Viele sind zu jung, um sich daran zu erinnern. Aber bei meiner Recherche zur islamischen Literatur stieß ich auf das kontroverse “Die Satanischen Verse”, ein epischer Roman vom indisch-britischen Autor Salman Rushdie. Für diesen Roman wurde auf Rushdie regelrecht Jagd gemacht seitens des fundamentalistischen Islams.
Salman Rushdie und sein Roman
Rushdies Romane enthalten oft politische Untertöne, versteckt in seinen bildhaften und ausschweifenden Geschichten. In “Mitternachtskinder” beschreibt er das Leben zweier Jungen, die in der Nacht der indischen Unabhängigkeit von einer Krankenschwester vertauscht werden. In “Des Mauren letzter Seufzer” schildert er anhand eines Familienepos wiederum die Lage in Indien zur Zeit Nehrus und Gandhis. Wenig überraschend ist es also, dass es in Rushdies “Die Satanischen Verse” um eine islamkritische Auslegung des Korans geht. Der Roman handelt hauptsächlich von zwei indisch-britischen Männern, den Schauspielern Gibril Farishta und Saladin Chamcha. Beide verwandeln sich nach einem Flugzeugabsturz langsam, aber sicher in jeweils einen teufelsähnliche Gestalt und den Erzengel Gabriel. Aufgrund ihrer Verwandlung finden beide nur schwer wieder in ihren Alltag zurück und verlieren sich in ihren Rollen, bis einer von ihnen schließlich wahnsinnig wird.
Die Kontroverse
Die Buchtitel “Die Satanischen Verse” spielt an auf angeblich aus dem Koran gelöschte Suren. In dieser Passage erkennt Mohammed angeblich drei andere Göttinnen, al-Lat, Uzza und Manat, an. Dies wäre die Aufhebung des Islams als monotheistische, das heißt nur einen Gott anerkennende, Religion. Die Suren, so wird es später dargestellt, waren Mohammed vom Teufel eingeflüstert worden und wurden in späteren Koran-Versionen gestrichen. Im Roman wird diese Episode thematisiert. Gibril und Saladin werden heimgesucht von Träumen, in denen sich dabei auch mehrere Nebenhandlungen abspielen. In einem dieser Träume wird die Geschichte eines Propheten namens Mahound dargestellt, der seinen Anhängern immer wieder neue Verse diktiert, um seine Vormachtstellung gegenüber seinen Kritikern zu sichern. Gleichzeitig werden in Rushdies Roman Anspielungen auf mehrere reale Personen gemacht, wie auf den damaligen Ayatollah Chomeini, den Sänger Yusuf (Cat Stevens), sowie mehrere religiöse Ikonen des Islams.
AFI's #Summer Read:"The Satanic Verses" by Salman Rushdie-banned in India, a study of good/evil, a feast of language pic.twitter.com/r0bZcsc4Ea
— Artistic Freedom Initiative (@artistic_AFI) August 16, 2016
Die Fatwah
Die Rückmeldung auf Rushdies Roman waren zu Beginn gemischt. Hielten einige es für ein absolutes Meisterwerk, waren andererseits viele verletzt von seinem Umgang mit einer anderen Religion. Bis heute gilt dieser Fall als Frage, ob Meinungsfreiheit über dem Schutz der Religionen steht. Zu Beginn wurde gegen das Buch demonstriert, es sogar in einigen Ländern verboten. Ein trauriger Höhepunkt der Kontroverse folgte jedoch bald. Am 14. Februar 1989 wurde eine Fatwah gegen Salman Rushdie ausgesprochen. Der Ayatollah Chomeini, das damalige Oberhaupt des Irans, sprach ein Todesurteil gegen Rushdie aus und forderte alle gläubigen Muslime auf, dieses auszuführen. Bis heute gilt diese Fatwah, auch nach dem Tod Chomeinis. Im Anschluss an die Fatwah verbrachte Rushdie mehrere Jahre im Exil. Übersetzer und Verleger des Romans wurden Opfer von Attentaten, einige verloren sogar ihr Leben. Die internationalen Beziehungen zwischen dem Iran und Großbritannien, Rushdies Heimatland, waren für lange Zeit zerrüttet.
Der Roman, unabhängig von seiner negativen Rezeption, ist es wert, gelesen zu werden. Sei es alleine für das Verständnis, was genau diese heftige Reaktion ausgelöst hat. Ob man Rushdie nun mag oder nicht, er ist einer der besten Autoren unserer Zeit.
Kim Hofschröer
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