„Normen wirken immer auch ausgrenzend.“ Dieses Quartal beschäftigt sich der Beirat Junge Frauen analytisch mit dem Thema Schönheit. Hier ein zusammenfassender Bericht.
Den Einstieg in eine sehr lebendige Diskussion zum Thema boten folgende Fragen, die von den Beiratsfrauen anonym beantwortet wurden:
1. Gibt es einen Teil deines Körpers, mit dem du unzufrieden bist?
2. Hast du schon einmal daran gedacht, dies irgendwie zu „verbessern“?
3. Hast du schon einmal eine Diät gemacht um abzunehmen?
4. Hast du an deinem Körper dauerhafte Veränderungen vorgenommen, die „invasiver“ sind als Haare färben, Kosmetik, Sport?
Hier ein Streifzug durch die in der Diskussion angesprochenen Aspekte:
Erst einmal sollte nicht vergessen werden, dass es verschiedene Schönheitsnormen in den jeweils unterschiedlichen Szenen gibt, auch was Piercing und Tatoos betrifft. In allen werden Frauen/Männer in ein – jeweils anderes – Raster gezwungen (so gibt es auch den Zwang zur „Natürlichkeit“ in der „linken“ Szene das heißt keine hohen Schuhe, Nagellack etc.). Auch das ist einschränkend. Jede soll sich so gestalten können wie sie möchte. Auch in der Arbeitswelt gibt es Dresscodes. Normen wirken immer auch ausgrenzend. Ausgegrenzt werden auch Menschen, die kein Geld für Interventionen haben. Schönheitsnormen dienen so als Machtinstrument, in dem Menschen (und hier besonders Frauen) entwertet und abgewertet werden. Durch die Festsetzung von Standards werden Herrschaftsstrukturen etabliert. Frauen werden dann nicht mehr von außen kontrolliert, sondern kontrollieren sich selbst in Bezug auf ihr Aussehen oder ihr Verhalten. An der Herstellung dieser Normen wirken alle mit: Freundinnen und Freunde, Familie, Medien, Werbung. Als Grenze für Interventionen wird in der Diskussion formuliert: „Alles was weh tut.“ Aber tut Ohrlochstechen nicht auch weh? Das wird in einigen Umfeldern sehr früh gemacht. Oder auch Tatoos.
Medien sind ein Grund für die häufige Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper
Retusche: Unterschiedliche Medien liefern die Grundbilder, was als schön gilt. Ja, darüber können Frauen auch Selbstbewusstsein gewinnen. Allerdings sind die Medienbilder produziert und haben immer häufiger wenig mit der Realität zu tun (Photoshop). Das Thema ist überall präsent und beschäftigt sowohl Frauen als auch Männer, wenn auch unterschiedlich stark. Hilfreich und wichtig ist es, wenn Frauen untereinander ehrlich sein können, über ihre Erfahrungen und Ängste sprechen. Dafür braucht es Strukturen (auch für junge Mädchen und in schulischen Zusammenhängen).
Männer: Auch sie stehen sehr unter Druck. Auffällig deren Nutzung von Fitness Studios mit rigiden Diätvorgaben, ständigem Training, Nahrungsergänzungsmitteln etc. Darüber wird aber viel weniger gesprochen.
Alter(n): In westlichen Ländern können die Menschen nicht damit umgehen, dass sie älter werden – das heisst, sie verleugnen dies, versuchen sich jünger zu machen oder reagieren zynisch auf den Alterungsprozess statt die Chancen positiv zu sehen. Ältere Menschen werden auch nicht angemessen respektiert.
Intime Schönheitsnormen: Zu Intim-OPs besteht einhellig Unverständnis – unter anderem, weil der Intimbereich ja im öffentlichen Leben nicht so sichtbar ist wie zum Beispiel die Nase. Auch die Intimrasur wird kontrovers diskutiert, besonders kritisch wird der Zusammenhang zwischen „haarfrei = hygienisch“ bzw. „behaart – unhygienisch“ diskutiert. Wo bleibt die Selbstbestimmung? Man kommt schwer raus aus den Normen.
Ergebnis der Befassung: Vorschläge für die ZGF
Die Beiratsfrauen schlagen vor, Schulmaterialien zu Schönheitsoperationen und –normen zu entwickeln, die Diskussionen in den Klassenzimmern anregen und Informationen zu den Risiken von Schönheits-OPs geben (wie es sie auch zu Sexualität gibt), zudem befürworten sie eine Kampagne, die positive Bilder von der Vielfalt der Menschen verbreitet („Du bist schön, wie du bist“).
Gesetzesideen: Diskutiert wurde ein Verbot von Schönheitsoperationen für unter 18-Jährige, das von den meisten Beiratsfrauen als sehr sinnvoll befunden wurde.
Diskutiert wurde auch, ob es sinnvoll ist, das Ohrlochstechen bei Kindern zu verbieten, weil es ja ein unumkehrbarer körperlicher Eingriff ist, der von den Eltern entschieden wird. Vergleich auch die Debatte zur Beschneidung von Jungen.
Bärbel Reimann
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