Inhaltswarnung: Sexismus, psychische Erkrankungen, sexualisierte Gewalt
Das Patriarchat oder auch die Männergesellschaft, beinhaltet viele Faktoren, die eine instabile psychische Verfassung begünstigen können. Geschlechterrollen, Sexismus, Machtunterschiede und fehlende Diagnosen sorgen dafür, dass die psychische Gesundheit von FLINTA* – aber auch von cis Männern, gefährdet ist. Es ist wichtig, auf die patriarchalen Gegebenheiten hinzuweisen, denn diese prägen die mentale Gesundheit der Menschen. Damit es zu einem geschlechtergerechten Gesundheitssystem kommen kann, müssen die Ungerechtigkeiten, die vorhanden sind, aufgedeckt und hinterfragt werden.
Diagnose weibliche Hysterie
Die Probleme von weiblich gelesenen Personen werden häufig nicht ernstgenommen. Neben den physischen Symptomen wird oft auch den psychischen Symptomen keine Beachtung geschenkt. Gerne bedienen sich Menschen dann an Aussagen wie zum Beispiel: „Du hast einfach nur deine Tage“. Dass eine weiblich gelesene Person aber ernstzunehmende psychische Probleme haben kann, wird dabei überhaupt nicht beachtet. Viel lieber werden sie als zickig, verrückt oder hysterisch abgestempelt. Früher galt die Hysterie übrigens ausschließlich als „Frauenkrankheit“.
Geschlechterunterschiede bei Diagnosen
Weiblich gelesene Personen werden häufig mit Essstörungen oder mit der Boderline-Persönlichkeitsstörung diagnostiziert – männlich gelesene Personen mit Suchterkrankungen, Autismus und ADHS. Tatsächlich ist es so, dass beispielsweise die Autismusdiagnose bei weiblich gelesenen Personen häufig unerkannt bleibt, weil für sie andere Diagnosekriterien gelten als für männlich gelesene Personen. Gleichzeitig leben wir in einer Gesellschaft, in der psychische Krankheiten enorm von binären Geschlechterrollen geprägt sind. Mit Essstörungen verbinden viele Menschen automatisch Frauen und mit ADHS Männer. Dabei sind die Krankheiten nicht auf ein Geschlecht begrenzt. Sie sind zudem nicht nur in binären Geschlechterrollen vorzufinden. Wenn psychische Krankheiten durch Geschlechterrollen stigmatisiert werden, dann führt das dazu, dass Symptome und das psychische Leiden von manchen Menschen nicht ernstgenommen werden. Vor allem Menschen, die sich keinem Cisgender/ binärem Geschlecht zuordnen, fallen dann aus sämtlichen Diagnosekriterien und bekommen wohlmöglich keine ausreichende Hilfe.
Geschlechterrollen können die mentale Gesundheit gefährden
Gesellschaftlich vorgegebene Geschlechterrollen können zu einer instabilen mentalen Gesundheit führen. Sie setzen Menschen unter Druck und rauben ihnen die Freiheit, sich zu entfalten. Menschen werden damit in eine Form gepresst, die ihnen womöglich gar nicht gefällt. Ein gutes Beispiel dafür ist die toxische Männlichkeit: Sie führt dazu, dass männlich gelesene Personen keine Gefühle zeigen dürfen. Das sorgt dafür, dass sie Aggressionen entwickeln können, weil sie ihrer restlichen Gefühlswelt keinen Raum gegeben werden darf. Gefühle dauerhaft zu unterdrücken macht krank. Es wurde sogar festgestellt, dass 76 Prozent aller Suizide, die im Jahr 2019 in Deutschland durchgeführt wurden, auf Männer zurückzuführen sind. (Quelle:https://feminismuss.de/psychische-gesundheit-und-feminismus/ )
Das patriarchale Bild von weiblich gelesene Personen ist ebenso gefährlich. Oft wird ihnen Schwäche und Passivität zugeschrieben. Gleichzeitig werden sie unter Druck gesetzt, dass sie ein bestimmtes äußeres Erscheinungsbild vorweisen müssen, um den gesellschaftlichen Anforderungen zu entsprechen. Frauen werden zudem häufig als „überemotional“ dargestellt, jedoch wird ihnen gleichzeitig abgesprochen, Wut zu empfinden. Wut und Aggressionen sind nämlich männlich konnotiert. Das bedeutet, dass ein richtiger und intuitiver Umgang mit Emotionen für alle Menschen zunichte gemacht wird, denn das Geschlecht wird als Maßstab dafür verwendet, wie eine Person mit Emotionen umgehen darf.
Außerhalb der Heteronormativität = krank?
