jemanden dazu erklären kann, was meine Arbeit mir bedeutet und diese Menschen nehmen Infomaterial mit und sagen mir zB: wow. ich glaube meine Freundin hat das. Ich erzähle ihr davon!” Dann ist meine Arbeit getan.
In jedem Fall führen die Vasen, Tassen und meine Hängebusen zu vielen interessanten Gesprächen und begegnungen. Menschen finden ihre Geschichte in meinen Arbeiten wieder. Wie schön ist das denn?!
Würdest du deine Keramikarbeiten als biographisch beschreiben?
Wie gesagt, ich habe noch nie in meinem Leben so oft wie nach meiner Schwangerschaft gehört, dass es normal ist, so viele Schmerzen zu haben. Es ist nicht normal, dass wir Menschen mit Uterus mit Schmerzen herumlaufen.
Nach der Bauchspiegelung und der Diagnose, habe ich mich mit der Endometriose Vereinigung zusammengesetzt. Das ist eine ganz tolle Vereinigung mit vielen engagierten Menschen. Ich habe lange nicht über meine Geburt gesprochen, weil ich dachte, dass andere Gebärende viel mehr Schmerzen hatten. Aber im Gespräch mit einem Mitglied der Endometriose- Vereinigung, habe ich erkannt, dass ich eine andere Begleitung bei der Geburt benötigt hätte, da der Uterus so geschwächt ist durch die Endo.
Um die Frage zu beantworten: ja! Auch hier – meine Kunst ist biografisch und politisch. Ob ich will, oder nicht.
Woher nimmst du Kraft, bei so einem Thema so lange beim Thema zu bleiben?
Im Gesundheitssystem müssen wir uns ständig erklären und mir ist es wichtig, mit meiner Arbeit ein Bewußtsein zu schaffen. Wenn menstruierende BIPoC mit und ohne Migrationshintergrund zu Ärzt*innen gehen, dann müssen sie sich in der Regel noch mehr erklären, um mit ihren Schmerzen ernst genommen zu werden. Meine Arbeit soll das auf künstlerische Art in die Köpfe der Menschen bringen. Diese chronische Krankheit Endometriose gibt es. Und sie ist wenig erforscht und vielseitig. Hört zu!
Feministische Kunst
Die physische Präsenz von Objekten, die Teile von weiblich gelesenen Körperteilen außerhalb von romantischer Kontemplation darstellen, wird auch in heutiger Zeit noch zu häufig als störender Faktor gelesen. Verfolgt die Arbeiten von Laura Solar hier in Bremen
Bald findet ihr sie in der KORNSTR: 108 , 28201 Bremen
Follow her for support: Instagram.com/pottery_of_sol und unterstützt FLINTA* Kunst unbedingt und macht sie sichtbarer.
Wir danken für dieses wichtige Interview.
Das Interview führte Renate Strümpel
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