eigentlich wollte ich Ihnen ja gratulieren. Sie gehören zu den ersten Frauen, neben Ursula von der Leyen, Annegret Kramp-Karrenbauer und Isolde Liebherr (die Bundeskanzlerin vor ein paar Jahren lassen wir hier mal außer Acht), die in Bremen zum diesjährigen Schaffermahl eingeladen worden sind. Somit sind Sie eigentlich so etwas wie eine Pionierin. Ich bin mir sicher, es war eine große Ehre für Sie, unsere offene, bunte und tolerante Stadt besuchen zu dürfen um bei dem exklusivsten und erfolgreichsten Spendendinner mit dabei zu sein. Zugegeben, es war für uns ein langer und mühsamer Kampf, die Grundsätze der Gleichberechtigung und Antidiskriminierung, für die ja unsere Stadt schon lange steht, auch für das Schaffermahl durchzusetzen. Aber nun haben wir es ja endlich geschafft! Bestimmt hat Ihnen das Essen auch gut gemundet und sie konnten sich mit Spitzenleuten aus der Industrie, Politik und Wirtschaft sowie herausragenden Kulturschaffenden austauschen und neue Kontakte knüpfen. Als promovierte Philologin wissen Sie auch bestimmt, wie man Menschen mit Worten und guten Argumenten überzeugen kann, nicht wahr? So bin auch ich davon überzeugt, dass dieses Schaffermahl nicht nur für Ihre weitere Popularität enorm hilfreich war, sondern dass Sie für Ihr Unternehmen, die Trumpf GmbH + Co. KG wirtschaftspolitisch ordentlich die Werbetrommel gerührt haben.
Doch liebe Frau Leibinger-Kammüller, was muss ich denn da entsetzt in den Medien über Sie erfahren! So zitiert Sie zum Beispiel der Weser-Kurier in der Ausgabe vom 14.2.15 wie folgt:
Nicola Leibinger-Kammüller (…) war zunächst dagegen, dass Frauen zur Schaffermahlzeit eingeladen werden. „Als ich danach gefragt wurde, habe ich gesagt, dass die Herren ruhig unter sich bleiben sollen. Als dann aber die Einladung kam – da bin ich sofort umgefallen, und nun freue ich mich auf die nächsten Stunden.“
Liebe Frau Leibinger-Kammüller, umgefallen bin ich auch, aber vor lauter Entsetzen! Ich glaube, Sie haben da was Grundsätzliches nicht verstanden. Eingeladen wurden Sie nur Dank des Einsatzes vieler anderer Frauen, denen Sie in ihrem Kommentar, soeben auf die Füße getreten haben. Auch sind Sie gegen die Frauenquote in Unternehmen. Aber natürlich sind Sie das! Sie sind ja auch keine „Quotenfrau“ sondern haben sich aus eigener Kraft hoch gearbeitet. Ach nee, ich sehe grad .. doch nicht! Ihr Daddy hat Sie in seine eigene Spitzenetage bei der Trumpf GmbH + Co. KG geholt. Na ja, reiche Eltern für alle, sage ich da immer!
Aber mal ehrlich Frau Leibinger-Kammüller, wo wären Sie denn heute, wenn damals sich nicht mutige Frauen mit ihren Forderungen durchgesetzt hätten? Alles was wir Frauen in Deutschland inzwischen haben, Gleichberechtigung per Grundgesetz, freie Bildung und Berufswahl (von der auch Sie profitiert haben), nicht zuletzt das Wahlrecht und die gleiche Partizipation am Leben, das können wir nur, weil es in der Vergangenheit und bis heute Frauen gab, die sich dafür eingesetzt haben. Und es liegt noch ein weiter Weg vor uns! Ich finde, Sie sollten diese Leistungen respektieren, denn die haben Sie da hingeführt, wo sie gerade sitzen.