Im Patriarchat wird die heteronormative Perspektive als das einzig Richtige angesehen. Jeder Mensch, der abseits dieser Heteronormativität lebt, wird schnell pathologisiert. So galt die Homosexualität sehr lange als eine Krankheit, die therapiert werden muss. Im Volksmunde wird noch heute zu lesbischen Frauen gesagt „die hat nur noch nicht den Richtigen gefunden“. Gegebenheiten, die nicht heteronormativ und cisgender sind, werden also häufig als falsch und krank bezeichnet. Jedoch ist es so, dass Menschen erst krank werden, wenn sie als „nicht normal“ bezeichnet werden. Wenn mensch ständig damit konfrontiert wird, dass die Gesellschaft eine*n als außerhalb der Norm abstempelt, so besteht die Gefahr, dass das Selbstwertgefühl leidet. Zudem führt der Druck dazu, dass betroffene Personen in eine Abwertsspirale von psychischen Krankheiten geraten können.
Datenlagen sind binär
Des Weiteren orientieren sich auch Datenlagen über psychische Erkrankungen an den binären Geschlechterrollen. Das führt dazu, dass es fehlende wissenschaftliche Datenlagen darüber gibt, wie Betroffene sich fühlen, die beispielsweise nicht-binär sind. Das hat zur Folge, dass psychische Erkrankungen bei Menschen außerhalb der binären Geschlechtsordnung nicht wahrgenommen werden. Somit erfahren sie dann auch keine ausreichende Hilfe.
Sexismus und die Folgen für die Psyche
Sexismus führt dazu, dass sich FLINTA* nicht mehr sicher fühlen und Ängste entwickeln. Schon kleinen Kindern wird gesagt, dass sie nicht alleine draußen rumlaufen sollen und aufpassen müssen, dass ihnen nichts passiert. Weiblich gelesenen Jugendlichen erklärt mensch, dass sie sich nicht zu freizügig kleiden sollen, um die Gefahr zu vermeiden, sexualisierte Gewalt durch hetero cis Männer zu erfahren. Es prägt sich also eine große Angst davor ein, dass in der Außenwelt Gefahren lauern. Wenn Mädchen erklärt wird, dass sie sich an bestimmte Kleiderordnungen halten müssen, damit sie nicht zu „aufreizend“ aussehen, werden sie objektiviert und können sich selbst die Schuld dafür geben, dass sie sexualisiert werden. Dabei sind sie durch bestimmte Kleidungsstücke und auch generell keinesfalls die Schuldigen.
„Ebenso wurde festgestellt, dass sexistische Erfahrungen mit den drei häufigsten psychischen Erkrankungen von Mädchen und Frauen in Zusammenhang stehen: Essstörungen, depressiven Verstimmungen und manifesten Depressionen.“ (Gemeinsam gegen Sexismus)
Sexismus macht krank! Und zwar vor allem FLINTA*, denn diese sind am häufigsten Betroffene davon. Sexismus kann überall auftreten: So gibt es viele FLINTA*, die beispielsweise am Arbeitsplatz oder in Schulen Sexismus erfahren. Es macht den Alltag zunichte und reduziert das Selbstbewusstsein von FLINTA*, was wiederum das Risiko für psychische Erkrankungen erhöht.
Gewalt und daraus resultierende Traumata
Frauen leiden häufiger an prosttraumatischen Belastungsstörungen als Männer. Sie erleben häufiger sexualisierte Gewalt und als Folge einer solchen Erfahrung ist ein Trauma keine Seltenheit.
„Dänische Forscher analysierten Daten früherer Studien von 6.548 Teilnehmern mit posttraumatischen Belastungsstörungen und stellten fest, dass die totale Prävalenz der PTBS bei 21,3 Prozent lag. Die Störung war zweimal häufiger bei Frauen verbreitet als bei Männern.“ (psylex)
Leider ist es so, dass die Erkrankung bei vielen Frauen unbekannt bleibt. Die Frauen, die selbst davon betroffen sind, bemerken die Erkrankung häufig nicht, da sie eher darauf bedacht sind, die Ursache ihrer Probleme bei sich selbst zu finden. Sie gehen oft nicht davon aus, dass jemand anderes für ihr Leid verantwortlich ist und es ihnen angetan hat. (Quelle: https://flonchi.org/de/ptbs-symptome-bei-frauen-unbemerkt-und-nicht-diagnostiziert/ )
Als häufigste Ursache für eine posttraumatische Belastungsstörung kann die Vergewaltigung genannt werden. Die meisten Opfer einer Vergewaltigung sind weiblich gelesene Personen. (Quelle: https://de.abeachreefmotel.com/why-mental-health-is-feminist-issue )
Diagnose Patriarchat
Es ist eindeutig: das Patriarchat beinhaltet Gefahren für die psychische Gesundheit von allen Menschen. Diskriminierungen und Gewalt sorgen dafür, dass vor allem FLINTA* besonders gefährdet sind, im Patriarchat zu leiden. Um diesem entgegenzuwirken, muss angefangen werden, abseits von binären Geschlechterordnungen gedacht zu werden. Nicht nur Männer und Frauen sollten als Maßstab für Diagnosekriterien genommen werden, sondern alle Menschen – egal welcher Herkunft, welchen Alters, welcher Hautfarbe und welchen Geschlechts.
Maria
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