Die EU kommt beim Thema Gleichstellung nur langsam voran
Ende dieses Jahres läuft die Gleichstellungsstrategie der Europäischen Kommission aus. Laut Aussagen derselben will sie Ende 2015 eine neue Strategie für den Zeitraum von 2016 bis 2020 vorlegen. Doch echtes Engagement sieht anders aus. Die bisherige „Strategie für die Gleichstellung von Frauen und Männern 2010-2015„ wurde 2010 von der Europäischen Kommission adaptiert. Sie enthält gleichstellungspolitische Schwerpunkte, wie gleiche Löhne für gleichwertige Arbeit oder das Stoppen geschlechterspezifischer Gewalt. Zu jedem Schwerpunkt sind mehrere Leitaktionen aufgeführt, die von der Kommission umgesetzt werden sollten.
Fehlendes Engagement in der Europäischen Union
Bisher lässt die Kommission jedoch Engagement zugunsten einer neuen Strategie vermissen. Zwar veranstaltete sie Ende April ein Forum zur Zukunft der Geschlechtergerechtigkeit und startete ein bis Ende Juli laufendes Konsultationsverfahren, um das Interesse und bestehende Mängel in der Gleichstellung in der Bevölkerung abzufragen. Doch ist allein die Frage, wie groß das Interesse am Thema Gleichstellung ist, schon ein Anzeichen dafür, dass die Kommission sich die Mühe am liebsten sparen möchte. Auch die bayerische Sozialdemokratin Maria Noichl bemängelte das fehlende Engagement der Kommission. Der Weser Kurier vom 10. Juni 2015 zitierte sie: „Auf den Gängen hört man, dass die Kommission am liebsten gar keine Gleichstellung mehr will.“ Die Prioritäten lägen eher bei der Förderung des Wachstums und der Steigerung der Beschäftigung in der Europäischen Union.
Aber nicht nur in der Kommission schwächelt das Thema. Das Europäische Parlament hat am 09. Juni 2015 eine Resolution, basierend auf einen von Maria Noichl vorgestellten Bericht, angenommen, in dem klarere Zielvorgaben und konkretere Maßnahmen zur Gleichstellung gefordert werden. Die Resolution wurde zwar angenommen, aber nur mit knapper Mehrheit. Für weitere Informationen findet ihr hier die Pressemitteilung des Europäischen Parlaments zur Resolution mit Forderungen und hier den von Maria Noichl vorgelegten Bericht. Bis zuletzt hatten die konservativen Parteien versucht, die Resolution zu verhindern und hatten einen Ersatzbericht unterbreitet. In diesem wäre vor allem das Recht auf Abtreibung nicht enthalten gewesen, welches die EVP Fraktion strikt ablehnt. Angelika Niebel, Vorsitzende der CSU-Gruppe im Parlament, ist laut einer Pressemitteilung auf ihrer Website der Meinung, dass die Resolution z.B. beim Thema Abtreibung in die Gesetzgebungskompetenzen der Länder eingreifen würde und somit das Subsidiaritätsprinzip verletzen würde. Dieser Widerstand gegen eine von der EU zumindest partiell vorgegebene Gleichstellungspolitik ist jedoch nicht neu.
Auch die ehemalige Bundesfamilienministerin Kristina Schröder wehrte sich 2012 gegen eine von der EU vorgegebene Frauenquote und warb für ihre Flexiquote. Widerstand kam auch von anderen Mitgliedsstaaten, wie Schweden, Dänemark, Großbritannien, die Niederlande, Polen oder Tschechien. Diese Staaten wollen ihre Politik zur Gleichstellung nicht von der EU bestimmen lassen. Gleichzeitig übte die Wirtschaftslobby Anfang des Jahres Druck auf die Kommission aus, noch ausstehende EU-Richtlinien wie z.B. zur Gleichstellung von Männern und Frauen nicht anzunehmen.
Ziele sind noch längst nicht erreicht
Dabei beweist gerade wieder der Artikel des Independent “Pay gap between men and women means female bosses work 57 days a year ‚for free‘” vom 25. August, dass eine Fortsetzung der Gleichstellungsstrategie notwendig ist. In diesem wurde aufgeführt, dass weibliche Führungskräfte in Großbritannien im Vergleich zu ihren männlichen Kollegen 57 Tage im Jahr ohne Bezahlung arbeiten würden. Auch Minister*innen diverser Staaten, unter ihnen Bundesministerin Manuela Schwesig, setzten sich Anfang Juni in einem offenen Brief an die zuständige EU-Kommissarin für Justiz, Verbraucher*innen und Gleichstellung Věra Jourová dafür ein, eine neue umfassendere Gleichstellungstrategie zu adaptieren. Sie kritisierten, dass viele gesteckte Ziele und Maßnahmen noch nicht erreicht seien. Durch die Resolution des Europäischen Parlamentes wird nun (hoffentlich) der Druck auf die Kommission erhöht, eine neue Strategie für die Zeit nach 2015 vorzulegen und umzusetzen.
Lisa Dean
Schreibe einen Kommentar