Achtung: Triggergefahr. Eine unserer Leserinnen erlebte im Sommer einen Übergriff, der die Grenze von Sex hin zum sexuellen Übergriff überschritt. Sie ließ es geschehen und schrieb uns ihre Geschichte und Gedanken dazu.
Vor etwa zwei Monaten trauerfeierte ich meinen Geburtstag. Ich freue mich schon seit zehn Jahren nicht mehr älter zu werden. Bald bin ich Mitte 30. Ich betrank mich also mit ein paar ausgewählten Freund*innen in einer meiner Lieblingskneipen. Dabei war ein Mann, den ich als guten Bekannten eingestuft hatte. Ich hatte ihn eingeladen, weil ich immer wieder Treffen mit ihm abgesagt hatte und er mir eigentlich bisschen auf die Nerven fiel, aber auch leid tat. Ich lud ihn also zum Geburtstag ein, weil ich da auch nicht mit ihm allein sein musste, wie ich dachte.
Ich bin keine Heldin der Abgrenzung.
Entweder tun mir alle leid oder ich traue mich nicht meine Grenzen abzustecken. Wahrscheinlich beides. Diesen Typen stufte ich immer als ein bisschen naiv und desinteressiert am Weltgeschehen ein. Er ist nicht der Typ, der fragt, was die Welt im Innersten zusammenhält. Ist ja auch in Ordnung, soweit das Herz am rechten Fleck sitzt.
Jedenfalls hatte ich ihm vor etwa einem Jahr einen ordentlichen Korb gegeben. Mitten auf dem Sielwall. Dann war eine Zeit Funkstille. Dann sahen wir uns wieder in die Kneipe. Er war nett und ich auch und alles schien in Ordnung zu sein. Auf einmal wollte er mich besuchen. Auch spontan. Es gab Kaffee. Dann brachte er mir einen zwar seichten, aber gut gemeinten Kunstdruck aus seinem Urlaub mit.
Spätestens da hätte ich ihm sagen müssen, dass ich keinen Kontakt mehr wünsche. Ich habe es aber nicht getan. Anstelle dessen teilte ich ihm per SMS mit, dass ich keine Beziehungen etc. wollte. Eigentlich mochte ich ihn auch immer gern. Ich sah ihn als einen netten Bekannten, fast Freund, der irgendwie zum Umfeld der Kneipe gehört. Er antwortete mir, dass er auch keine Beziehungen beabsichtigte, da er ja noch von einer angeblichen Beziehung, die ca. acht Jahre her war, verletzt sei. Ich wusste natürlich, dass das vorgeschoben war. Er ignorierte mich wahrscheinlich eigentlich nicht und hoffte heimlich, still und leise, dass er doch noch irgendwie bei mir landen könne.
Ich denke noch heute, dass es ihm gleich war, ob sexuelle Begegnung oder Beziehung. Hauptsache Anerkennung und Aufmerksamkeit vom anderen Geschlecht. Hauptsache keinen ganzen Korb und doch irgendwie ein Hoffnungsschimmer. Hauptsache sich in die Tasche lügen. Wie es um ihn stand, war mir also eigentlich klar. Und ich war zu faul, um ihm klipp und klar zu sagen: „Du lügst mich und dich an, ich will nichts von dir! Da ist nichts geschlechtliches zwischen uns. Mach dir das klar und wenn das nicht geht, halte dich von mir fern.“ Aber während ich diese Zeilen schreibe, wird mir auch klar, dass ich nicht für ihn verantwortlich bin. Ich habe mehr als genug Zeichen gesendet, dass ich absolut nichts von ihm wollte.
Und dann kippte es ins Unerträgliche
Was ist nun also geschehen: Wir betranken uns an meinem Geburtstag, ich wollte in eine andere Kneipe weiter ziehen. Er wollte sein Fahrrad nachholen. Ich sagte, er solle mitkommen, er könne ja auch bei mir schlafen. Daran kann ich mich aber kaum noch erinnern, weil ich zu betrunken war.
In der Nacht wachte ich auf, weil sein Finger in meiner Scheide steckte. Ich zog ihn mit etwas Kraftaufwand raus. Das alles ist als eine Art Traum in meiner Erinnerung gespeichert. Ich schlief wieder ein.
Am nächsten Tag war ich immernoch betrunken und fühlte mich wie auf Watte laufend. Alles schien in Ordnung zu sein. Die Sonne schien, es war warm. Der Typ, der neben mir im Bett lag, war also dieser Bekannte. Er sagte: „Ich hab Dir gestern Nacht meinen Finger in die Muschi gesteckt und bin davon aufgewacht, dass du ihn wieder raus gezogen hast.“
Ganz kurz schlug jemand mit einem Hammer ein Loch in das Milchglas. Ich stotterte sehr leise und nahm mich dabei von außen wahr: „Warum hast Du das gemacht?“ Er antwortete: „Ich weiß es nicht, ich bin selber davon aufgewacht, ich hab das im Schlaf gemacht.“ Es war ein Augenblick unter einer Minute, dann war das Loch wieder zu und ich tat so, als sei alles in Ordnung.
