Unsere Autorin schreibt im Folgenden, einen Brief an ihren Vater. Sie spricht darin, über das schwierige Verhältnis zu ihm, einem Mann, der fast nie für sie da war. Und wie dieser ihr Bild und ihr Verständnis in Beziehungen zu Männern geprägt hat.
Hey Vater,
es hat ja lange gebraucht, dass wir uns so gegenüber sitzen können. Ohne, dass mein Körper total verkrampft. Und ich schon durch deinen ersten Blick eine Krise kriege.
Komisch, heute mochte ich dich mal. Weil du mir keinen Vorwurf gemacht hast, für das wie ich bin. Für das was ich bin. Der beste Zuhörer wirst du vermutlich trotzdem nie werden. Aber okay, ich habe schon lange akzeptiert, Menschen nicht mehr ändern zu wollen.
In meiner Erinnerung warst du ein ziemlich großer Typ. Ich habe dich so verehrt, obwohl du so weit weg warst von meiner inneren Welt. Umso größer wurde die Sehnsucht und die ewige Suche nach deiner Anerkennung. Ständig habe ich dich gesucht. Bin wahnsinnig geworden, weil ich dich nicht fand. Nicht im Innen und auch nicht im Außen. Abgesehen von deiner physischen Präsenz. Dein strenger Blick. Und natürlich deine cholerischen Aussetzer. Damit entschuldige ich dich fast… Aussetzer. Du hast meinen Bruder und mich hin und wieder richtig zusammen geschissen. Wir hatten Angst. Nur weil eines meiner Spielzeuge im Flur lag.
Als Kind habe ich all das nicht verstehen können. Und mal wieder die Schuld bei mir gesucht. Mama hat dich nie ausgebremst und auch nicht die schützende Hand vor uns gehalten.
Bis heute erinnere ich nicht einen liebevollen Blick, den du mir schenktest. Das ist doch schräg, dass du mich nicht einmal voller Liebe anschaust.
All das ist geschehen und es lässt sich nicht rückgängig machen. Nicht für dich und erst recht nicht für mich.
Trotzdem hat es mich geprägt und vor allem mein schräges Männerbild. Wie viele Arschlöcher waren schon dabei?! Oh my god! Das willst du gar nicht wissen. Diese patriarchalischen Kerle, die Frauen immer noch als niedere Wesen ansehen. Und dennoch davon überzeugt sind, sie würden eine Frau auf Händen tragen.
Sie haben mich oft nicht gut behandelt, aber ich habe es auch zu selten geschafft aus der Beziehung auszubrechen. Und es wäre unfair, alle Fehler nur bei meinem Gegenüber zu suchen.
Schlussendlich suche ich eh nur das Glück, dieses riesige Glück ganz arg und ganz doll geliebt zu werden. Der Ritter auf dem weißen Ross, der nicht kam. Nicht, weil er vermutlich nicht kommen wollte, sondern weil es ihn verdammt nochmal einfach nicht gibt. Weil er nie existierte und nie existieren wird.
Warum erzähle ich dir das überhaupt?! Weil du mir einfach nie ein realistisches Bild vermittelt hast, wie ein Mann sein kann. Ich will keinen cholerischen Narzissten an meiner Seite, aber halt auch keine Märchengestalt.
Wünschen würde ich mir eine möglichst gleichberechtigte Beziehung. Das heißt vermutlich auch, einige Arbeit mit und an der Beziehung. Für jetzt gerade will ich einfach, dass ich überhaupt Zuneigung und Liebe zulassen kann. Denn der Kanal war lange dicht, überhaupt zu zulassen, dass da jemand ist, der mich mag und den ich mag. Vielleicht ist dieser Typ auch etwas schräg. Vielleicht ähnelt er dir sogar etwas, was vermutlich nicht ausbleibt. Und trotzdem werde ich mich trauen, Papa. Endlich.
Es ist meine Art zu lieben. Anders als du, kann ich Fehler zulassen. Kann ich erlauben, mich verletzbar zu machen. Anders als du erlaube ich mir, Leichtigkeit und Glück. Ich werde mich versuchen, an gleichberechtigten Beziehungen, mit Sichtbarkeit und Transparenz. Und damit meine ich, meinem Gegenüber an meinen Gefühlen teilhaben zu lassen.
Geliebter Vater, ich lasse los. Dich. Und dieses übermächtige, konservative Rollenbild, auf das ich mehr als keinen Bock habe.
Ich tausche es ein, in Liebe, für die es sich zu leben lohnt.
Ich habe Bock drauf, endlich mal auf das Neue, dessen ich noch keinen Namen geben kann, aber welches frei und unabhängig fühlt.
Herzallerliebst, deine Tochter
Schreibe einen Kommentar