Terre des Femmes, einer der größten weltweiten laufenden Organisation zur Unterstützung von Frauen und Mädchen, betreut auch viele kleinere Projekte vor Ort. Eines dieser Projekte ist die Arbeit des AFFMHL, einem Verein zur Förderung der Bildung von Mädchen der Mafa, einem Stamm in Kamerun. Die Arbeit des Vereins wurde am 29. September in den Räumlichkeiten der Bremer Stadtbibliothek vorgestellt.
Wie wurde das Projekt initiiert?
An der Veranstaltung nimmt auch Prof. Dr. Godula Kosack teil, eine Soziologin und Ethnologin, die das Projekt quasi ins Leben rief. Seit 1985 sei sie immer wieder im Norden Kamerun ansässig gewesen, mal für zehn Wochen, mal für mehrere Monate, in regelmäßigen Abständen. Durch ihre tiefe Verbundenheit mit dem Dorf, in dem sie mittlerweile auch mit ihrer Familie ein Haus gebaut hat, ergab sich schnell ein Hilfewunsch für die dort ansässigen Frauen und Mädchen. In der stark patriarchalischen Gesellschaft der Mafa, einem nordkamerunischen Stamm von ca. 250.000 Menschen, den Prof. Kosack schon über Jahre begleitet und verfolgt, ist die Frau grundsätzlich gebunden an ihren Mann. Sei es an ihren Sohn, ihre Vater oder natürlich an ihren Ehemann. Über das selbst verdiente Geld verfügen kann sie als Frau nicht. Prof. Kosack, die schnell als Ansprechpartnerin für viele der Frauen vor Ort für Behördengänge, Krankenhausbesuche oder auch bei Geldfragen wurde, begann erst privat bei Freunden und Verwandten zu sammeln. Schnell wird ihr jedoch klar, dass diese Unterstützung nicht reicht. Der Vorschlag der Gründung eines Vereins zur Unterstützung der Mädchen vor Ort wird im Dorf gut angenommen und im März 2012 wurde „Association d’Appui à la Promotion Scolaire des Filles et de jeunes Femmes de M’lay, Huva et Ldama“ (AFFMHL), der Verein zur Unterstützung der Schulbildung von Mädchen und jungen Frauen aus M’lay, Huva und Ldama gegründet.
Das Leben einer Mafa-Frau
Anhand der Interviews, die Prof. Kosack in ihrer Zeit in Kamerun geführt hat und ihren detaillierten Aufzeichnungen von Lebensgeschichten, Ritualen und dem Alltag der Dorfbewohnerinnen, gab es einen hautnahen Einblick in das Leben einer Frau der Mafa. Schon die kleinen Kinder helfen bei der Arbeit auf dem Feld und im Haus mit oder sind die designierten Babysitter für jüngere Geschwister – eine Vorbereitung für die Töchter auf ihr späteres Leben als Mutter. Auch wenn in Kamerun die Schulpflicht für Kinder bis zum Alter von sechzehn Jahren besteht und der Wunsch nach Bildung da ist, können sich nur wenige Familien den Schulgang leisten. Schul- und Materialkosten sowie der weite Weg aus den Bergdörfern in zentral gelegene Schulen kommen erschwerend hinzu. Oft werden die Söhne gefördert und in die Schule geschickt. Ein Mädchen wird traditionell nach der ersten Menstruation verheiratet; sie dient der Familie nach der Hochzeit nicht mehr und braucht deswegen auch keine Bildung, so die Meinung vieler Väter. Während die Kosten für die Grundschulbildung noch überschaubar sind, übersteigen die Kosten für weiterführende Schulen oft das Budget der Familien. Nur ein Drittel der Schüler in weiterführenden Schulen in Nordkamerun sind weiblich, von denen kaum eine das Abitur, geschweige denn andere weiterführende Abschlüsse schafft.
