Für viele ist es noch ein Tabuthema: Die Entscheidung, abstinent zu leben, vor allem in einer Partnerschaft. Die Autorin Anica Plaßmann ist Sexual- Paartherapeutin und hat seit 2010 ihre eigene Praxis. 2019 wurde ihr Artikel „Ungeil“ in der ZEIT veröffentlicht, welcher auf das Thema „Ohne Sex zu leben“ eingeht. Dieses Jahr kam ihr Buch „Sexfrei. Weil es okay ist, keine Lust zu haben“ heraus, in dem sie sensibilisiert, aufklärt und auffordert, jede*n frei über den Körper und die eigenen Bedürfnisse entscheiden zu lassen. Ohne Druck, ohne Zwang und ohne unausgesprochenes Pflichtgefühl.
Sexfrei zu leben, sollte kein Problem sein
In vielen Beziehungen gibt es eine unausgesprochene Erwartung, Sex haben zu müssen, als eine Pflicht der/dem Partner*in gegenüber. Die Autorin Anica Plaßmann plädiert für einen offenen Umgang mit dem Thema „Sexfrei Leben“. Keine*r sollte sich unter Druck setzen oder setzen lassen, denn Sexualität sollte von jeder*m selbst bestimmt sein.
„Denn wir alle haben das Recht, für uns frei zu entscheiden, ob wir sexvoll oder sexfrei leben wollen; ob und wie wir Sex wollen. Denn wenn ich mich nicht gegen Sex entscheiden darf: Wie frei kann Sex dann sein?“
In ihrem Buch beschreibt sie Fallbeispiele aus ihrer Praxis und ihrer langjährigen Erfahrung als Sexual- und Paartherapeutin. Des Weiteren klärt sie über verschiedene Gründe auf. Wieso jemand sich für die Abstinenz von Sex entscheidet, wie es zu partnerschaftlichen Problemen kommen kann. Und zeigt Lösungsansätze auf, auch in einer Partnerschaft sexfrei zu leben und akzeptiert zu werden.
Gesellschaftliche Sicht aufbrechen
Das Thema Sexfreiheit ist noch immer nicht sehr groß thematisiert. Eher im Gegenteil. So wird in der Werbung, in Filmen und Serien ein Bild des immer potenten Mannes und einer immer willigen Frau gezeigt. Falls dies nicht der Fall ist, so ist es meistens in einem negativen Kontext: Die Frau, die wieder mal zickig ist, und der Mann, der einfach viel zu schwach ist, um ein Mann zu sein. Dem ist dringend entgegenzuwirken! Die Autorin Anica Plaßmann klärt in ihrem Buch auf, wie es in einer leistungsorientierten und über-sexualisierten Gesellschaft zu einem Verständnis für ein sexfreies Leben kommen kann. Sexfreiheit sollte als eine anerkannte Option gesehen werden und nicht als ein Tabu. Das Thema soll Gehör finden, diskutiert und als gesellschaftlich relevant empfunden werden. Sexlosigkeit sollte nicht mehr zensiert, nicht mehr als Problem oder direkt als Krankheit deklariert werden.
Aufklärung und Sensibilisierung
Anica Plaßmann schreibt sehr sensibel und feinfühlig. Jede*r kann sich durchaus in ihrem Buch wiederfinden. Im Vordergrund steht für sie das Wohlbefinden jeder*n Einzelnen und die Möglichkeit der Entscheidung. Denn in Partnerschaften, so Anica Plaßmann, fühlen sich leider viele schuldig, wenn sie Partner*innen den Sex verweigern oder den Sex Partner*innen zuliebe aushalten.
„Wie viel Sex hatten wir schon, obwohl wir nicht wollten? Wie oft haben wir ausgehalten, durchgehalten, mitgemacht – dem Partner zuliebe oder damit jemand anders mit einem allzu hoffnungsvollen Angebot nicht das Gesicht verliert, wenn wir ablehnen? [.. ] Wozu sind wir bereit, um den anderen nicht zu kränken?“
Es gibt bei vielen eine große Hemmung, die Sexlosigkeit anzusprechen, und deshalb machen sich die Betroffenen oft große Vorwürfe. Es kommt zu Krisen in der Partnerschaft, eine*r will, eine*r will nicht. So zieht Anica Plaßmann einige Fallbeispiele heran. Anschaulich klärt sie auf, wie das Thema Sexlosigkeit zu hartnäckigen Differenzen führt, welche Ursachen dahinter stecken und wie diese zu lösen sind. Breitgefächert wird aufgedeckt, welche Beweggründe hinter der Sexfreiheit stehen und wie Partner*innnen miteinander zu einem Konsens kommen.
Kritik am Buch
Sensibel, aufklärend und anschaulich wird das Thema Sexlosigkeit im Buch beschrieben. Leider wird von der Autorin auf eine gendergerechte Sprache verzichtet, welches gerade bei einem Sachbuch wünschenswert wäre. Des Weiteren werden ab und zu Stereotype benutzt: Die Frau, die am Herd steht und Essen zubereitet, Männer denken zuerst immer an Sex. Auch werden überwiegend nur heterosexuelle Paare genannt (Ob dies an den Klient*innen liegt, die die Autorin als Paartherapeutin betreut, kann die Autorin nur selbst beantworten). Im Großen und Ganzen ist es ein Buch, das eine interessante Sichtweise auf das Thema Sexfreiheit bringt, es setzt jedoch oft voraus, in einer Zweierbeziehung zu leben, und lässt so manches Mal andere Beziehungs-Konstellationen außer Betracht. Dennoch behandelt das Buch durchweg ein wichtiges Thema, dass jede*r für sich über den eigenen Körper entscheidet. Denn es ist wichtig, Grenzen zu stecken, sowie auch Bedürfnisse und Unstimmigkeiten zu kommunizieren. Denn das ist in jeder Beziehung von Bedeutung.
Flo
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