#MeToo und #MeTwo haben letzten Monat ein Geschwisterchen namens #MenAreTrash bekommen. Dabei handelt es sich allerdings nicht um ein Nesthäkchen, denn schon jetzt verursacht der jüngste Hashtag viele aufgepeitschte Emotionen im Netz. Ganz nach dem Vorbild seiner großen Geschwister, sorgt #MenAreTrash für zahlreiche Artikel und gespaltene Meinungen.
Doch was wirklich hinter den drei Worten mit der Raute steckt und welche Meinungslager rund um den Protest-Tag entstanden sind, möchte ich euch im folgenden Artikel erklären.
Zu Deutsch bedeutet „MenAreTrash“: Männer sind Müll. Diese Aussage wirkt zunächst wie ein unpräziser Faustschlag gegen jeden Mann. Dabei hatte die Erfinderin Rufaro Samanga eine sehr fokussierte Absicht: Sie wollte mit dem Hashtag auf eins der größten Probleme Südafrikas aufmerksam machen. Neben hoher Kriminalität und Arbeitslosigkeit kämpft das Land mit starker Gewalt gegen Frauen. Nirgendwo auf der Welt werden so viele Frauen durch ihren Partner ermordet, wie in Südafrika.
Auch die 22 Jahre alte Karabo Mokoena erlitt dieses Schicksal. Sie wurde von ihrem Partner ermordet, anschließend verbrannte und verscharrte er ihre Leiche. Die Bloggerin Rufaro Samanga bewegte dieser Fall so sehr, dass sie den Hashtag initiierte, um das Thema Gewalt gegen Frauen in die Öffentlichkeit und ins Bewusstsein der Menschen zu zerren. In diesem Kontext blieb er jedoch außerhalb Südafrikas eher unbeachtet.
Der Protest-Tag erobert die deutsche Twitter Community
Seit August entdeckte die deutsche Journalistin Sibel Schick #MenAreTrash für sich. Damit erlangte er zumindest in der deutschen Twitter Community an Aufmerksamkeit.
Alles begann mit Sibel Schicks Tweet „Es ist ein strukturelles Problem, dass Männer Arschlöcher sind.“
Daraufhin antwortet die deutsche Sozialwissenschaftlerin und Autorin Jutta Ditfurth mit dem Post: „In Verteidigung meines Freund*innenkreises (Weiße, Schwarze und PoC) möchte ich bitte von allen blockiert werden, die dem verlinkten Satz zustimmen.
So 1 identitäre, antiemanzipatorische, regressive Sackgasse ist in Zeiten des rechten Aufmarsches nichts, was Minderheiten hilft um ihrer Meinung gegenüber diesem Hashtag Ausdruck zu verleihen“. Viele Menschen schlossen sich ihrer Meinung an.
Statt plump zurück zu twittern, beantwortet Sibel Schick die Kommentare lieber in lyrischer Form. Für das Missy Magazin schrieb sie das Gedicht Männer sind Arschlöcher:
Von Sibel Schick
Der eine ist schön, der andere heiß,
Auch der Süßeste davon beißt.
Denn es ist ein strukturelles Problem,
Dass Männer Arschlöcher sind.Ich kenne Männer, die sind voll okay,
Aber auch die können so nerven, ey.
Der eine lügt, der andere ist laut,
Gibt nicht mal zu, wenn er Scheiße baut.Ich habe Kumpels, verliebt war ich auch mal.
Wenn du mich fragst, mach ich’s noch mal.
Auch der Netteste profitiert vom Arschlochsein,
Und setzt sich nicht gegen das Patriarchat ein.Süße nette Männer, die mir zuhören,
Nicken brav zu und sagen: „Ich würd gern lernen.“
Mach doch weiter, es dauert nicht lange,
Bis er sagt: „Du gibst zu viel Kante.“Fühlt sich ein Mann von dir bedroht,
Spricht er dir die Erfahrung ab.
