Über unsere Autorin Heidemarie erhalten wir seit vielen Jahren in unregelmäßigen Abständen sehr persönliche und humorige Berichte aus Island. Diesmal berichtet ihre Tochter Katja selber aus Sudureyri/Westfjorde:
In dieser Woche hatte ich ein paar richtig schöne Erlebnisse beim nach-Hause-Radeln.
Am Montag radelte ich in der Abendsonne von der Arbeit nach Hause, als ich vor mir ein zusammengerolltes Lämmchen auf der Fahrbahn sah. Es regte sich nicht, als ich näher kam. Vielleicht war es schon überfahren worden? Ich sah aber kein Blut und es sah auch nicht so … platt aus. Als ich direkt davor anhielt, regte das Knäul sich und dann standen da 2 winzige Lämmer vor mir (die meisten Lämmer sind jetzt schon etwas größer). Weit und breit war kein Mammaschaf zu sehen. Wir unterhielten uns ein wenig in Mähmäh. Ich versuchte, die unten am Fjord grasenden Schafe und die Lämmer aufeinander aufmerksam zu machen, aber man wollte nichts voneinander wissen. Dann trippelten die Lämmchen vor mir her in die andere Richtung und dort sah ich dann 3 ältere Schafe ohne Lämmer am Hang.
Okay – ist da eure Mamma?
Mähmäh! Neben der Straße war ein Bach, über den trauten die Kleinen sich nicht. Ich überlegte, sie hinüber zu tragen – aber gleich dahinter war ein erdiger steiler Hang, da wären sie auch kaum hoch gekommen. Oben standen die Schafe und beäugten uns unbeteiligt. Da kam endlich eins von den Fjordschafen auf uns zu getrottet. Es mähte ein wenig in Richtung der Kleinen, schien aber nicht so recht motiviert zu sein. Die Lämmer starrten hingegen mich an und mähten, als würden sie der Mamma nicht recht trauen. Zuletzt aber liefen sie auf die Mutter zu und die nahm sie von der Straße herunter und dann gab es Milch, Happyend.
Am nächsten Abend hielt ich nach den Dreien Ausschau und ich glaube, dass ich sie sah: ein Lamm lag auf der Mamma und das andere daneben gekuschelt.
Das überzählige Dritte
Ein wenig später stand auf einmal wieder ein einzelnes winziges Lamm am Straßenrand. Es mähte jämmerlich und weit und breit war kein erwachsenes Schaf zu sehen. Das Wetter war nicht schön am Dienstag, wir waren beide nass und kalt. Ich hielt an und hockte mich hin, und das Lämmchen suchte am Fahrrad nach Zitzen. Ich bot ihm meine Wasserflasche an, aber Wasser wollte es nicht. Ich rief Jón, meinen Mann, an und bat ihn, Helga, der Bäuerin, Bescheid zu geben. Dann nahm ich das Lämmchen auf den Arm, und da schlief es gleich ein. Allmählich war ich richtig fies durchgefroren, aber Helga kam nicht. Ich hätte wohl meinem ersten Impuls folgen und das Tier in der Packtasche mit nach Hause nehmen sollen. So bat ich Jón, mich samt Lamm und Fahrrad mit dem Fishermanbus (Jóns Firmenfahrzeug) einzusammeln.
Wir fuhren dann in Helgas Richtung und trafen sie auf halber Strecke. Sie schaute sich die Ohrmarke an und wusste gleich: das Lamm ist aus einem der ersten Würfe in diesem Jahr. Ich wunderte mich, weil es wie gesagt so winzig war. Es waren Drillinge, sagte Helga. Normalerweise wird ein überzähliges drittes Lamm einer Schafmutter mit nur einem Lamm gegeben, aber da der Wurf so früh war, gab es vielleicht noch keine Adoptivgelegenheit und Helga schickte die Vier später zusammen ins Freie, als das Winterwetter vorbei war. Offensichtlich war die Mutter damit aber überfordert und dieses Lamm wurde vernachlässigt. Es muss nun auf dem Hof aufgezogen werden.
Gestern brauchte ich mal nicht als Sozialarbeiterin aktiv zu werden. Ich radelte mit Rückenwind und Gegensonne heim. Die meisten Schaffamilien hatten sich auf einer Wiese versammelt, eine Gruppe Schwäne hatte sich unauffällig darunter gemischt. Später erschreckte ich einen Fuchs, der am Wegesrand saß und überlegte, ob er sich noch diesen oder jenen Austernfischer als Snack vornehmen sollte.
Katja
Dagmar Löbert meint
Liebe Katja,
Deine drei Geschichten über die schlauen Schafskinder sind allerliebst. Da sage noch mal einer, die Schafe seien dumm. Wer sich so gut mitteilen kann, ist klug und lebenstüchtig. Egal, ob Mensch oder Tier. Guter Stoff für die Enkel!