[Triggerwarnung: dieser Artikel beschäftigt sich mit dem Thema Abtreibungsverbot]
Nicht gänzlich selbst darüber bestimmen zu können, ob man ein Kind bekommt, oder nicht – dieser Albtraum hat sich für Polinnen jetzt noch verschärft. Von nun an ist es für sie nicht mehr nur schwierig, abzutreiben, sondern nahezu unmöglich. Am 22. Oktober entschied das polnische Verfassungsgericht, dass ein Fötus ausgetragen werden muss, auch wenn er schwere Fehlbildungen hat und es absehbar ist, dass ein totes Kind zur Welt kommen wird. Von nun an dürfen polnische Schwangere nur legal abtreiben, wenn das Leben der Mutter gefährdet ist und wenn die Schwangerschaft durch eine Vergewaltigung oder Inzest entstanden ist. Und das kommt nahezu einem Abtreibungsverbot gleich.
Gegen dieses Gesetz demonstrieren seit Oktober zehntausende Menschen in vielen polnischen Städten. Es werden Plakate in die Höhe gehalten, auf denen „Women just wanna have funDAMENTAL HUMAN RIGHTS“ oder „Ratujmy Kobiety“ (Retten wir die Frauen) zu lesen ist. Doch das hat die Regierung auch nicht mehr umgestimmt, im Gegenteil: die Polizei ging sogar mit Tränengas und Pfefferspray auf die Demonstrierenden los.
Somit hat Polen ein Gesetz verschärft, welches ohnehin schon zu den restriktivsten in Europa gehört. Schaut man sich die Gegenbeispiele Irland oder die Niederlande an, in welchen Abtreibungen unter bestimmten Bedingungen legal sind, stellt man fest, dass auch in Deutschland noch nicht alles getan ist. Denn bei uns gilt erstmal: Schwangerschaftsabbrüche sind strafbar und somit illegal.
Im Folgenden wird es kurz und knapp um die Gesetzgebung in Deutschland, die Geschichte des §218 und um die Lage in Bremen gehen. Es soll ein kleiner Überblick entstehen und wenn ihr mehr wissen wollt, könnt ihr gerne die weiterführenden Links anschauen.
Und wo steht Deutschland?
Nur, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt werden, kann eine straffreie Abtreibung in Deutschland durchgeführt werden. In §218 des Strafgesetzbuches sind diese Bedingungen festgeschrieben: erstens dürfen seit der Befruchtung nicht mehr als drei Monate vergangen sein, zweitens muss eine gesetzlich vorgeschriebene Beratung durchgeführt werden, drittens darf eine Abtreibung erst am vierten Tag nach der Beratung stattfinden und muss viertens von einem Arzt oder einer Ärztin durchgeführt werden.
Dass sich die deutsche Politik nicht gerade auf dem Vormarsch in Sachen Liberalisierung der Abtreibungsgesetzgebung befindet, hat der Streit um den §219a deutlich gezeigt. Die Ärztin Kristina Hänel wurde 2017 zu einer Geldstrafe von 6000 Euro verurteilt, da sie auf ihrer Internetseite darauf hinwies, dass sie Schwangerschaftsabbrüche durchführt und bei Bedarf Material versendet. Das verstieß gegen den §219a des Strafgesetzbuches, welcher die Werbung für einen Schwangerschaftsabbruch verbietet, sofern dies zum Vermögensvorteil der Ärzt*in geschieht.
Doch statt den Paragraphen gänzlich abzuschaffen, wurde Anfang 2019 lediglich eine Ergänzung vorgenommen: seitdem dürfen Ärzt*innen öffentlich verbreiten, dass sie Abtreibungen vornehmen, jedoch ist das Informieren über die Methoden und die Angebote noch immer verboten. Trotzdem wurde im September 2019 die Verurteilung von Kristina Hänel bestätigt, woraufhin sie Revision einlegte. Sollte die Revision verworfen werden, so strebt sie eine Verfassungsbeschwerde an, um prüfen zu lassen, ob der §219a mit dem Grundgesetz vereinbar ist – denn mit der kleinen Änderung des §219a möchte sie sich nicht zufriedengeben.
Die Stern-Aktion „Ich habe abgetrieben“
Doch wie kamen eigentlich die ersten Gesetzesänderungen bezüglich der Abtreibungsgesetzgebung zustande?