Eine Erfolgsgeschichte: Martine Mbritchè Kleene
Mit auf der Veranstaltung ist auch Martine Mbritché Kleene, eine junge Frau, gebürtig aus Kamerun, die das geschafft hat, wovon die meisten Mädchen aus Nordkamerun nur träumen können: Mit abgeschlossener Schule und fertiger Ausbildung lebt sie heute mit ihren Mann und zwei Kindern in den Niederlanden. Fern ab von der patriarchalischen Gesellschaft der Mafa. Als Tochter in einer polygamen Familie mit fünf Frauen und zwanzig Kindern, davon nur neun Mädchen, wurde ihr der Schulgang nur durch den glücklichen Umstand ermöglicht, dass einer ihrer älteren Brüder Schuldirektor war. Auch wenn Martine nie wirklich unglücklich mit ihrem Los war, wie sie immer wieder betont, so war in ihr doch immer wieder die Wut über die Frage: „Warum muss ich das alles tun?“. Alles, das waren die Arbeiten vor und während ihres Schultages, das frühe Aufstehen noch vor der Schule, um ihre Arbeit im Haus fertig zu machen, die eine Stunde Schulpause, die sie für die Zubereitung des Mittagessens zu Hause nutzen musste anstatt sich auszuruhen. Eine Reise nach Tschad ermöglicht ihr den Abschluss eines international anerkannten Abiturs, wenn auch gegen den Wunsch ihres Bruders, der sie vorher noch unterstützt hatte. Dort lernte sie auch ihren Mann, einen holländischen Studenten zu der Zeit, kennen, mit dem sie nach Abschluss ihres Abiturs in die Niederlande zog.
Die große Ironie, so Martine, bestehe darin, dass die meisten Frauen in Kamerun sich auch nicht wünschten, dass ihre Töchter das gleiche Schicksal erleiden wie schon sie. Nur würde keine der Frauen dagegen etwas tun. Die Wirtschaft der Mafa ist so von den Frauen und ihrer Arbeit abhängig, und doch entscheidet sich kaum jemand dafür, die Bildung der Mädchen zu fördern. Dass Mädchen der Schulgang erlaubt wird sei der Schlüssel, aus diesem Teufelskreis auszubrechen, so wie es auch ihr gelang.
Kim-Nicola Hofschröer
Emilia meint
Danke, Heidemarie, dass Du einen O-Ton eingeholt und eingestellt hast. Das bestätigt noch einmal sehr und authetisch, was in dem Artikel berichtet wurde.
Heidemarie meint
Meiner Verwandten in Kamerun, die dort schon 40 Jahre lebt, empfahl ich den Artikel. Von ihr bekam ich folgenden Kommentar:
Nun ist bei uns mal wieder gerade der Strom weg (so ist das in afrikanischen Hauptstädten), aber ein bisschen hilft die Solaranlage, um ins Internet zu kommen.
Ja, die Schulsituation ist eigentlich im ganzen Land sehr bedenklich, und ich kenne aus meiner DED-Zeit (Deutscher Entwicklungsdienst) auch den Norden. Einmal begleitete ich unseren Entwicklungshelfer zu einer Alphabetisierungskampagne. Wir fuhren über karge Landwege, dann hielt sein Auto vor einem Ziegenstall aus Stroh und Brettern und erklärte „voilà, da sind wir!“. Ja, und ich befand mich vor dem „Schulgebäude“, in dem die Kurse stattfanden.
Es fehlt halt an allem landesweit, Infrastruktur, gute Lehrer, gute Lehrprogramme, ehrliche Prüfungen, motivierte Eltern. Aber selbst wenn die Kinder gut beschult wurden, sogar die Uni gut abschlossen, fehlt es dann an Arbeit, so wie in vielen Ländern der Welt. Leider habe ich in Kamerun das Gefühl, dass man in den 40 Jahren, in denen ich hier nun schon lebe, sich da nicht so weiter entwickelt hat. Superrreiche, die in allem Komfort leben, gibt es natürlich schon!!!