Frau Leibinger-Kammüller, leider muss ich Ihnen mitteilen, dass Sie sich durch diesen Kommentar gegenüber uns Frauen unsolidarisch und opportunistisch verhalten haben. Bestimmt haben Sie für Ihre persönliche Karriere vieles geleistet. Doch bin ich auch davon überzeugt, dass ihr familiäres soziales Kapital Ihnen einen leichteren Zugang zu diesen Positionen ermöglichte. Diesen Vorteil hat nun mal nicht jede Frau. Es wäre gut, wenn Sie einen Teil Ihres unternehmerischen Geschicks im Interesse von Frauen einsetzen würden, anstatt sich gegen sie auszusprechen.
Mit feministischen Grüßen,
Pauline Lis
Heidemarie meint
Genau so ist es, liebe Frau Hauffe. Ich stimme Ihrem Kommentar zu. Wir normalisieren gemeinsam einfach weiter, auch wenn frau oft auf Dickköpfe – nicht nur bei Männern – trifft.
Ulrike Hauffe meint
Ehrlich gesagt freue ich mich über diese Diskussion.Klar hat es mich ein wenig getroffen, als ich im WK das Zitat las. Aber genauso schnell habe ich mir gedacht: Frau Leibinger-Kammüller wird ganz schnell – als erfolgreiche Geschäftsfrau – intern, heißt: in der Oberen Rathaushalle gemerkt haben, um was es bei der Schaffermahlzeit geht. Die Nebenspur ist das Einsammeln hoher Spenden, die Hauptspur ist aber das Netzwerken, das Kontakte machen, das Anbahnen von Geschäften.
Die Ministerpräsidentin des Saalands, Frau Kramp-Karrenbauer, die auch bei der diesjährigen Schaffermahlzeit anwesend war, hat am nächsten Tag beim Neujahrsempfang der Frauen-Union ihre Erlebnisse und Erfahrungen berichtet – sehr eindrücklich. Sie besitze jetzt viele Visitenkarten der wichtigsten Wirtschaftsbosse Deutschlands, die sie nun anrufen könne, wenn sie von ihnen etwas will. Und sie behauptete sicherlich wohlwissend, wenn sie „nur“ als Ministerpräsidentin anrufen würde, würde sie nicht durchgestellt, sondern auf irgendeiner Ebene landen, nicht jedoch ganz oben.
Wir ändern nicht die Welt, indem wir mit dafür gesorgt haben, dass Frauen nun zum Schafferinnenmahl zugelassen sind. Da gibt es bedeutsamere Themen. Aber wir normalisieren sie!
Ulrike Hauffe
Tina meint
Also klar, dass zu dieser Veranstaltung nur Reiche gleich welchen Geschlechts eingeladen werden, und auch klar, Gerti hat Recht: es geht auch im Spenden in mehrstelligen Beträgen. Die wohl die meisten, die bei hier schreiben, nicht mal als Jahreseinkommen haben… Und ICH würde nur schlechte Laune kriegen uner all den fetten Pfeffersäcken mit der entsprechenden Ideologie im Gepäck. Trotzdem finde ich, auch unter „KapitalistInnen“ zumindest allmählich die Botschaft ankommen sollte, dass der Ausschluss der Hälfte der Bevölkerung – von was auch immer – nicht mehr läuft. Ich muss auch kein Bundeswehr-Fan sein, trotzdem sollten Frauen aus Prinzip Zugang haben. Und ich prangere das letzte Berufsverbot für Priesterinnen in der katholischen Kirche an, obwohl ich mit dem Verein nix zu tun haben will. Denn was steckt jeweils dahinter: ganz schlicht und einfach die Abwertung der Frauen.
Gerti meint
Ihr wisst aber schon, daß das Schaffermahl eine Wohltätigkeitsveranstaltung ist? Und daß es da um Spenden geht???? Ich kann die Empörung so gar nicht verstehen, erlich gesagt. Einflußreiche Frauen sind doch schon seit langem dabei. Und hätte die gute Frau L-K abgelehnt, was wäre denn dann für ein Aufschrei gewesen, daß sie die EInladung ablehnt??? Vielleicht sind da auch einige nur neidiisch?????