Wer von meiner Existenz beleidigt wird,
Dem klatsch ich gern eine rein.Einzelne Männer sind schon ganz okay,
In Gruppen wird’s schwierig.
Denn es hat System und Struktur,
Dass Männer Arschlöcher sind.Du sagst: „Nicht alle Männer sind gleich.“
Ich sage: „Ist das nicht irrelevant vielleicht?“
Denn es ist ein strukturelles Problem,
Und ja, es ist kein individuelles Problem,
Und nein, es geht nicht um Ausnahmen,
Denn es ist ein weltweites Phänomen,
Dass Männer Arschlöcher sind.
Damit reimt sie sich ihre eigene Sichtweise zusammen: „Solange ein Problem strukturell ist, kann es nicht individuell gelöst werden. Da können einzelne Männer noch so okay sein“ und rechtfertigt so die pauschale Aussage des Hashtags.
Die verschiedenen Meinungslager
Im Fall MenAreTrash gibt es ganz klare Fronten:
Neben Sibel Schick, gibt es weitere, die sagen, dass Männer Gewalt gegenüber Frauen ausüben und dies stillschweigend hingenommen wird. Der Hashtag verleiht diesem Missstand lediglich Ausdruck und ist deswegen gerechtfertigt. Sie sind die Anhänger des Hashtags, die weder Aussage noch Pauschalisierung für verwerflich halten.
Ihnen gegenüber stehen die Gegner des Hashtags. Sie verurteilen ihn dafür, dass er eben pauschalisierend und dadurch so beleidigend ist.
https://twitter.com/whopullsthe/status/1029412518966566912?ref_src=twsrc%5Etfw
Darunter sind natürlich viele Männer, die sich durch den Hashtag als Vergewaltiger und Mörder abgestempelt fühlen. Auch einige Frauen stimmen dieser Aussage zu. Ihrer Meinung nach ist es ungerecht zu behaupten, dass alle Männer Gewalt gegen Frauen ausüben würden. Sie richten sich gegen die Pauschalität des Hashtags.
Eine dritte Front urteilt nicht über den Hashtag an sich, sondern über die Diskussion, ob Männer durch ihn beleidigt werden oder nicht und wie man dies rechtfertigen kann. Die wenigsten widmen sich dem eigentlichen Thema, nämlich Gewalt gegen Frauen. Schaut man sich die Tweets an, so bezieht sich ein Großteil der Inhalte, die mit #MenAreTrash enden, tatsächlich nur auf das Thema, ob Männer beleidigt werden oder nicht. Dabei ist die Intention des Hashtags, über das Thema Gewalt gegen Frauen zu reden und sich selber zu hinterfragen: Gibt es systematische Gewalt gegen Frauen und wenn ja, was könnte man dagegen tun?
Der Hashtag hat zwar endlich Aufmerksamkeit bekommen, das Thema für das er steht, jedoch nicht.
Einige Kritiker*innen möchten auf die Tatsache aufmerksam machen, dass es wieder nur um Männer geht. Das eigentliche Thema sei ihnen aus der Hand gerissen worden und wurde ummodelliert in eine Diskussion über die Empfindungen der Männer. Andere sehen in dem Hashtag einen Spiegel der Gesellschaft, der klar zeigt, wie entrüstet darauf regiert wird, wenn Frauen es wagen den Mund aufzumachen.
Folgen für den Feminismus
Auch hier spalten sich die Meinungen:
Die einen sehen in #MenAreTrash ein gefundenes Fressen für all jene Mäuler, die laut „Feministinnen sind doch alles Männerhasser“ schreien. Seit Jahren versucht der Feminismus, sich von diesem lästigen Image zu befreien.
