Auf der sechsten bundesweiten Fachtagung, die der Dachverband Lesben und Alter in Berlin veranstaltete, beschäftigten sich die Teilnehmer_innen mit der Frage von Unabhängigkeit und Sicherheit im Alter.
Mit großen Erwartungen reisten rund 80 Fachfrauen und Netzwerkerinnen aus allen Teilen Deutschlands nach Berlin zur 6. Fachtagung, zu welcher der Dachverband Lesben und Alter eingeladen hatte. Sie wurden nicht enttäuscht. Unter dem Motto „Wovon lesbische Frauen träumen“ ging es vom 31. Oktober bis zum 01. November in vielen Facetten um die soziale Vorsorge für das Alter.
Zielsicher benannte Kirsten Plötz den Gender Gap, der sich besonders krass im Alter bemerkbar mache. Rentnerinnen erhalten nur etwa die Hälfte der Männer-Renten. Die Folgen einer verfehlten Familien- und Rentenpolitik bekommen Generationen von hetero- und homosexuell lebenden Frauen zu spüren. Alles, was Frauen ein unabhängiges, wirtschaftlich gefestigtes Leben ermögliche, so die promovierte Historikerin und Spezialistin für deutsche Nachkriegsgeschichte, sei auch ein lesbisches Thema. Damit war der Bezugsrahmen hergestellt.
In Workshops erhielten die Teilnehmerinnen Gelegenheit, ihre Fragen zu vertiefen. Ulrike Janz vom Dachverband der Beginen verknüpfte das teilweise sehr persönlich diskutierte Geld- und Ressourcenthema mit politischen Forderungen nach ausreichender Grundsicherung und Abschaffung des Ehegattensplittings – ein Votum, dem sich der Dachverband sofort anschloss.
Um Chancen und Fallstricke gemeinschaftlicher Wohnprojekte ging es Ruth Becker, emeritierte Professorin für (feministische) Raumplanung. Kaum ein Lebensbereich sei so aufgeladen mit Erwartungen. Umso wichtiger sei es, bisherige Erfahrungen und gute Tipps zum Gelingen von Frauenwohnprojekten zu nutzen, die Becker gemeinsam mit Evelyne Linke in einer Studie veröffentlicht hat.
Ein weiterer Tagungsschwerpunkt widmete sich der altersgerechten Quartiersentwicklung. Soziale Teilhabe, Versorgungsmöglichkeiten, Unterstützungsdienste im eigenen Wohnumfeld: Wie können Lesben und Schwule darauf Einfluss nehmen? Carolina Brauckmann von der NRW-weiten Fachberatung für gleichgeschlechtliche Lebensweisen in der Seniorenarbeit erläuterte das Konzept Queer im Quartier®. Wie die Zusammenarbeit von Kommune, Community und Freien Trägern in einzelnen funktioniert, beschrieb Anne Simon, Vorstand von WupperPride e.V., für die Stadt Wuppertal und verhehlte dabei nicht, dass solche kommunalen Prozesse einen langen Atem brauchen.
Die Liebe kam nicht zu kurz im dicht gedrängten Veranstaltungsprogramm. Corinne Rufli aus Zürich, Autorin eines kürzlich erschienenen Buches mit Porträts von frauenliebenden Frauen über siebzig, brachte zwei ihrer Protagonistinnen gleich mit auf die Bühne und ließ sie aus ihrem Leben erzählen – bewegende Schilderungen, die deutlich machten, wie schwierig es für die ältere Frauengeneration war, ein eigenständiges lesbisches Leben zu führen.
Fazit nach zwei intensiven Tagen, die mit dem Besuch der viel beachteten Ausstellung „Homosexualitäten“ begonnen hatten: Die große gesellschaftliche Altersdebatte darf nicht ohne ältere lesbische Frauen geführt werden. Es wird höchste Zeit, den Anliegen von mindestens 530.000 gleichgeschlechtlich orientierten Frauen in der dritten und vierten Altersphase Gehör zu verschaffen (In der wissenschaftlichen Literatur wird davon ausgegangen, dass mindestens 3 Prozent der Bevölkerung sich selbst als lesbisch bzw. schwul identifiziert. Die hier errechnete Zahl basiert auf dem Zensus von 2011) Eine der zentralen Aufgaben wird es sein, gemeinsam mit Bündnispartner_innen Einfluss zu nehmen auf Altersforschung, Reform- und Gesetzesvorhaben und auf die offiziellen Altenberichterstattung. Der geschärfte Blick für die Lebenssituation von älteren lesbischen Frauen wird allen Frauen zu Gute kommen.
Elke Ferner, parlamentarische Staatssekretärin von Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig, verspricht in ihrem Grußwort anlässlich der vom BMFSJF geförderten Fachtagung, sich auch weiterhin für die Interessen älterer lesbischer Frauen und schwuler Männer einzusetzen. Verbandsreferentin Doris Leymann wertet dieses Statement als positives Signal für eine nachhaltige Förderung des Dachverbandes Lesben und Alter!
C.Brauckmann
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