Pauline meint
Naja, Ursula von der Leyen ist ebenfalls christlich-konservativ und sie ist, wie richtig erwähnt wurde, das beste Beispel dafür, dass es eben auch anders geht.
Ich denke, es ist das Unverständnis gegenüber dieser Äußerung, die alle wütend macht. Eine „Smash Sexism-Fahne“ hat sicherlich niemand erwartet, auch wenn das wesentlich mehr Medienaufmerksamkeit gebracht hätte, als diese blöde Äußerung 😉
janni meint
Also, ich kann solchen Aussagen auch kein Verständnis entgegenbringen. Solch eine antiemanzipatorische Grundhaltung ist nicht meins! Und ja, sonderlich authentisch ist es nun auch nicht, wenn man erst das eine sagt und dann anders handelt.
ABER: ich verstehe nicht ganz, warum nun alle so wütend sind. Sie ist nunmal eine christlich-konservative Frau und auch wenn sie unsere Ideale durch solche Worte mit Füßen tritt, heisst es doch nicht, dass sie nicht ihre Meinung haben darf. Und die Quote ist ja auch ein Thema, das selbst die Frauenpolitik spaltet.
Also, was wurde denn von Frau Leibinger-Kammüller erwartet? Dass sie ihre Smash Sexism-Fahne rausholt?
Hat irgendjemand erwartet, dass plötzlich Schaffersmahlgäste nun linkspolitisch und unverheiratet sind? Es ist doch klar welcher „Schlag Mensch“ da eingeladen wird. Deshalb muss ich sagen, erstaunt oder verärgert mich sowas nicht sehr. Ich lasse mich lieber überraschen (wie von der Rede von Ursula von der Leyen – ernsthaft! hab ich nicht erwartet!) und warte auf die nächsten Jahre. Vielleicht sitzen dann ja mal Linke, Grüne, FeministInnen, LGBT-RechtlerInnen und Gewerkschaftsmenschen neben CDU-Leuten und Kindern reicher Eltern und es ist einfach egal, wer was „ist“.
elke meint
Ich finde ebenfalls, dass Pauline es mit ihrem Artikel auf den Punkt gebracht hat . Und wenn du schreibst:….“heisst es doch nicht, dass sie nicht ihre Meinung haben darf. “
„Was bitte schön, soll dass heißen?“ Einfach nichts sagen, weil davon auszugehen ist, das von Frauen wie Frau Leibinger-Kammüller, sowieso nichts zu erwarten ist?
Sie möchte keine Quotine sein, dass sei diskriminierend Frauen gegenüber, die sich alleine nach oben gearbeitet haben, sie findet, dass Traditionen bewahrt werden müssen-gerade jetzt, in dieser Zeit. Und das es doch allzu verständlich sei, wenn die Herren auch mal unter sich sein möchten, von Mann zu Mann.
Abteilungsleiter werden in Ihrem Unternehmen mit Prämien honoriert…….
Es geht nicht nur um ihre Äußerung zum Schaffer_innenmahl, sondern auch darum, wie sie sich zu all den o.g. Themen öffentlich äüßert.Da sträuben sich mir und anderen Frauen schon die Nackenhaare.
Und dass sollten wir auch deutlich zum Ausdruck bringen!!
Tina meint
Liebe Pauline,
danke für die deutlichen Worte! Es ist schon ein bisschen absurd, dass wir Frauen uns jahrzehntelang für die Beteiligung von Frauen am Schaffermahl eingesetzt haben und dann geht so eine hin – ungetrübt von jeglichem historischen Bewusstsein. Wenn sie doch die Männer unter sich lassen wollte, warum hat sie überhaupt zugesagt?? Da ist dann der Machtinstinkt doch größer als die Prinzipien. Oder die Eitelkeit…?