Der Frühling ist inzwischen mehr als präsent und mit ihm auch die weit verbreiteten, hoch angepriesenen Frühlingsgefühle. Die Annahme, Gefühle rund um Liebe und Verliebtsein seien im Frühling am Stärksten, ist nach wie vor weit verbreitet.
In den sozialen Medien, wie beispielsweise auf Instagram, habe ich seit ein paar Wochen das Gefühl von Bildern und Videos überhäuft zu werden, die frisch verliebte Paare zeigen oder Tipps für gut gelingende Langzeitbeziehungen geben. Dabei handelt es sich den meisten Fällen um cis-heterosexuelle Paare. Beim Scrollen durch den Überschuss an Beiträgen habe ich mich immer häufiger gefragt: Sind #couplegoals in den Sozialen Medien noch zeitgemäß?
Spoiler: 5 feministische und definitiv zeitgemäße #couplegoals habe ich am Ende des Artikels zusammengetragen.
Was ist unter #couplegoals zu verstehen?
Couple goals oder auch relationship goals stehen für Ziele, die innerhalb einer romantischen Beziehung erreicht werden können und sollen. Diese Ziele werden durch verschiedene Handlungen oder Paare charakterisiert, die ein Vorbild für die eigene Beziehung darstellen sollen. Was unter dem Begriff verstanden wird, ist abhängig davon, was die breite Mehrheitsgesellschaft für optimale Beziehungsziele hält. Der Begriff wurde ursprünglich dafür benutzt, um die Beiträge von Social Media Kanälen anderer Personen zu kommentieren. Inzwischen sind auf der Plattform Instagram 51,4 Millionen Beiträge mit dem Hashtag #couplegoals versehen worden.
Cis-heteronormative & monogame #couplegoals
Mich hat interessiert, welche Paare in Deutschland zu den beliebtesten Influencer*innen gehören und somit eine Menge von (überwiegend jungen) Menschen erreichen. Auffällig problematisch dabei: es sind zum größten Teil Paare, die in einer cis-heterosexuellen, monogamen Beziehung leben. Monogamie bedeutet mit nur einem/einer Partner*in eine Beziehung zu führen. Diese veralteten Stereotype von Beziehungsgestaltung werden als Ziele dargestellt, die es zu erreichen gilt.
Falls ihr noch einmal nachlesen wollt, was der Begriff “cisgender” bedeutet, schaut in unseren Artikel zur Reihe “Was ist eigentlich…?”.
Mit einer Reproduktion von stereotypischen Beziehungsvorstellungen steigt auch die Gefahr in geschlechtsspezifische Rollenbilder zu rutschen. Beispielsweise wird in cis-heterosexuellen Beziehungen vermehrt von Frauen die emotionale Arbeit geleistet und für selbstverständlich angesehen. Außerdem können durch die dargestellten #couplegoals veraltete Machtverhältnisse glorifiziert werden. Der Trend der „staying at home“-girlfriends kann als Beispiel dafür gesehen werden. Die Frau bleibt zuhause, kümmert sich um Familie und Haushalt, während der Mann das Geld verdient. Diese Art der Beziehungsgestaltung muss nicht zwangsläufig veraltet sein, solange die Entscheidung einvernehmlich getroffen wurde und sich alle Parteien damit wohlfühlen. Was viele allerdings vergessen: Die „staying at home“-girlfriends verdienen mit ihren Beiträgen Geld, in dem sie ihr „Zuhausebleiben“ vermarkten. Sie gestalten demnach ihre Zeit mit Dingen, die sie sich aus einem finanziellen Privileg heraus leisten können. Der Alltag der “staying at home“-girlfriends ist nicht 1 zu 1 auf die eigene Beziehungsgestaltung übertragbar, hier ist also Vorsicht geboten vor einer möglichen Glorifizierung der medialen Darstellung.
#couplegoals durch Kinder und Hochzeit?
Die deutliche Mehrheit dieser #couplegoals-Influencer*innen stecken mitten in der Familienplanung oder haben bereits ein Kind bzw. mehrere Kinder. Und auch der „schönste Tag im Leben“ – die eigene Hochzeit – wird durch aufwendig geplante Fotos, Inszenierungen und gut geschnittene Videos breitgetreten. Es lässt sich darüber diskutieren, ob dieser Tag wirklich so schön oder eher „schön gestellt“ war. Auch die Familienplanung bzw. die Kinder spielen eine immer größere Rolle, wenn es um die Darstellung der eigenen „perfekten“ Beziehung geht. Mit den Themen Jugendschutz und Privatsphäre der Kinder fange ich gar nicht erst an. Die Personen, die aus bewusst getroffenen Gründen keine Kinder haben wollen oder aus medizinischen Gründen keine eigenen Kinder haben können, erliegen durch dieses reproduzierte Familienideal einem enormen Druck, diesem Ideal gerecht werden zu müssen.
