Ausstellung von elf Künstlerinnen im Künstlerhaus Bremen hinterfragt Geschlechterrollen
Am 29. Januar wurde die Ausstellung „Ein Schelm, wer Böses dabei denkt“ im Künstlerhaus am Deich eröffnet. Im Titel ist er noch unverändert – der Schelm, dem im 16. Jahrhundert eine literarische Gattung gewidmet wurde und der darin traditionell männlich ist. Er ist kein heroischer Ehrenmann, sondern ein Antiheld aus einfachen Verhältnissen, der durch seine Einfältigkeit und Naivität eher unabsichtlich gesellschaftliche Konventionen und Verlogenheiten infrage stellt.
Vom Schelm zur Schelmin – eine neue Perspektive
Die neue Ausstellung greift diesen Charakter auf, allerdings nicht in seiner herkömmlichen Form. Statt Maskulinität steht nun Femininität im Vordergrund, was beim Betreten der gut gefüllten Galerie deutlich zum Ausdruck kommt. Die Vielzahl der partizipierenden Künstlerinnen spiegelt sich in der Diversität der ausgestellten Werke wider. Ihr Ausgangspunkt ist die Frage, welche Konventionen unserer heutigen Gesellschaft herausgestellt werden, wenn die zentrale Position von einer Schelmin statt eines Schelms eingenommen wird. Es zeigen sich hier multiple Erzählstränge, die alle auf ihre Weise Humor transportieren, erklären die Kuratorinnen Stephanie Seidel und Fanny Gonella. Die „Erzählung“ setzt in den späten Sechzigern an: Alexis Hunters (*1948) und Margaret Harrisons (*1940) Werke zeigen ihre Auseinandersetzung mit der Umkehrung von Geschlechterklischees. So steckt Harrison in der Arbeit „He Is Only a Bunny Boy But He Is Quite Nice Really” von 1970 Hugh Heffner in ein Bunny-Kostüm und verleiht ihm weibliche Kurven. Ebenso provokant äußert sie sich in „If these lips could only speak“, womit sie auf das Unschickliche anspielt, das stets mit dem Schelmenbegriff verbunden war.
Typisch Frau, typisch Mann!?
Die narrative Ebene zeigt sich auch in Amelie von Wulffens „November“ (2010/2011). In der comichaften Bildgeschichte, zusammengesetzt aus 64 Bleistiftzeichnungen, veröffentlicht die Künstlerin die Kehrseiten ihres Alltags und weniger schickliche Fantasien. Ferner hinterfragt sie die Stereotypisierung des Mannes sowie der Ehefrau.
Shana Moulton vereint Video und Skulptur. Steht man davor, sieht man eine weibliche Schaufensterpuppe, natürlich mit perfekten Maßen und einem figurbetonten Kleid bestückt. Doch betrachtet man die Puppe von hinten, wird man irritiert: In das Gesäß ist ein Hämorrhoiden-Kissen eingenäht, in das eine Werbeparodie zu angeblich verstopfungslinderndem Joghurt projiziert wird. Die Akteur*innen sind ausschließlich Frauen – schließlich ist das unschöne „Blähgefühl“ ja auch „typisch weiblich“.
Künstlerinnen in Aktion
Der Kontrast zu Perfektion zeigt sich auch in Michele Di Mennas Gouachen. Sie greift das Motiv der Hexe auf und hinterfragt deren Status als emblematische Frauenfigur. In einer weiteren Arbeit „entblößt“ sich Di Menna regelrecht: „Blushing Butts“ sind Abgüsse ihres Hinterteils, die zurzeit Galerie fächerartig übereinandergelegt auf dem Boden der Galerie präsentiert werden. Im Zuge einer Performance am 20. März werden sie ritualhaft im Fluss vor dem Künstlerhaus schwimmen gelassen.
Eine weitere Performance wurde bereits am 11. Februar unter dem Titel „The Animal Exercise“ von Kerstin Cmelka dargeboten – eine dramaturgische Darstellung des gesellschaftlichen Umgangs der Frauen mit ihrer Sexualität.
„Ein Schelm, wer Böses dabei denkt“ ist ein Ensemble unterschiedlicher künstlerischer Positionen, die vor gesellschaftlichen Tabus nicht zurückschrecken und ihr schelmisches Ich auf verschiedene Art und Weise in einem Raum wirksam werden lassen.
Julika Wagner
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