Ich kaufte Kaffee und Frühstück ein, für uns beide.
Ich ließ mich sogar massieren, bis meine Freundin zum Glück kam. Ich fühlte mich kalt und mein Rücken war in der Tat verspannt. Ich fragte ihn, ob er mich knüstern wolle. Er knüsterte mich und wackelte zwischendurch mit meinen Pobacken, die sich unter meinem Nachthemd befanden. Es war leicht hochgerutscht, so dass man besten Anblick auf meinen Po und teilweise Schritt haben konnte, nur von einem Tanga bedeckt. Dann plötzlich rieb er Hände und Handgelenke heftig an meinen Brüsten. Er fasst von hinten unter mein Nachthemd. Ich war stumm und taub. Ich kann mich an diesen Moment kaum erinnern. Ich machte auch nichts. Natürlich war es schrecklich und auch das Berührungsgefühl mehr als unangenehm, aber ich machte nichts. Ich ließ es passieren. Meine Freundin klingelte zum Glück, so dass es nicht so lange dauerte.
Ich überlegte immer wieder, warum ich mich massieren lassen wollte. Ich hatte als Anfang 20jährige oft mit Sexualität gespielt, um Anerkennung und Aufmerksamkeit von Männern zu bekommen und bin damit natürlich oft auf die Nase gefallen. Aber eigentlich war ich immer sehr naiv und kindlich im Umgang mit Männern. Sexualität spielte bei mir nie eine wichtige Rolle, nahezu elterliche Nähe war mir wichtiger.
Und auch diesmal war die Absicht hinter dem Massagewunsch die Gutmachung des Geschehnisses. Ich wollte eigentlich, dass das alles garnicht passiert ist. Ich wollte, dass die Welt heil ist. Stattdessen kam dann Horrorteil Nummer zwei.
Mein Körper erhält die Erinnerung.
Vielleicht können die Wenigsten, einschließlich mir, verstehen, warum ich mich so verhalten hab, wenn ich das alles doch gar nicht wollte. Glaubt mir, die Vorwürfe mache ich mir auch. Aber ob ich den Mann nun dazu eingeladen habe oder nicht: Ich kratze mir oft genug mit meinen Fingernägeln über den Körper, um den Dreck ab zu kriegen und es bringt nichts. Mein Körper erhält die Erinnerung. Das Gefühl der Hand an und in mir erwacht jeden Tag aufs Neue.
Der Typ hat übrigens keinerlei Empathie oder Schuldbewusstsein. Er weiß, dass er wahrscheinlich etwas gemacht hat, das böse war. Aber warum es böse war und die Tragweite dessen, kann er nicht begreifen. Das ist sehr unerträglich.
Ich muss unweigerlich an den Fall Gina-Lisa denken, die mit ihren Peinigern gefeiert haben soll. Ganz ehrlich: Ich kann das völlig verstehen. Wahrscheinlich wollte sie einfach überleben.
Anonym (der Name ist der Redaktion bekannt)
Hinweis der Redaktion:
Hier findet Ihr Beratung, Hilfe und Infos:
Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen
Sisobo meint
Mein Ehemann hat mir gestern anale sexuelle Gewalt angetan als ich total betrunken im Bett lag.
Ich fragte ihn ob er was gemacht habe.
Es war nicht der erste Übergriff.
Er stellt es so dar als habe er ein Recht auf sexuelle Befriedigung weil er verheiratet ist.
Ich habe ihn gefragt ob er was gemacht habe weil ich mich übergeben musste und mir der Po weh tat auf Klo.
Er verneinte.Ichbsagte „Ichvweiß dass Du lügst ich kann mich erinnern.“Das stimmte nicht ganz.
Vorhin habe ich gesagt, dass ich auch ins Krankenhaus begehen kann und diecwürden dann herausfinden was ist.Man könne die Beweise sichern lassen und es käme nicht zu einer Anzeige wenn man es nicht wolle.
Daraufhin räumte er es dann nach zögern doch ein und entschuldigte sich.“Er habe mir mit der Hand rumgespielt“ und sagte mir habe es gefallen ich hätte gestöhnt(!).
Das ist ja jetzt wohl das Allerletzte.
Ich habe ihm schon einmal gesagt, dass er eine Straftat begeht wenn er meine betrunkene Situation benutzt weil ich ihn sonst nicht mehr“ranlasse“.
Es sind zu viele verbale und andere übergriffige Verletzungen geschehen.
Ich bin vorbelastet und wir haben 2017 geheiratet.Zum Glück kinderlos wegen seinem Verhalten.
Ich durch meine Traumaerfahrungen bin ich abgestumpft und der Alkohol verschafft Unbeschwertheit und hilft vieles zu verdrängen.
Leider ist mein Mann auch hin und wieder übergriffig wenn ich nichts trinke.Dann kann ich mich konsequent abgrenzen.Allerdings nervt es mich dass er damit nicht aufhört.
Er kommt aus einer Dysfunktionalen Familie.
Deshalb tut er mir auch leid.
