Gewalt findet überall statt und kommt in allen möglichen Formen!
Gewalt findet nicht nur auf der Straße statt, wenn die Sonne bereits unter gegangen ist, ausgeübt von einem Fremden. Oft geschieht es in den eigenen vier Wänden, in der Schule oder am Arbeitsplatz. Dabei muss Gewalt nicht immer laut und körperlich sein. Sie kann sowohl physischer als auch psychischer Natur sein. Beleidigungen, Diskriminierung und Sexismus sind auch Formen von Gewalt. Kurz gesagt: Gewalt ist alles, was dich verletzt und deine persönlichen Grenzen überschreitet.
Um sich vor Gewalttaten zu schützen, werden immer mehr Selbstverteidigungskurse angeboten. Eigentlich eine sehr gute Sache. Doch wie gut sind diese Kurse? Viele stellen sich selbst als Patentrezept gegen gewalttätige Übergriffe dar. Juls Hausdorf, Trainerin im Wendo-Netzwerk für feministische Selbstbehauptung und Selbstverteidigung, hält diese Darstellung für gefährlich. Denn so etwas wie ein Patentrezept gegen Gewalt gibt es nicht! Im schlimmsten Fall kann so eine Behauptung sogar negative Folgen haben. Wenn Menschen, welche an solch einem Kurs teilgenommen haben, Opfer von Gewalt werden, kann es passieren, dass sie sich selbst die Schuld geben, weil sie falsch gehandelt haben.
Selbstverteidigung braucht Selbstbehauptung
Aus diesem Anlass wurden von einer interdisziplinären Arbeitsgruppe Grundregeln für Selbstbehauptungskurse verfasst und in einer 36-seitigen Broschüre festgehalten, die zwei Tage vor dem Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen (25. November 2016) der Öffentlichkeit vorgestellt wurde. Die Herausgeber*innen sind die Bremische Zentralstelle für die Verwirklichung der Gleichberechtigung der Frau (ZGF) und die Polizei Bremen.
Die Broschüre ziert die Überschrift: „Selbstverteidigung braucht Selbstbehauptung. Standards für Selbstbehauptungskurse.“ Sofort fällt auf, dass hier nicht mehr von Selbstverteidigungskursen, sondern von Selbstbehauptungskursen die Rede ist. Das liegt daran, dass Selbstverteidigungskurse oftmals nur gegen physische Gewalt gerichtet sind. Die Strategien, die hier erlernt werden, helfen jedoch nicht, wenn du Opfer psychischer Gewalt wirst. Daher ist Selbstbehauptung enorm wichtig. Selbstbehauptung meint, dass du dir deiner eigenen Bedürfnisse, Grenzen und Rechte stets bewusst bist und diese in Konfliktsituationen deutlich machst. „Selbstbehauptung ist das Dach über der Selbstverteidigung und macht diese erst möglich“, betont Ulrike Hauffe, Landesbeauftrage und Leiterin der ZGF.
Inhalt der Broschüre
Die Broschüre bietet einen Überblick über die Voraussetzungen und Rahmenbedingungen, welche für jeden guten Kurs eingehalten werden müssen. Dabei wird darauf aufmerksam gemacht, dass auf die unterschiedlichen Bedürfnisse von verschiedenen Gruppen auch unterschiedlich eingegangen werden muss. Gegliedert wird dabei in folgende sieben Gruppen: Frauen und Mädchen, Jungen und Männer, Kinder und Jugendliche, Frauen und Mädchen mit Beeinträchtigung/Behinderung, Jungen und Männer mit Beeinträchtigung/Behinderung, Trans* und Inter* Personen und ältere Menschen.
Da es nicht möglich ist, alle angebotenen Selbstverteidigungskurse á la Stiftung Warentest zu prüfen, sind Checklisten zur Selbstkontrolle enthalten. Die nützlichen Hefte werden in Schulen, Vereinen und bei der Polizei ausgeteilt. Zudem ist die Broschüre als PDF im Internet verfügbar.
Dass die Broschüre allein nicht ausreicht, um gute Selbstbehauptungskurse zu gewährleisten, stellt Tina Brinkmann-Lange vom Landessportbund klar. Zusätzlich muss für die nötigen Qualifikationen der Trainer*innen gesorgt werden, am besten durch Fortbildungen. Juls Hausdorf ergänzt: „Es ist wichtig, dass Trainer*innen die Kompetenz haben, damit umzugehen, dass Teilnehmer*innen schon Diskriminierung und Gewalt erfahren haben.“ Fehlende Kompetenz in diesem Feld könnte im schlimmsten Fall zu negativen psychologischen Folgen der Teilnehmer*innen führen.
Einige nützliche Tipps
Im Anschluss des Pressegesprächs haben der Trainer Frank Kunze (ehemals Präventionszentrum der Polizei) und die Trainerin Martina Rohland praktische Übungen zur Selbstbehauptung und Zivilcourage gezeigt.
Wenn man einer Person helfen möchte, welche angegriffen wird, ist es sehr wichtig, mindestens drei Meter Abstand zu halten. Sich selbst in Gefahr zu bringen, hilft meist wenig. Ein häufiger Fehler ist, dem oder den Täter*innen anzudrohen, die Polizei zu rufen. Diese Drohung wird meist nicht ernst genommen. Viel wirksamer ist hingegen, sich an das Opfer zu wenden und zu rufen: „Keine Angst! Bleiben Sie ruhig, die Polizei ist unterwegs.“ Das impliziert, dass die Polizei bereits gerufen wurde und beruhigt das Opfer.
Ein weiterer nützlicher Tipp ist, bei einem Überfall seine Wertsachen schnell von sich weg zu schmeißen und laut nach Hilfe zu rufen. Im Idealfall erschreckt der oder die Angreifer*in sich durch die ungewohnte Reaktion und rennt weg. Wenn der oder die Täter*in den Wertsachen jedoch folgt, hat man wenigstens genug Zeit und Abstand, um die Flucht zu ergreifen.
Hannah Rößer
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