Letzte Woche bekam der Stadtstaat Singapur eine neue Präsidentin: Halimah Yacob. Damit repräsentiert Halimah, 63, nicht nur Frauen in Singapurs politischer Elite, sondern auch die malaysische Minderheit.
Seit der Unabhängigkeit Singapurs 1965 ist Halimah die erste Präsidentin mit malaysischen Wurzeln. Aufgrund der heterogenen Bevölkerung Singapurs wurde bereits zu Beginn der Staatsgründung vorgesehen, dass alle Bevölkerungsschichten gleiche Rechte erhalten. So gibt es in Singapur beispielsweise nicht eine sondern vier Amtssprachen: Englisch, Chinesisch (Mandarin), Tamil und Malaiisch. Dennoch: Chinesen stellen mit 74,1% die weitaus größte Bevölkerungsgruppe Singapurs, gefolgt von Malaien mit 13,4% und Indern mit 9,2%.
Für die Wahl zum Präsidialamt ist vorgeschrieben, dass alle ethnischen Gruppen in regelmäßigen Zyklen repräsentiert werden müssen. Die Idee ist einfach: Aufgrund ihres wesentlich geringeren Bevölkerungsanteils haben es Malaien sowie Inder im Vergleich zu ihren chinesischen Mitbürger*innen deutlich schwerer, ein wichtiges politisches Amt einzunehmen. Dementsprechend werden in Singapur regelmäßig Posten für bestimmte Bevölkerungsgruppen reserviert; so auch im Fall Halimah Yacobs.
Unmut und Enttäuschung in der Bevölkerung
Was Kritiker jedoch in Unmut versetzt, ist die Art und Weise, wie Halimah Yacob ihren Posten erlangt hat. Zum Einen waren bei der diesjährigen Wahl nur Kandidat*innen mit malaysischem Hintergrund zugelassen. Und zweitens hätte Halimah am vergangen Samstag mit zwei weiteren Kandidaten für das Präsidialamt zur Wahl stehen sollen.
Doch es kam anders. Beide Gegner – Salleh Marican und Farid Khan – mussten ihre Kandidatur aufgeben, da sie eine Vorbedingung zum Wahlantritt nicht erfüllten; beide hätten bislang nicht an der Spitze einer größeren Aktiengesellschaft gestanden. Halimah blieb als einzige Kandidatin übrig.
„I can only say that I promise to do the best that I can to serve the people of Singapore and that doesn’t change whether there is an election or no election.“ Halimah Yacob.
#NotMyPresident starts trending in Singapore after elections confirmed to be a walkover. https://t.co/XRJG4GJSkV pic.twitter.com/ClkkJw2JRC
— Coconuts Singapore (@CoconutsSG) September 11, 2017
Am 13. September wurde Halimah Yacob schließlich zur neuen Präsidentin gekürt, ganz ohne Wahl. Eigentlich steht es der Bevölkerung seit 1991 zu, Singapurs Präsident*innen direkt zu wählen. Doch ohne Gegenkandidat*innen keine Wahl. Seitdem herrscht rege Aufruhr. Mit dem Hashtag #NotMyPresident brachten viele Bürger*innen Singapurs ihren Unmut über die „Nicht“-Wahl zum Ausdruck.
Es ist traurig, dass einer wichtigen Kandidatin Kritik und Unmut entgegenschlagen für ein Wahlsystem, das sie selbst nicht beeinflusst hat. Es mag unfair wirken, Singapur einer neuen Präsidentin zu unterstellen, die sich nicht offiziell durch faire und offene Wahlen hat legitimieren können. Doch daran ist das System Schuld, nicht die Kandidatin.
Ein historischer Moment
“As we pause to reflect on the import of this moment, we should, as a nation, challenge ourselves further: How long do we have to wait for a woman to be prime minister, or for someone from a minority race to be prime minister? When that day comes, every child – boy, girl, Malay, Indian, Chinese, or of any race – can grow up believing that anything is possible under the Singapore sky.” (Elign Toh, ST)
Und dennoch ist es wichtig, diesen historischen Moment in Singapurs Geschichte auch als solchen festzuhalten. Wie der Journalist Elign Toh festhält, ist es ein außerordentliches Ereignis, dass in Singapur nicht nur die Malaien die neue Präsidentin stellen, sondern dass es sich dabei zudem um eine Frau handelt. Eine Frau, die sich das Amt aufgrund ihrer Arbeit, ihres Lebensweges und ihres unnachlässigen Engagements redlich verdient hat.
Als Halimah acht Jahre alt war, starb ihr Vater. Nach dem Tod des Vaters musste Hamilahs Mutter hart arbeiten, um die Familie zu versorgen. Von vier Uhr morgens bis zehn Uhr abends. Seit ihrem 10ten Lebensjahr hat auch Hamilah mitgeholfen: sie putze Tische, wusch Geschirr und bediente Kunden. „I have experienced poverty first hand and know how debilitating it can be as you struggle to survive”. Dennoch hat Hamilah viele positive Erinnerungen an ihre Kindheit, die besonders geprägt war von einer multiethnischen Nachbarschaft.
„Although this is a reserved election, I am not a reserved president.“
Der Vergleich mit einem Fußball World Cup Finale mag im ersten Moment weit hergeholt klingen. Doch er verdeutlicht die Botschaft, die Toh seinen Mitbürger*innen vermitteln möchte: dass Halimah, mit oder ohne Wahl, in jedem Fall qualifiziert ist für ihr zukünftiges Amt als Präsidentin. So finden sich unter all den Negativbeiträgen auf Facebook und twitter auch unzählige Stimmen, die Hamilah gratulieren und stolz auf die erste Frau im Präsidialamt sind.
Die Frage bleibt, wie wichtig gleiche und faire Repräsentation aller Bevölkerungsgruppen auch zukünftig gewertet werden soll und muss, ohne dabei wichtige Grundwerte Singapurs wie freie und faire Wahlen, also die direkte Mitbestimmung der Bevölkerung, zu entkräften. Singapur ist mit Sicherheit nicht das demokratischste Land der Welt – seit der Unabhängigkeit 1965 war stets ein und dieselbe Partei an der Regierung. Dennoch ist es ein Land, das ein wichtiges Beispiel darstellt für eine multikulturelle und -ethnische Gemeinschaft und ein Zeichen dafür, dass heterogene Gesellschaften funktionieren. Dafür steht auch Hamilah Yacob.
Maren Göttke
Schreibe einen Kommentar