Wäre die Welt krisenfester, friedlicher und solidarischer, wenn es mehr weibliche Führungskräfte gäbe?
In einer Studie über den Vertrauensvorschuss für weibliche Führungskräfte in Krisensituationen der Lehigh University und der Queen’s University Belfast wurde herausgefunden, dass die Menschen in bestimmten Krisensituationen ein größeres Vertrauen in weibliche Führungskräfte haben, weil Frauen starke zwischenmenschliche Fähigkeiten praktizieren, die zu einer besseren Krisenbewältigung führen.
Die emotionale Auswirkung eines Problems reduzieren
Die Forscher*innen widmeten sich insbesondere der Frage des zwischenmenschlichen Emotionsmanagements, das Ängste und Bedrohungsgefühle während einer Krise lindert, indem es die Gefühle anderer vorhersieht und dadurch bewältigt. Der Kern eines solches Verhaltens liegt darin, dass es die emotionale Auswirkung eines Problems reduziert. Die Aufmerksamkeit wird zum Beispiel auf etwas Angenehmeres gerichtet, es werden die positiven Aspekte einer Situation hervorgehoben. All diese Aspekte sind von zentraler Bedeutung, wenn Führungskräfte Vertrauen schaffen oder wiederherstellen müssen, das oft im Krisenfall verloren geht.
„Politikerinnen sind in der Coronapandemie die besseren Krisenmanager.“ Davon ist die Publizistin Tanja Dückers überzeugt. Denn im Gegensatz zu Alphatieren wie Trump und Boris Johnson sind Merkel und Co. bereit, Expertenrat anzunehmen. Es fällt auf, dass fünf von Frauen gelenkte Länder ein vergleichsweise gutes Krisenmanagement beweisen. Die Länder sind: Deutschland, Finnland, Dänemark, Neuseeland und Taiwan.
Frauen hören eher auf den Rat anderer
Die eher niedrige Mortalitätsrate der genannten von Frauen angeführten Länder ist unbestritten. Ein wesentlicher Grund dafür sei, dass in diesen Ländern auffallend viele unterschiedliche Informationsquellen berücksichtigt würden, argumentiert die US-Journalistin Amanda Taub in ihrem Essay in der New York Times. Expert*innen aus unterschiedlichsten Fachrichtungen werden eingeladen, angehört, um Rat gebeten. Die weiblichen Regierungschefs seien bereit, sich Einschätzungen Dritter anzuhören. Das sei der einzige Weg, um Gruppendenken und hieraus resultierende Betriebsblindheit zu vermeiden.
Wichtige Entscheidungen seien bei ihnen keine „Ein-Frau“-Entscheidungen gewesen, sondern durch Dialog entstanden. Auch in Deutschland: Die von Angela Merkel eingeladenen unterschiedlich positionierten Berater*innen und gesellschaftlichen Akteur*innen werden explizit erwähnt. Das genaue Gegenteil seien Trump und Johnson gewesen, die nicht auf Menschen hören wollten, deren Meinungen ihnen nicht opportun erschienen.
Autoritärer Führungsstil hilft oft nicht weiter
Dabei seien kraftvolles, aggressives Auftreten und die Suggestion von Angstfreiheit bisher stets mit Führungsstärke gleichgesetzt worden, so Alice Evans, Soziologin am King’s College in London. Diese tradierte Vorstellung eines „autoritär-energischen“ Führungsstils hat es Frauen in der Politik stets schwergemacht, wenn sie nicht in der Lage waren, „typisch männliche“ Verhaltensweisen erfolgreich zu adaptieren.
Möglicherweise entsteht für Regierungschefinnen nun aus einem bisherigen Nachteil ein Vorteil. Denn sie müssen nicht erst ein gängiges, aber erfolgloses Verhaltenskorsett ablegen, um diesem Feind zu begegnen.
Krisenresistenter durch vorausschauende Planung bereits im Gründungsprozess
Frauen gründen zwar seltener als Männer, aber nicht weniger erfolgreich. Frauenunternehmen haben genauso gute Erfolgschancen wie Start-ups von Männern. Gründer*innen stehen sehr positiv zur eigenen Selbständigkeit, lernen gerne Neues dazu und sind entschlossen, auftretende Probleme zu lösen. Sie organisieren sich gerne in Netzwerken und stehen dabei im regen Austausch mit anderen Gründer*innen. Obwohl Frauen beim Gründungsverhalten eher vorsichtig sind, kann ihnen diese Vorgehensweise gerade in Krisenzeiten zugutekommen. Frauen gründen risikobewusster, ihre Unternehmen sind seltener auf schnelles Wachstum ausgelegt. Nicht selten halten Frauen ihr Unternehmen in kleinen Dimensionen, um flexibel zu bleiben. Sie planen Alternativen, denken vorausschauend und ganzheitlich. Viele nachhaltige und ökologische Gründungen gehen mittlerweile von Frauen aus.
Ein „weiblicher“ Führungsstil scheint also sowohl bei den „großen“ politischen Krisen als auch im Unternehmensbereich – ob groß oder klein – für alle Beteiligten von Vorteil zu sein. Die im Titel gestellte Frage kann also – bis zum Beweis des Gegenteils – mit „Ja“ beantwortet werden.
Inka Mühlbrandt
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