In der Diskussion um „den Islam“ zeigen sich mehrere Verallgemeinerungen, die in gleicher Weise etwa nicht auf das Christen- und Judentum übertragen werden. Sowohl im Christentum als auch im Islam wie auch im Judentum gibt es extrem konservative Richtungen, man sollte die Augen nicht vor der Vielzahl von Sekten in den USA und die (ultra-) orthodoxen Siedler*innen in den besetzten Gebieten in Palästinas verschließen. Konservative religiöse Auffassungen, die sich auf das alte Testament beziehen, zeichnen sich auch dadurch aus, dass sie für sich in Anspruch nehmen, die einzig legitime Interpretation des „Buches“ zu leben, und sie alle sind extrem patriarchal strukturiert. Sie alle haben viele restriktive Vorschriften für Frauen, die sich aber im Hinblick auf die Auslegung religiöser Gebote und Bekleidungsvorschriften sowie Sexualität sehr ähnlich sind. Sie alle weisen der Frau die Familie als für sie bestimmten Platz zu und Frauen sind religiöse Ämter verwehrt.
Frauen im (ultra-) orthodoxen Judentum:
Während die Kritik am Schleier und der Burka vehement geführt wird, gerät kaum ins Visier, dass die Bekleidungs- und Verhaltensvorschriften für Frauen fundamentalistischer Ausrichtung im Christen- und Judentum ähnlich streng sind: So sind verheirate Frauen im streng orthodoxen Judentum angehalten ihr Haar zu bedecken (häufig mit einer Perücke). Als Grund wird angegeben, dass Frauen Demut, Bescheidenheit, Sittsamkeit, Keuschheit zeigen sollen, die sich auch in der Kleidung ausdrückt. Als angemessen gilt neben der Kopfbedeckung ein Rock, der mindestens die Knie und Ärmel, die mindestens die Ellenbogen verdecken. Mit diesen Vorschriften soll möglicher sexueller Erregung bei den der Männern vorgebeugt werden. Bekommt die Frau in einer streng orthodoxen jüdischen Familie kein Kind, kann der Mann sich von ihr trennen (ohne dass auch nur in Betracht kommt, dass er die Ursache für Kinderlosigkeit sein kann).
Frauen im fundamentalistischen Christentum:
Bei den Mormonen gelten Frauen als die Nachfahren der „bösen“ Eva. Nur ein Mann kann ihr oberstes Kirchenhaupt werden und sie werden dazu angehalten, nicht an ihren Autoritäten zu zweifeln, denn alles was ihr Prophet (der jeweils ernannte oberste Leiter) sagt, kommt von Gott. Die Kleidung der Mormonen soll stets „ordentlich“ und zurückhaltend sein. Frauen dürfen in der Kirche keine Hosen tragen, generell keine tief ausgeschnittenen und enge Tops und körperbetonte Kleidung gilt als nicht sittsam. Sexualität vor der Ehe ist nicht erlaubt. Mormonische Männer glauben, dass sie in ihrem Leben nach dem Tod mehrere Frauen haben werden. Feministinnen gelten als Verführerinnen, die Frauen aus der göttlichen Rolle der Weiblichkeit auf der Weg der Fehler geführt haben.
Die Frauen der Amish-People müssen Kleidung in gedeckten Farben und ohne Muster tragen, die Kleiderlänge ist vorgeschrieben und sie schneiden ihr Haar nicht. Sie müssen es mit einer Kappe bedecken und dürfen keinen Schmuck tragen.
Überreste von Bekleidungsvorschriften finden auch in der Sitte, dass in vielen katholischen Ländern Frauen aufgefordert werden, beim Kirchenbesuch ihr Haar zu bedecken, während Männer den Hut abnehmen.
Kritik an der konservativen Auslegung der Rolle der Frauen wird häufig mit dem Verweis auf die Degradierung westlicher Frauen zu Sex-Objekten entgegnet – ein durchaus richtiges Argument, das jedoch die Tatsache übersieht, dass sich hier jede Frau frei entscheiden kann, ob sie sich diesem kulturellen Diktat unterwirft. Tut sie es nicht, können daraus Diskriminierungen erwachsen, aber keine Sanktionierungen wie im religiösen Kontext.
Die Bekleidungsregelungen des Islam sind nur insofern festgelegt, als es im Koran heißt, die Frau solle ihre Scham bedecken. Es hängt von den jeweiligen kulturellen und politischen Bedingungen ab, wie diese von den Imamen ausgelegt wird. Eine Vollverschleierung finden wir heute in Ländern mit starkem salafistischen Einfluss. Es ist keineswegs so, dass alle muslimischen Frauen diese generell ablehnen, sondern man muss zur Kenntnis nehmen, dass es auch viele Frauen gibt, die Salafistinnen sind. Insofern sind Forderungen nach dem Burkaverbot absurd (ganz davon abgesehen, dass sie unseren grundgesetzlich garantierten Recht der freien Religionsausübung widersprechen.). In Ägypten waren es die Studentinnen, die gefordert haben, an den Universitäten wieder Schleier tragen zu dürfen, dort gibt sehr viele aktive Frauen in der Muslimbrüderschaft. Selbst wenn frau der Auffassung ist, sie sei ein Zeichen der Frauenunterdrückung, ist es immer noch Aufgabe der Betroffenen, dies selbst zu bewerten und sich möglicherweise dagegen zu wenden.
Edith Laudowicz
Glenys meint
Morgen – am 28.1. – gibt es eine hochinteressante Veranstaltung mit Mouhanad Khorchide in der Uni Bremen. “Wir” und “die Anderen” – Zur Frage nach dem Platz und der Rolle eines zukunftsweisenden, verständigungsorientierten Islams in der Mitte europäischer Gesellschaften.
18:30 Uhr im Rahmen des Aktionsbündnisses „Bremen tut was“ von Bürgermeister Jens Böhrnsen im Großen Hörsaal (Keksdose) auf dem Boulevard.
Grüße, G.