„Regretting motherhood“, also zu bereuen, Mutter geworden zu sein, ist immer noch ein Tabuthema, wie wir bereits an anderer Stelle berichteten. Ausgangspunkt war die gleichnamige Studie der Israelin Orna Donath. Trotz großer Liebe zu ihren Kindern, so die Studie, würden einige Frauen sich, wenn sie die Zeit zurückdrehen könnten, gegen Kinder entscheiden. Die Soziologin und Autorin Christina Mundlos stellte nun auf dem Frauenpolitischen Sommerfest am 17. August im Forum Kirche ihre Studie aus dem deutschsprachigen Raum dazu vor.
„Regretting motherhood“ – Erfüllung nur in der Mutterschaft?
Dass Frauen in einem bestimmten Alter Mütter werden, ist nach wie vor die gesellschaftliche Norm. Kinderlos zu bleiben, egal aus welchen Gründen, wird als bewusste Entscheidung gegen diesen Normalzustand wahrgenommen. Frauen erleben oft Druck aus ihrem Umfeld. Mit fortschreitendem Alter werden sie häufig mit der Frage konfrontiert, ob sie denn keine Kinder bekommen möchten. „Die biologische Uhr tickt! Du wirst es bereuen, wenn es zu spät ist!“
Die Meinung, dass Frauen nur als Mutter wahre Erfüllung finden, ist in vielen Köpfen präsent. Schließlich ist Muttersein doch das größte Glück, das es gibt. Dass dieser Mythos von der immer glücklichen, zufriedenen Mutter nicht der Realität entspricht, zeigen die Studien von Donath und Mundlos.
Vollzeitjob Mutter – auch neben dem Beruf
Kinder bereichern das Leben – ihre Erziehung kann aber auch stressig und ermüdend sein. Eltern zu sein bedeutet Verantwortung und das 24 Stunden am Tag, 365 Tage im Jahr, ohne Pause, ohne Urlaub. Besonders Frauen haben es schwer. Nach der Geburt des Kindes, so Mundlos, etablierten sich in Partnerschaften häufig wieder traditionelle Rollenverteilungen. Im Konkreten bedeutet das, dass Haushalt und Kindererziehung den Müttern zufallen. Auch bei einer Aufteilung der Aufgaben auf beide Elternteile übernehmen Frauen meist die Rolle der Organisatorin. Von außen wird sie meist als Verantwortliche für das Kindeswohl wahrgenommen.
Berufstätige Frauen tragen oftmals eine Doppelbelastung. Der Wiedereinstieg in den Beruf ist die erste Hürde. Frauen, die den Wiedereinstieg trotzdem schaffen, müssen bald erkennen, dass die Vereinbarkeit von Kind und Karriere schwieriger ist, als erwartet. Wenn Betreuungsangebote fehlen, können auch finanzielle Schwierigkeiten aufkommen. Sie sind nicht mehr so flexibel in ihren Arbeitszeiten. Frauen, die vor ihrem Mutter-Dasein berufsorientiert gelebt haben, sind oft enttäuscht. Sie haben das Gefühl weder ihrem Kind, noch der Arbeit gerecht werden zu können. Hier wird die Diskrepanz von Muttermythos und Realität besonders deutlich.
Konkurrenzsituation
Hinzu kommt noch die Konkurrenz der Mütter untereinander. Die vermeintlich perfekte Mutter sitzt in jedem Elternbeirat, backt Kuchen für jeden Anlass und bastelt stundenlang Schultüten und Geburtstagsparty-Accessoires. Wird dieser Anspruch nicht erfüllt, werden oftmals von anderen Müttern die Mutterqualitäten der jeweils anderen angezweifelt. Dies ist wiederum eine häufige Ursache für Schuld- und Minderwertigkeitsgefühle. Auch längere, externe Kinderbetreuung gelten weitverbreitet noch als „notwendiges Übel“ im Vergleich zur Ganztagsbetreuung durch die eigene Mutter. Ein Beispiel aus dem Publikum illustriert die zwei Extreme besonders anschaulich: Bei der Übergabe der Kinder in die Tagespflege, stehen sich die „gute Mutter“, die Zuhause bleibt und sogar noch weitere Kinder aufnimmt und die vermeintliche „Rabenmutter“ gegenüber.