Die Frauenbewegung erlebte Ende der 60er Jahre einen Aufschwung, da die Frauen das asymmetrische Geschlechterverhältnis nicht länger hinnehmen wollten und nicht einsahen, dass Schwangerschaftsabbrüche ohne Ausnahmen verboten waren. Die Kampagne gegen §218 fand ihren aufsehenerregenden Anfang mit der Stern-Aktion „Ich habe abgetrieben“. 374 Frauen bekannten sich öffentlich mit ihrer Unterschrift dazu, dass sie ihre Schwangerschaft abgebrochen hatten. Alice Schwarzer war die treibende Kraft hinter der Aktion, welche die Idee bei den Französinnen gesehen hatte und 1971 auch in Westdeutschland umsetzte. Ungeachtet der sozialen Ächtung haben diese Frauen den Tabubruch gewagt – unter ihnen auch bekannte Persönlichkeiten, wie zum Beispiel Romy Schneider.
Infolge der Kampagne schlossen sich immer mehr Frauen der Initiative „Aktion 218“ an, welche in verschiedene Aktionsgruppen gegliedert war. Das Besondere an der Bewegung war, dass sich nicht nur die jungen Studierenden, sondern auch Hausfrauen, Mütter und berufstätige Frauen engagierten. Zwar haben sie ihr Ziel, die Abschaffung des §218, nicht vollständig erreichen können, doch immerhin gab es 1976 eine Gesetzesänderung. Von nun an galt die Fristenlösung, nach welcher in bestimmten Situationen innerhalb von drei Monaten noch abgetrieben werden konnte. Die darauffolgende Gesetzesänderung ereignete sich 1995, nachdem Deutschland vereint wurde und eine Kombination aus der ostdeutschen und westdeutschen Gesetzgebung gefunden werden musste. Seit 25 Jahren hat sich in der Gesetzeslage nicht mehr viel getan, doch es wird langsam Zeit für eine Veränderung.
Zur Lage in Bremen
In Bremen scheint sich zumindest etwas zu regen. Im September 2020 hat die Bürgerschaft beschlossen, dass die Möglichkeiten für einen Schwangerschaftsabbruch im Land Bremen verbessert werden sollen. Der Senat soll in den Augen der Bürgerschaft unter anderem alles daransetzen, dass in Bremen und Bremerhaven die Möglichkeit besteht, eine Schwangerschaft abzubrechen, und dass ein*e Mediziner*in in der Ausbildung künftig lernt, Schwangerschaftsabbrüche durchzuführen. Momentan wird in einem Medizinstudium oder einer gynäkologischen Facharztausbildung nämlich kein Wort über das medizinische Verfahren einer Abtreibung verloren. Außerdem fordert sie vom Senat, dass er sich für die bundesweite Abschaffung des §219a einsetzt.
Jährlich werden in Bremen circa 2000 Abtreibungen vorgenommen, wovon 75 Prozent von der Organisation ProFamilia durchgeführt werden. ProFamilia bietet außerdem Beratungen zu den Themen Sexualität, Verhütung und Schwangerschaft(-sabbruch) an. Eine Ärztin, die bei ProFamilia tätig ist, bemängelt, dass es immer noch zu wenig Ärzt*innen gibt, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen. Sie hätten Angst vor der Stigmatisierung und vor einer Strafverfolgung – denn gesetzlich ist ein Schwangerschaftsabbruch in Deutschland ja erst einmal strafbar. Die Abtreibungsversorgung ist vor allem auch deshalb gefährdet, weil die Ärzt*innen-Generation aus den 70er Jahren nach und nach in Rente geht und keine neuen geschulten Ärzt*innen nachkommen. Da kann man nur hoffen, dass der Senatsbeschluss dazu beiträgt, dass künftig mehr Ärzt*innebn Schwangerschaftsabbrüche durchführen.
Solidarität zeigen
Jetzt ist es jedoch wichtig, Solidarität mit all jenen Frauen zu zeigen, für die ein Schwangerschaftsabbruch in nahezu unerreichbare Ferne gerückt ist.
In Bremen gab es zum Beispiel im November bereits zwei Demonstrationen aus Solidarität mit den Polinnen. Und auch zum internationalen Safe Abortion Day wurde in Bremen eine Demonstration organisiert. Seit 1990 findet er jedes Jahr am 28. September statt und macht darauf aufmerksam, dass es überall einen sicheren, kostenfreien und entkriminalisierten Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen geben sollte und dass weltweit jährlich etwa 47.000 Frauen an unsauber durchgeführten Abtreibungen sterben.
Zum Schluss kann gesagt werden, dass sich niemand Sorgen machen sollte, dass eine Schwangere leichtfertig abtreibt – für sie ist es nämlich mit Sicherheit eine der schwersten Entscheidungen, die sie je zu treffen hat. Und wenn sie sich für eine Abtreibung entscheidet, dann wird das seine Berechtigung haben. Denn wer sonst, als die Schwangere selbst, hat das Recht zu entscheiden, ob sie in der Lage ist, ein Kind groß zu ziehen?
Frida
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