Das deutsche Brot hat in der ganzen Welt einen guten Ruf und dennoch sterben hier jährlich um die 400 Bäckereien aus, das ist mehr als ein Betrieb pro Tag. Ausschlaggebend sind insbesondere die Großbackketten und der Brotverkauf in Supermärkten.
Deutschland ist das Land des Brotes. Nirgendwo hat Brot als Mahlzeit einen so hohen Stellenwert wie hierzulande und nirgendwo sonst gibt es eine derart breit gefächerte Vielfalt an Sorten: Roggen-Weizen-Vollkornbrot, Fünfkornbrot, Joghurtbrot, Dinkelbrot, Pumpernickel, Sauermilchbrot, Maisbrot, Buchweizenbrot, Weizenkeimbrot, Rosinenbrot, Steinofenbrot, Kartoffelbrot… und die Liste ist noch lange nicht zu Ende: Die Zahl der Brotsorten wird zwischen 300 bis 3.000 geschätzt. Die enorme Fülle liegt zum einen am Boden: Während im nordischen lehmigen Sandboden der Roggen „zu Hause“ ist, findet man im Süden deutlich mehr Weizen. Diese unterschiedliche Bodenbeschaffung ist ein Grund für die verschiedenen Arten. Doch auch die Abgrenzung von anderen Regionen und Städten hat im Laufe der Jahrhunderte zu den diversen Broten geführt, die sich in Form, Geschmack, Zutaten und Zubereitung differenzieren.
Das Bäckersterben schreitet voran
Vor 50 Jahren betrug die Gesamtanzahl der Bäckereibetriebe um die 55.000, heute sind es nur noch 14.000. Statistiken zufolge wird in den nächsten fünf bis acht Jahren die Anzahl bundesweit auf 8.000 zurückgehen. Dass sich das Bäckerhandwerk gewandelt hat und immer mehr ausstirbt, liegt nicht zuletzt am immensen Druck, der auf diese Branche ausgeübt wird. Die Käufer_innen erwarten nicht nur eine große Auswahl an Backware, die abends noch ofenfrisch ist, sondern hauptsächlich günstige Preise. Durch den Verkauf von Brot und Brötchen in Supermärkten sowie die Verbreitung der Großbackketten und Selbstbedienungsbäcker, leiden die „wahren“ Bäcker_innen unter dem Konkurrenzkampf. In nur wenigen Minuten werden in Discountern tiefgekühlte Teiglinge aufgebacken, die zuvor oft durch ganz Deutschland transportiert oder gar aus den Nachbarländern importiert wurden. Damit die Ware im Laden dann frisch ist, wird sie mit Zusatzstoffen vollgestopft. Immer mehr ersetzen aufgebackene die frischen Brötchen vom „richtigen“ Bäcker und häufig wird das abendliche Brot im Supermarkt besorgt, anstatt in der Bäckerei am Ende der Straße. Besonders der Preis spielt eine große Rolle: In Discountern kostet das gleiche Brötchen oft nur die Hälfte.
Eine weitere Ursache, die für das Aussterben der Bäckereien verantwortlich ist, ist die Tatsache, dass nicht selten das typisch deutsche Abendbrot durch andere Gerichte oder Fast Food ersetzt wird; gegen Ende des 19. Jahrhunderts aßen die Menschen ungefähr vier Mal so viel Brot wie die Menschen heutzutage.
In Frankreich beispielsweise werden die Bäckereien, die noch selbst backen, geschützt, denn nur diese dürfen sich „boulangerie“ nennen; in Deutschland heißt alles, was Teigwaren verkauft „Bäckerei“. Eine ähnliche gesetzliche Regelung wäre ein Anfang, um die Rettung der Bäckereien zu fördern. ZEIT ONLINE hat mithilfe ihrer Leser eine Karte Deutschlands entwickelt, die selbst backende Bäcker_innen angibt. Wem der Erhalt der Bäckereien am Herzen liegt, sollte in den gekennzeichneten einkaufen.
The famous German bread
Trotz des Bäckersterben hat das deutsche Brot eine außerordentliche Reputation auf allen Teilen der Erde: In der ganzen Welt bieten in Deutschland ausgebildete Meisterbäcker_innen Kurse und Seminare an, die „The German Art of Baking“ lehren. Vom „Perfektionisten“ zu lernen, ist der Traum vieler, seien sie aus Russland, Mexiko, Japan oder dem Iran. Hierzulande ist es eher eine Notlösung geworden, den Beruf des Bäckers zu erlernen, anstatt einer Leidenschaft.
Der in 2011 gegründete Verein „Die Bäcker. Zeit für Geschmack e.V.“ setzt sich dafür ein, dass die traditionelle deutsche Backkultur erhalten bleibt und weitergegeben wird. Regionale Rezepte und lokale Gewohnheiten zu wahren ist den Mitgliedern wichtig. Handwerklich arbeitende Bäckereien, die individuelle Rezepte besitzen, Angaben zu den Zutaten machen und natürlich keine Tiefkühlprodukte verwenden, können Zertifikate erhalten. Außerdem sind sowohl Rohstoffe aus der Region als auch die Kommunikation mit Kund_innen essentiell für den Verein.
Es ist an der Zeit, etwas gegen das Bäckersterben zu tun und die Bäckereien, die noch eigenhändig den Brotteig kneten, nach individuellen Rezepten backen und für die Kunden um 2 Uhr früh aufstehen, zu unterstützen.
In diesem Sinne: Rein in die warme Backstube!
Amélie Schlachter
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