Ich habe mir das Knie gebrochen bei einem Fahrradsturz und in der Zeit hat er mich in Ruhe gelassen.Jetzt hab ich noch Gehbeschwerden und er nölt unreif Rum wenn ich Hilfe benötige.Auf den Rat einer Gaushaltshilfe von der Unfallversicherung habe ich einen Pflegegrad beantragt.und erhalten.
Ich habe aber kein Vertrauen in eine fremde Person mehr.Die bisherige Hilfe hat keine Kapazitäten mehr.
Ich weiß nicht was ich machen soll.
Ricarda meint
Hallo Sisobo,
Es hört sich so an, als wärst Du bereit, deine Situation konkret anzugehen. Erste Adresse ist immer das Hilfetelefon “ Je nach dem, was jetzt für Dich ansteht hast Du viele Möglichkeiten – vom hilfreichen Gespräch bis zum sofortigen Auszug aus der gemeinsamen Wohnung, oder auch eine gerichtliche Anordnung. Auf der Seite https://www.gewaltgegenfrauen.bremen.de/was-tun gibt es Ratgeber mit allen Möglichkeiten & Adressen.
Wir wünschen Dir, dass alles klappt und gut geht.
Ricarda
Chris meint
Es tut mir leid, dass es zu einer so verletzenden Situation kam und wohl schmerzhaft endete. Ich hoffe, es wird Heilung gefunden. Aber ehrlich gesagt gehört dazu auch, dass man eingesteht etwas zugelassen zu haben, das man im Nachgang bereut:
Sie betrinkt sich mit einer Gruppe Mädels – und lädt als einzigen Mann ihn dazu ein. Dann geht sie betrunken heim und lädt ihn ein, da auch zu übernachten. Er bekommt kein separates Zimmer, sondern darf wohl neben ihr schlafen.
Das sind keine deutliche Zeichen, dass jemand kein Kontakt zu dem Mann wünscht und ja wirklich nur Mitleid hatte. Im Gegenteil: das ist üblicherweise eine Einladung, dass frau interessiert ist. Das einzugestehen tut sicherlich auch weh. Ein ehrlicher, aber liebevoller Blick auf Dich und das Geschehene wünsche ich Dir – auf dass die Seele Heilung findet.
Kim meint
Was du da tust heißt victim blaming. Denkst du wie vermutlich der Täter aus dem Beitrag, Frauen wären Automaten? Langweiliges Spießer-Geschenk (Kunstdruck aus dem.Urlaub, wie peinlich!) einwerfen, Sex bekommen? Warum versucht man, Sex mit Geschenken zu erschleichen? Das ist so erbärmlich und durchsichtig.
Außerdem vor 8 Jahren die letzte Beziehung, angeblich! Was für ein Incel. Keine Frau will so einen wie DEN, und er sollte langsam gelernt haben, dass es für einen naiven Langweiler wie ihn keine Frau gibt und geben wird. Er ist schon über 30, er muss das wissen. Wie kann er sich überhaupt noch trauen, eine Frau zu berühren, wenn er weiß, wie sexuell unattraktiv er ist? Er muss sich dringend einen anderen Lebensinhalt suchen. Briefmarken oder Modellbahnen oder was solche Männer halt üblicherweise machen.
Ich verstehe diese Typen einfach nicht. Die sollten doch nach 20 Jahren Zurückweisungen einfach akzeptieren, dass KEINE Frau was von ihnen will. Stattdessen stecken sie einfach mal den Finger in eine betrunkene Bekannte, als ob sie gelernt hätten, dass jede was von ihnen will.
Bist du auch so einer, der nur Frauen berühren kann, indem er sie in verwundbaren Situationen ausnutzt, oder warum verteidigst du so einen Typen noch? Habe echt kein Mitleid mehr mit euch. Frau behandelt euch nett, und so zahlt ihr es heim.
Michael meint
Das denke ich nicht .Mann kann zusammen feiern aber es gibt kein Mann das Recht sich an die Frau zu vergehen wenn sie es nicht ausdrücklich auch möchte .dann bleibt Sex halt tabu egal was ich als Mann dabei denke dann bleiben meine Finger bei mir und nicht in der Frau. Ich kann überall übernachten auch neben einer Frau es macht mir nichts aus .es sei den sie möchte noch küssen dann auch nur das und weiter wenn sie es nicht möchte weiter auch nicht .
Lehmann, Natalia meint
Und irgendwie macht mich das sprachlos..
Konntest du nicht fluechten?
Janni meint
Liebe Autorin,
danke für deinen Artikel. Er hat mich beim Lesen nach Luft schnappen lassen. Deine Offenheit ist wahnsinnig wichtig. Diese Erlebnisse zu formulieren, bringt die Problematik sexueller Gewalt in die Öffentlichkeit und das muss (leider) sein. Vielen Dank!
Joschi meint
Artikel: „Ich ließ es einfach passieren“
Den Artikel habe ich nicht bis zum Ende gelesen. Die detaillierten
Beschreibungen empfand ich als „übergriffig“
Beim Lesen empfand ich Erleichterung darüber, nicht mehr, wie früher,
in einer Lebensberatungsstelle als Beraterin wirksam sein zu müssen.