Triggerwarnung: Dieser Bericht beschreibt einen Todesfall. Einige Leser*innen könnten das beunruhigend und retraumatisierend finden. Lest diesen Text also nur, wenn ihr euch psychisch stabil genug fühlt.
Prozessbericht vom 06.12.2024
Auch beim nächsten Prozesstermin waren wir vor Ort, um die Aufklärung und Aufarbeitung zu einem möglichen Femizid zu verfolgen. Die letzten acht Termine und deren Zusammenfassung, könnt ihr auch auf unserem Blog nachlesen.
Heute werden wurden drei Zeug*innen geladen.
Zeugin 1
Die erste Zeugin berichtete, dass sie den Angeklagten seit 15 bis 20 Jahren kennt. Die verstorbene Ex-Frau des Angeklagten hatte sie ursprünglich über gemeinsame Hundeaktivitäten kennengelernt, während sie zur Geschädigten kaum eine Verbindung hatte. Die Zeugin gab an, dass sie regelmäßig vor dem Haus des Angeklagten parkte, um ihre Hunde auszuführen.
Nach dem Tod der Geschädigten kontaktierte der Angeklagte die Zeugin am Tag seiner Entlassung aus der Untersuchungshaft und bat sie, ihm 100 Euro zu leihen. Die Zeugin brachte das Geld jedoch zu einer Freundin, bei der sich der Angeklagte aufhielt, da sie vermeiden wollte, dass er oder andere Personen es direkt bei ihr abholten – dies hätte Gerüchte in der Nachbarschaft ausgelöst. Das Geld erhielt sie später zurück.
Am Telefon wurde sie gefragt, ob der Angeklagte bei ihr wohnen könnte, da er nicht in sein eigenes Haus zurückkehren durfte. Sie lehnte dies ab, aus Sorge vor potenziellen Gerüchten. Eine andere Freundin hatte den Angeklagten aus der U-Haft abgeholt.
Zum Vorfall, der zum Tod der Geschädigten führte, schilderte der Angeklagte der Zeugin, dass er morgens auf die Toilette gegangen sei und die Geschädigte kurz in der Küche sitzen gesehen habe. Nach seiner Rückkehr ins Bett habe er einen Knall und einen anschließenden Rumms gehört. Daraufhin sei er in die Küche gegangen, wo er die Geschädigte vorfand und den Notarzt rief. Während er die Ereignisse erzählte, habe er Tränen in den Augen gehabt und sehr bedrückt gewirkt.
Ein Telefonat der Zeugin mit einer Frau B. (Name anonymisiert) wurde ebenfalls thematisiert. Darin fragte die Zeugin, ob eine dritte Person „jetzt die Wahrheit wisse“. Mit „Wahrheit“ habe sie die Umstände des vermuteten Suizids gemeint. Es sei von einer möglichen Lüge die Rede gewesen, die sie jedoch nicht unterstützen wollte.
Die Zeugin wurde gefragt, ob sie den Angeklagten je alkoholisiert erlebt habe. Sie erklärte, dass er nach dem Tod seiner Ex-Frau verändert gewesen sei. Stark alkoholisiert habe sie ihn jedoch nicht gesehen.
Zeugin 2
Die zweite Zeugin, eine 64-jährige Frührentnerin, beschrieb ihr Verhältnis zum Angeklagten als freundschaftlich. Zu Beginn der Beziehung zwischen dem Angeklagten und der Geschädigten habe diese harmonisch gewirkt; sie hätten gemeinsam Spaziergänge unternommen und viel Zeit miteinander verbracht. Im Verlauf der Beziehung sei die Geschädigte jedoch zunehmend verwirrt und traurig gewesen. Bei einem Treffen Ende 2023 habe die Geschädigte besorgt gewirkt, sie könne aufgrund ihrer Gewichtszunahme nicht wiedererkannt werden.
Die Zeugin hatte den Angeklagten bis zur Inhaftierung nur sporadisch gesehen, jedoch über Telefon Kontakt gehalten. Er berichtete ihr, dass die Geschädigte ihre Medikamente unregelmäßig einnahm und gelegentlich laut wurde.
Zum Todestag der Geschädigten schilderte der Angeklagte ihr ebenfalls, dass er die Geschädigte in einer Blutlache vorfand, eine Waffe in ihrer Hand. Diese Schilderung belastete ihn offensichtlich. Die Zeugin vermutete, dass der Angeklagte keine Waffen im Haus hatte, wusste jedoch von einer Schreckschusswaffe.
Die Zeugin erwähnte, dass die Geschädigte finanziell monatlich 1.000 Euro zum gemeinsamen Haushalt beigesteuert habe. Am Tag des Vorfalls seien die Hunde in der Küche gewesen; zwei davon in der Nähe der Leiche, einer unter der Heizung.
Zusammenfassung und Ausblick
Ein dritter Zeuge erschien am Verhandlungstag nicht und soll erneut geladen werden. Der nächste Prozesstermin ist für den 18.12.2024 um 09:00 Uhr angesetzt.
Isabel Ratfisch
Sabine Annecke meint
Liebe Mitarbeiterinnen der Frauenseiten, vielen Dank für Eure ausführliche Berichterstattung. Wer letztendlich für den Tod der Frau verantwortlich ist, wird im Januar der Richter/Richterin entscheiden. Nur schuldig ist in diesem Fall der Angeklagte meines Erachtens nach auf jeden Fall. In seinem Haus gab es 3 Schusswaffen, frei zugänglich für seine psychisch erkrankte Partnerin. Auch wenn er den Schuss nicht selbst abgegeben hat, so hat er ein Unglück billigend in Kauf genommen. Es ist schon erschreckend wie verantwortungslos dieser Mann gehandelt hat.
Auch traurig, wie wenig Interesse Medien an dem gewaltsamen Tod dieser kranken Frau zeigen. Auch für Eure Würdigung der Opfer männlicher Gewalt ein großes Dankeschön. Mit besten Grüßen SA