Ein Hashtag, der alle Männer als Abfall bezeichnet, ist tatsächlich wenig hilfreich. Egal wie man es dreht und wendet, es heißt nicht „Gewalttätige Männer sind Müll“ oder „Vergewaltigende Männer sind Müll“, sondern „Männer sind Müll“ und das impliziert erstmal alle. Da reicht es auch nicht, wenn man argumentiert mit „Wer nichts gemacht hat, braucht sich nicht angesprochen fühlen“. Gerade eine Bewegung, die sich an Sätzen wie „Weiber sind doch alle gleich“ aufreibt, sollte dies vielleicht nicht aufs andere Geschlecht übertragen und als Hashtag propagieren.
Die anderen sehen in dem Hashtag einen gerechtfertigten Weckruf. Egal ob er nun Männern gegenüber beleidigend ist oder nicht, eins machte #MenAreTrash deutlich: Hauptsächlich geht es erstmal wieder nur um die Männer.
Laut dem Frauen gegen Gewalt e.v. haben 40% der Frauen in Deutschland seit ihrem 16. Lebensjahr körperliche und/oder sexuelle Gewalt erlebt. 25% erlitten Gewalt durch aktuelle oder frühere Beziehungspartner (häusliche Gewalt), je nach Gewaltform haben 56% bis 80% der Betroffenen psychische Folgebeschwerden davongetragen wie zum Beispiel: Schlafstörungen, Depressionen, erhöhte Ängste etc. Bei #MenAreTrash ging es um genau diese schockierenden Zahlen. Er wollte auf einen Missstand aufmerksam machen, der teilweise zum Alltag geworden ist. Statt sich dem Schicksal der Frauen zu widmen, diskutieren die meisten lieber darüber, wie es den Männern mit dem Hashtag geht.
Was für Feminist*innen einst die Flugzettel und Plakate waren, ist heute der Hashtag. Darum ist es die Aufgabe des Feminismus, die eigentliche Aussage des Hashtags zu bestärken und zu verhindern, dass davon abgelenkt wird. Fakt ist: #MenAreTrash ist zwar ein pauschaler Faustschlag gegenüber den Männern, der ihnen aber nicht weh tut, im Gegensatz zu denen, die Frauen bei Häuslicher Gewalt erleiden müssen. Es kann nicht sein, dass so ein wichtiges Thema im Schatten von gekränkten Männeregos steht.
Egal welche Meinung Ihr zu #MenAreTrash habt, haltet die Augen offen und macht euch das Thema Gewalt gegen Frauen bewusst. Denn nur so können wir Betroffenen helfen.
Josephine Struckmeier
Ronja meint
Vor Kurzem lief (und läuft noch) in den USA eine Umfrage, was Frauen machen würden, wenn ab 21 Uhr Männer nicht mehr auf die Straße dürften: Die Antworten lohnen sich zu lesen (ist auf Twitter zu verfolgen). Die Ergebnisse zeigen, wie tief Angst sitzt, wie sehr und kaum noch individuell bemerkt eine Zurücknahme von Wünschen stattfindet – in der unbewussten Erwartung, angebaggert zu werden. Und damit gibt es keine allgemeine Verhaftung aller Männer, keine generelle Schublade – nein. Aber nachdenkenswert und nachfühlenswert sind die Aussagen allemal.
Tina meint
Danke für den guten und informativen Artikel, Josephine!
Er ist angenehm sachlich, reflektiert und bringt sorgfältig alle Argumente zur Sprache. Wie du am Ende zusammenfasst, ist in meinen Augen der Hashtag eine Sackgasse, die weder Frauen noch Männer weiterbringt. Denn die große Mehrheit aller Frauen wird es weiterhin mit Männern zu tun haben und muss ein Interesse daran haben, dass sich das Verhältnis zu ihnen gewaltloser und friedlicher entwickelt als bisher und nicht in Sprachlosigkeit mündet, die eine Entwicklung zum Besseren verhindert. Wenn ich jemand oder eine Gruppe von Menschen als Müll bezeichne, rede ich nicht mehr mit ihnen!