Triggerwarnung: Dieser Text thematisiert sexualisierte Gewalt.
Im Juli 2016 vergewaltigten fünf Männer eine 18jährige Frau während des Stierrennens in Pamplona in einem Hauseingang. Die Männer waren aus Andalusien angereist und nannten sich selbst „La Manada“ (das Rudel). Die Tat hatten sie bereits vor ihrer Reise geplant. Die Vergewaltigung filmten sie mit ihren Handys und teilten das Video später mit Freunden. Im April 2018 gab es nach langwierigen Verhandlungen dann die Verurteilungen. Die Staatsanwaltschaft hatte eine Haftstrafe von 22 Jahren wegen Vergewaltigung gefordert. Verurteilt wurden die Männer schließlich zu neun Jahren wegen sexuellen Missbrauchs.
Mindeststrafen für die Täter
Dass die Täter mit der Mindeststrafe davonkamen führte in vielen Städten Spaniens, vor allem in Barcelona und Madrid, zu Protesten und Demonstrationen, über die auch internationale Medien viel berichteten. Um ihre Solidarität zu bekunden, skandierten Protestierende „Escucha, hermana, aqui está tu manada“ – „Hör zu Schwester, hier ist dein Rudel“. Berichte über das Urteil und die massenhaften Proteste dagegen sammelten sich unter dem Hashtag #EstaEsNuestraManada. Auch den Hashtag #YoSíTeCreo benutzen Aktivist*innen in diesem Zusammenhang häufig. Übersetzen lässt sich dieser Slogan als „Ich glaube dir“ und ist eine Kurzform des auf den Demos oft skandierten „Hermana, yo sí te creo“. Unter diesem Hashtag berichteten auch andere Frauen, die Opfer sexualisierter Gewalt geworden waren, dass ihnen nicht ausreichend Glauben geschenkt wurde. Im verhandelten Fall setzten die Verteidiger der Männer sogar Privatdetektive ein. Sie sollten beweisen, dass die Frau durch die Tat nicht schwer traumatisiert sei und noch immer ausgehe und Alkohol trinke.
Der Fall hat eine neue Debatte über das Sexualstrafrecht in Spanien angestoßen, dessen Überarbeitung seit langem gefordert wird. Nach spanischem Recht liegt eine Vergewaltigung nur dann vor, wenn das Opfer eindeutig Bedrohung ausgesetzt ist, oder sich vehement wehrt. Frauenverbände kritisieren diesen Passus seit seit langem. Viele Opfer trauen sich nicht, sich zur Wehr zu setzen oder seien einfach zu geschockt, um rational zu handeln. Wie auch viele andere Frauen gab das Opfer von „La Manada“ an, Angst gehabt zu haben, ihre Situation durch Gegenwehr noch zu verschlimmern. Da sie aber vor Gericht nicht angeben konnte, was genau sie befürchtete, berücksichtigten die Verantwortlichen diesen Aspekt in der Urteilsfindung nicht. Da auch keine eindeutige verbale oder körperliche Bedrohung auf den Videos erkennbar ist, entschied das Gericht, dass in diesem Fall lediglich ein sexueller Missbrauch vorliegt.
Danke, dass ihr mich nicht alleingelassen habt
Über die vergewaltigte Frau ist in der Öffentlichkeit beinahe nichts bekannt. Nach der Urteilsverkündung äußerte sie sich aber in einem offenen Brief in einer beliebten Fernsehsendung. Sie dankt darin den Aktivist*innen dafür, dass sie ihr geglaubt und sie nicht alleingelassen haben. Dies habe ihr in der Zeit der Urteilsfindung viel Kraft gegeben und ihr gezeigt, dass viele das Urteil ebenfalls als eine Schande empfinden. Außerdem spricht sie anderen Opfern Mut zu und rät ihnen, sich nicht einschüchtern zu lassen und soviel Normalität wie möglich in ihrem Leben zu finden. Nicht die Opfer sollten den Stempel „vergewaltigt“ tragen und sich für das Geschehene schämen. Dies spiele nur den Tätern in die Hände. Dafür aber, so die Einschätzung der Frau, braucht es ein gesellschaftliches Umdenken im Land und eine neue rechtliche Basis, damit Gerechtigkeit endlich möglich wird.
Sowohl die Angeklagten als auch das Opfer sind gegen das Urteil in Berufung gegangen. Bis das Urteil endgültig gefallen ist, sind die Täter auf Kaution frei. Wie El País berichtet wird gegen vier von ihnen auch in einem weiteren Fall ermittelt. Es gibt Hinweise darauf, dass sie ebenfalls gemeinschaftlich eine 21-jährige Frau in der Nähe von Córdoba in Andalusien vergewaltigt haben. Diese Tat sollen sie zwei Monate zuvor begangen haben. Der fünfte Angeklagte war zwischenzeitlich für kurze Zeit in Haft, weil er nach einem vereitelten Diebstahl versucht hatte, zwei Kaufhausdetektive zu überfahren. Ob es noch dieses Jahr ein rechtsgültiges Urteil in diesem Fall gibt, ist ungewiss.
Marion Rave
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