Zu den veralteten Idealvorstellungen von Familie gibt es einen eigenen Artikel auf unserem Blog. Lest dort gerne rein, wenn euch das Thema interessiert!
Fazit
Es wurde längst nicht alles Problematische an #couplegoals erwähnt, dennoch bleibt mir nach meiner Recherche ein fader Beigeschmack, wenn ich an all die #couplegoals-Beiträge denke, die ich in meinem Leben schon betrachtet und dabei gedacht habe: „Ich hätte gerne eine Beziehung, die genauso aussieht!“.
Egal, welche Form von Beziehung in den Sozialen Medien präsentiert wird: Es ist wichtig sich bewusst zu machen, dass diese Beiträge nur einen minimalen Augenblick des Gesamten darstellen. In den meisten Fällen sind die Beiträge aufwendig geplant und entstehen aus einer künstlich herbeigeführten Situation heraus. Viele dieser Beiträge werden benutzt, um sie zu kommerzialisieren oder daraus Profit zu schöpfen – egal, ob finanziell oder emotional. Es wird mit etwas geworben, was hinter den Kulissen meist anders aussieht und wenig mit “privaten Einblicken” zu tun hat. Dass dies kein allgemeingültiger Maßstab für die Beziehungen der Gesamtgesellschaft ist, sollte meines Erachtens viel präsenter sein. Das dauerhafte Vergleichen mit Anderen kann unzufrieden machen und im schlimmsten Fall gesunde Freund*innenschaften oder Beziehungen aufs Spiel setzen.
Umso spannender ist der Gedanke, #couplegoals neu zu definieren und umzudenken. Es gibt durchaus zeitgemäße und feministische #couplegoals, die bedenkenlos als Beziehungsziele gesetzt werden können. Ob ihr diese für euch einsetzt oder in den Sozialen Medien teilen möchtet, bleibt euch überlassen.
- Stereotype Vorstellungen von männlich und weiblich aufbrechen. Patriarchale Strukturen ziehen sich durch alle Formen von Beziehungen. Aus diesen Strukturen herauszubrechen ist nicht leicht, aber absolut notwendig. Hinterfragt die geschlechtsspezifischen Eigenschaften, die euch zugeschrieben werden. Kümmert euch gemeinsam um Care-Arbeit, Beziehungsarbeit und emotionale Arbeit. Das Boykott-Magazin bringt es wunderbar auf den Punkt: “Wir wollen uns als ganze Personen mit all unseren Gefühlen, Schwächen und Stärken, Bedürfnissen und Verletzlichkeiten wahrnehmen und zeigen können – und damit eine echte gesellschaftliche Änderung anstoßen […] hin zu solidarischem, zärtlichem Miteinander.“
- „Schlechte“ Phasen normalisieren und daraus Kraft schöpfen. Eine romantische Beziehung steht früher oder später vor Herausforderungen, die in allen Parteien negative Gefühle auslösen (können). Beziehung bedeutet gemeinsame Arbeit und ist mehr als „entweder es passt oder es passt nicht“. Hinterfrage den Wunsch nach einer idealisierten Romantik, wie sie in (besonders heteronormativen) Beziehungen nach wie vor als „Ziel“ angepriesen wird.
- Die Sozialen Medien und vermeintliche „Vorbilder“ kritisch hinterfragen. Ist der abgebildete Moment auf meinem Display wirklich so „perfekt“ wie es scheint? Ist das, was hinter diesem Bild oder Video steckt, für mich und meine Beziehung erstrebenswert? Möchte ich die (meist) dargestellten Stereotype als persönliches „goal“ setzen? Gelten meine Neidgefühle dem scheinbaren „Beziehungsglück“ oder der positiven Aufmerksamkeit im Netz, die damit einhergeht?
- Ehrliche Kommunikation auf Augenhöhe. Regelmäßige „Check-Ups“ können dabei helfen, um die Kommunikation aktiv im Auge zu behalten und an ihr zu arbeiten, wenn notwendig. Emotionale Arbeit ist gleichberechtigt und nicht geschlechtsspezifisch. Beide/Alle Parteien dürfen Verantwortung für ein Gespräch übernehmen, Unangenehmes ansprechen, um Rückmeldung bitten oder konkrete Nachfragen stellen.
- Gemeinsam heilen und wachsen. Jede Person hat ein Päckchen aus negativen Glaubenssätzen oder Beziehungsmustern dabei. Akzeptiere und respektiere das Gegenüber und dich selbst. Sich gegenseitig Halt bieten, gesunde Grenzen formulieren, emotionale Nähe zulassen (lernen), in der Beziehung, aber auch als Individuum wachsen – all das ist so viel bedeutender als ein Social Media Post.
Habt ihr noch weitere feministische und zeitgemäße #couplegoals? Ziele, die den Fokus nicht nur auf cis-heterosexuelle Paare lenken? Lasst es uns in den Kommentaren oder auf unseren Social Media Kanälen wissen!
Nina Boekamp
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