In ihrer Analyse konnte Christina Mundlos zwei Gruppen von bereuenden Müttern ausmachen. Die eine Gruppe habe ihre Kinder vor allem aus gesellschaftlichem Zwang und Anforderung an ihre Rolle als Frau heraus bekommen. Die zweite Gruppe habe erst nach und nach gemerkt, dass sich die versprochene Glückseligkeit und die Gleichstellung der Partner innerhalb der Elternbeziehung als Illusion entpuppte.
Alternative Lebensentwürfe und Elternschaft
Dass es zwischen den zwei Polen „Frau geht in der Rolle als Mutter komplett auf“ und „Frau arbeitet viel und ist nebenher Mutter“ auch andere Modelle geben kann, bespricht Christina Mundlos gegen Ende ihres Vortrags. Damit alternative Modelle gesellschaftlich salonfähig werden können, bedarf es allerdings einiger gesellschaftlicher Veränderungen. Es mangelt beispielsweise an Hilfen für den Wiedereinstieg in einen Beruf auch nach fünf jähriger Elternzeit, Betreuungsplätzen (auch für Schulkinder) und längerem Vaterschaftsurlaub für alle direkt nach der Geburt. Ein schönes Beispiel für ein alternatives Modell und die Möglichkeit, wie auch Väter die Mutterrolle übernehmen können, zeigt uns Jochen König, über den an anderer Stelle bereits geschrieben wurde.
Mit dem Tabu brechen
Dass es außerdem einer generellen Sensibilisierung für das Thema bedarf, wird deutlich, als Christina Mundlos von der praktischen Durchführung ihrer Forschung zu „Regretting motherhood“ berichtet. Sie selbst sah sich Anfeindungen und Unverständnis aufgrund des Themas ausgesetzt und wurde oftmals verdächtigt, ihre eigene Mutterschaft zu bereuen. Eine „bereuende Mutter“ hat ein Buch über ihre Geschichte geschrieben und im Anschluss sogar Morddrohungen erhalten.
Das Thema dagegen ist keineswegs neu. Auch in den 1950er und 60er Jahren gab es unzufriedene Mütter. Diese wurden dann oftmals mit Valium ruhiggestellt. So blieb „Regretting motherhood“ ein Tabuthema und ist es auch noch heute, wie die Diskussionen, die sich seit einem Jahr an dem Thema entsponnen haben, zeigen. Die Notwendigkeit der kritischen Reflexion gesellschaftlicher Stereotype und Rollenverteilungen wird hier ganz deutlich.
Am 22. September startet der Film „Bad Moms“ in den Kinos, der sich auf amüsante Weise mit dem Thema auseinander zu setzen scheint. Hier der Trailer:
Rieke Bubert und Hannah Lena Puschnig
Meike meint
Wie ihr beschreibt, gibt es nicht die eine „Mutterrolle“ und ich denke, jede Mutter kann viele Rollen innehaben.
Und genau, auch Väter müssen eine Vielfalt an Väterrollen leben können.
Um hierfür einen weiteren Schritt zu gehen schlage ich vor, bei öffentlichen Vorreitern wie Jochen König nicht von einer Mutterrolle zu sprechen (denn damit ordnen wir doch eben dieser Idee von Mütterlichkeit wieder alle sorgenden Attribute zu, oder?), sondern ihn als das zu zeigen, was er ist: Ein Vater. Ein Vater, der Zeit mit seinen Kindern verbringt und Verantwortung übernimmt. Wow. Wenn wir hierfür jede Frau mit Kindern so prominent benennen würden – vielleicht würde das viele in ihren Rollen und Selbstverständnissen stärken? 😉
Ansonsten: Super wichtiges Thema, danke für den Beitrag!