Neben „Islamisierung“ und „Genderwahn“ ist Abtreibung das dritte große Thema, bei welchem es zu Verknüpfungen zwischen ultrakonservativen, oft christlichen, und rechtsextremen Milieus kommt. Doch wie kommt es zu diesem Schulterschluss? Was ist die Motivation des rechtsextremen Milieus, die Abtreibungsthematik für sich entsprechend zu instrumentalisieren? Und mit welchen Mitteln geschieht dies?
Eine „Willkommenskultur“ für Kinder
Eine Willkommenskultur für Kinder. Dieser Ausdruck findet sich in den Wahlprogrammen und Ansprachen entsprechend konservativer bis rechter Politiker*innen immer wieder. Doch was eigentlich sehr gut klingt, entpuppt sich schnell als heuchlerisch. Schließlich bezieht die Willkommenskultur sich in erster Linie auf ungeborene Kinder. Sind die Kinder erst mal auf der Welt, dann sieht es in den Parteiprogrammen von AfD und Co. mager aus mit entsprechenden Vorschlägen. Effektive Jugendhilfe, erweiterter Kinderschutz, mehr Unterstützung für Bildungs- und Betreuungsinstitutionen, all das findet wenig Beachtung. Auch Vorschläge zum Umgang mit Kindern, die von dem, was als gesellschaftliche Norm bezeichnet wird, abweichen, lassen zu wünschen übrig.
Kontrolle über den eigenen Körper
Abtreibungsgegner*innen geht es vermutlich nicht nur um den Schutz des ungeborenen Lebens, sondern auch um die Kontrolle über den weiblichen Körper. Das ist in Anbetracht ihrer generell misogynen Einstellung naheliegend. Ein selbstbestimmter Umgang mit Schwangerschaft und Schwangerschaftsabbruch soll Schwangeren nicht ermöglicht werden. Damit spricht man den Betroffenen vor allem die Fähigkeit ab, selbstständig und reif entscheiden zu können.
Die Gründe rechter Abtreibungsgegner*innen
Ein Beweggrund ist es also, Menschen, die schwanger werden können, in ihrer Sexualität und Freiheit massiv zu beschneiden. Das rechte Milieu hat aber auch noch anderweitige Motivationen. Ein Teil steht offen dazu, dass „deutsche“ Frauen mehr Kinder haben müssten, um die „deutsche Bevölkerung“ aufrechtzuerhalten. Hierbei wäre ein Zugang zu Abtreibung kontraproduktiv. Ein anderer Teil will so vermutlich Wähler*innen unter den Kinderfreund*innen gewinnen und sich als liebevoll und kinderfreundlich inszenieren.
Schwangerschaftsabbrüche aus Sicht der Betroffenen
Ideologische Argumentationen blenden dabei aus, dass Schwangere sehr wohl selbstständig beurteilen können, ob ein Schwangerschaftsabbruch für sie persönlich richtig ist. Neben dem Schutz des ungeborenen Lebens liegt Abtreibungsgegner*innen angeblich auch die psychische Gesundheit der Betroffenen am Herzen. Ihre Behauptungen, dass Schwangerschaftsabbrüche negative psychische Folgen haben und immens belastend sind, können sie jedoch nicht belegen. Stattdessen hat eine neue Studie das Gegenteil ans Licht gebracht. Über 95% aller Teilnehmer*innen hätten den erlebten Schwangerschaftsabbruch nach fünf Jahren entweder positiv oder neutral bewertet. Dies spricht sehr klar dafür, dass Schwangere eindeutig dazu in der Lage sind, die für sich persönlich richtige und gute Entscheidung zu treffen.
Schwangerschaftsabbrüche und Intersektionalität?
Nicht vergessen sollten wir natürlich die Tatsache, dass Abtreibung generell ein sehr brisantes Thema ist. Hier kann es selbst innerhalb von feministischen Kreisen zu Reibungen und Unstimmigkeiten kommen. Tatsächlich sehen auch manche Feminist*innen eine allzu große Lockerung der bestehenden Abtreibungsgesetze kritisch. Ihnen geht es, im Gegensatz zu ultrakonservativen und rechten Bewegungen, allerdings nicht um Eingriffe in die Selbstbestimmung der Schwangeren. Viel eher vertreten einige gerade im Hinblick auf Intersektionalität eine andere Sorge. Sie befürchten, dass leichterer Zugang zu Abtreibungen dazu führen könnte, auch Babys mit leichteren Behinderungen vermehrt abzutreiben. So entstünde eine Selektion.
Was sollten wir tun?
Auch solche Argumente sollten in der Abtreibungsdebatte berücksichtigt und ernstgenommen werden. Sie richten noch einen neuen Blickwinkel auf das ethische Dilemma, welches die Abtreibungsthematik mit sich führt. Die Antwort der ultrakonservativen und rechten Kreise auf diese Sorge, Abtreibung zu verteufeln und das Verbot aufrechterhalten zu wollen zu wollen, ist jedoch keineswegs zielführend. Viel eher sollte man einen respektvollen Diskurs auf Augenhöhe führen. Dort soll das Recht Schwangerer auf Selbstbestimmung gleichermaßen berücksichtigt werden wie ethische Aspekte.
Franka Billen
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