Wie viele junge Menschen war ich nach meinem Schulabschluss orientierungslos. Die Lösung: ein Freiwilligendienst.
Ich habe mich für eine Einsatzstelle in einer solidarischen Landwirtschaft (SoLaWi) entschieden. Das Konzept SoLaWi bedeutet, dass Menschen gemeinsam einen landwirtschaftlichen Betrieb finanzieren und dafür anteilig den erwirtschafteten Ertrag bekommen. Das nimmt in der Theorie den Druck, mit immer niedrigeren Gemüsepreisen konkurrieren zu müssen. Da ich Gartenarbeit mag und das Konzept SoLaWi gut in meine Vorstellung von einer gerechteren Welt passt, habe ich mich für das FÖJ entschieden. Mir war davor schon ziemlich klar, dass ich nicht dauerhaft im landwirtschaftlichen Bereich arbeiten möchte, aber im Verlauf des Jahres wurde es immer deutlicher.

Die Landwirtschaft ist ein hartes Berufsfeld
Der körperliche Aspekt ist dabei wahrscheinlich am offensichtlichsten. Noch belastender ist für mich jedoch der mentale Aspekt. Man ist den Wetterbedingungen ausgesetzt. Ob Minusgrade, strömender Regen oder pralle Hitze, die Arbeit muss trotzdem getan werden. Während im Winter dann die Arbeitstag verkürzt wurde oder in extremen Fällen komplett ausgefallen ist, ist das seit April nicht mehr möglich. Spätestens seitdem hinken wir dem Zeitplan hinterher.
Unterschätzt habe ich auch, welche Wirkungen das monotone Arbeiten auf mich hat. Es kommt schon oft vor, dass ich über Stunden hinweg alleine an einem 30 Meter langem Beet arbeite. Gerade anfangs hat das bei mir zu destruktiven Gedankenspiralen geführt. Damit habe ich umzugehen gelernt. Aktuell höre ich durchgehend während der Arbeitszeit Podcasts. Dann konzentriert sich mein Gehirn aufs Zuhören.
Ich glaube, ein generelles Problem von Freiwilligendiensten ist, dass viele Einsatzstellen vor allem billige Arbeitskräfte gebrauchen können. So ist es zumindest in meiner SoLaWi. Sie ist auf FÖJler*innen angewiesen und trotzdem noch personell unterbesetzt. So kommt es auch, dass ich, genau wie die anderen aus meiner SoLaWi, dreimal überlege, ob ich zu Hause bleibe, wenn ich krank bin. Zu dem generellen verinnerlichten kapitalistischen Grundsatz, immer mehr leisten zu müssen, gesellt sich der solidarische Gedanke: „Wenn ich heute nicht arbeite, müssen die anderen noch mehr machen oder wir verfehlen noch weiter den Zeitplan“.
Also zwingt man sich zur Arbeit in einer Verfassung, in der man nicht arbeiten sollte. Das hilft natürlich nicht bei der Genesung. Wenn ich doch mal zuhause geblieben bin, weil ich meine Gesundheit priorisiert habe oder weil ich schlichtweg körperlich nicht in der Lage war zur Arbeit zu kommen, kam das schlechte Gewissen und plagte mich zusätzlich zur Krankheit.
Durch die Arbeit fühle ich mich extrem unter Druck gesetzt. Das ist aktuell der größte Stressfaktor in meinem Leben. Das hat sich im Verlauf des Jahres immer mehr gesteigert. Dieser Druck, der uns alle belastet, führt zu einem angespannten Verhältnis untereinander. Zum Beispiel wird meine Ausführung von Tätigkeiten kritisiert und ich kriege andauernd „Verbesserungsvorschläge“. Alles mit dem Ziel, schneller und effizienter zu arbeiten. Teilweise sind die Ratschläge auch widersprüchlich, je nachdem wer sie mir gibt. Das heißt aber auch, dass ich es gar nicht „richtig“ machen kann.
Eine Person wird sich immer daran stören, weil es nicht „ihre/seine Art“ ist, die Dinge zu tun. Am allermeisten stört es mich jedoch, wenn der zwei Jahre jüngere männliche FÖJler mir ungefragt seine Meinung kundtut und „Tipps“ zur Ausführung von Tätigkeiten gibt. Ich würde nicht im Traum auf so eine Idee kommen. Ich habe sogar schon öfter Situationen erlebt, in denen er etwas sehr offensichtlich falsch gemacht hat. Jedoch ist bei mir der erste Gedankengang, dass ich etwas falsch verstanden habe. Da zeigt sich der Unterschied von männlicher und weiblicher Sozialisierung.
Ich verstehe sehr gut, dass die ständigen Optimierungsversuche der hauptberuflich angestellten Gärtner*innen auch nur verzweifelte Bemühungen sind, sich und die SoLaWi über Wasser zu halten. Unsere Solawi hat Finanzierungsprobleme, was vor allem daran liegt, dass sie zu wenig Mitglieder hat. Damit ist sie auch nicht allein, vielen SoLaWis geht es ähnlich. Der Druck, der allgemein in der Landwirtschaft herrscht, trifft also doch auch SoLaWis.
Awa K.
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