Einige kennen den gelben Ball mit den roten Federn vielleicht als Spiel für den Garten und Strand. Doch Indiaca ist auch ein organisierter Wettkampfsport, der in Deutschland jedoch kaum bekannt ist. Nationalspielerin Joy Willmer erzählt uns, wie Indiaca funktioniert, was sie an diesem Sport so liebt und was sie sich noch wünscht, damit Indiaca in Deutschland mehr gespielt wird.
Joy, mit dieser Frage hast Du bestimmt gerechnet: Was ist Indiaca?
Diese Frage musste ich schon sehr oft beantworten und jedes Mal kurz überlegen (lacht). Es ist ein schnelles Rückschlagspiel, wo zwei Mannschaften à 5 Spieler*innen über ein Netz spielen. Es ist sehr ähnlich zum Volleyball, nur einige Spielregeln sind ein bisschen anders und das Feld ist kleiner. Zum Beispiel darf man den Volleyball mit den Händen übers Netz blocken, beim Indiaca ist ein Übergreifen komplett verboten.
Wo kommt Indiaca ursprünglich her?
Es kommt ursprünglich aus Südamerika, Brasilien. Der Kölner Sportlehrer Karlhans Krohn hat 1936 bei einem Spaziergang an der Copacabana Jugendliche mit einem Federball aus Leder Peteka spielen sehen. Die Idee hat er mitgenommen und als Mischung aus einer Fremdbezeichnung für indigene Gruppen und Peteka den Namen „Indiaca“ draus gemacht. Eine kolonialismuskritische Aufarbeitung der Entstehung und der Namensherkunft ist mir bisher aber leider nicht bekannt. In Deutschland wurde Indiaca erst viel in kirchlichen Jugendgruppen gespielt, wurde dann zum Wettkampfsport und breitete sich in Europa und auch Asien weiter aus.
Du spielst seit deiner Kindheit Indiaca, bist im deutschen Frauen-Nationalteam und hast bereits zwei Weltmeister*innenschaften gespielt. Wie bist Du zu dieser Sportart gekommen?
Tatsächlich durch meinen Vater. Ich bin da, ich sag mal reingeboren. Mein Vater hat selbst früher gespielt und ist irgendwann Trainer geworden. Dadurch war ich auch immer schon mit Indiaca verbunden. Mit dem Training angefangen habe ich mit zehn, aber vorher auch immer mal schon einen Ball in der Hand gehabt. Bei uns im Dorf ist Indiaca sehr groß.
In welchen Ländern ist Indiaca besonders populär und wer spielt alles bei den Weltmeister*innenschaften mit?
Wir haben natürlich Deutschland, wo es vergleichsweise viele Vereine gibt. Dann Estland, Luxemburg, Schweiz, Polen, Belgien, Japan, Korea und ganz neu dabei sind Indien und Nepal. Italien hat auch Vereine, ist aber nicht bei der WM dabei. Alle Nationalteams gehören zu der International Indiaca Association (IIA). In Südamerika wird es auch gespielt, aber nicht auf Turnierebene.
Du hast bei der 6. Weltmeister*innenschaft im Indiaca diesen Sommer in Luxemburg im Frauenteam mitgespielt. Was war das für ein Gefühl, im deutschen Nationalteam gegen die Teams aus Belgien, Estland, Luxemburg und die Schweiz anzutreten?
Es ist immer eine Ehre, dabei sein zu dürfen und für Deutschland zu spielen. Und es macht einfach so viel Spaß, weil man mit den Besten der Besten zusammenspielt und generell auf einem so hohen Niveau. Das macht einfach extrem viel Spaß. Natürlich ist man aufgeregt, aber tatsächlich war die Vorfreude in diesem Jahr noch größer, weil wir die WM wegen Corona erst ein Jahr später als geplant spielen konnten.
Kannst Du uns ein bisschen von der Weltmeister*innenschaft berichten?
Wir sind alle zusammen mit Bullis nach Luxemburg gefahren und waren da mit dem Männer- und Mixed-Team in einem Hotel und waren daher mit dem ganzen deutschen Team zusammen und konnten uns gegenseitig unterstützen. Die Stimmung in Luxemburg war mega gut, wir haben uns alle gefreut, die Teams aus den anderen Ländern wiederzusehen und sich auszutauschen. Denn Indiaca ist wie eine kleine Familie. Jede*r kennt jede*n. Das Turnier ging über eine Woche und wir hatten Vorrundenspiele, das Halbfinale, welches wir mit großem Kampf gewonnen haben. Und dann haben wir im Finale gegen die Schweiz gespielt, die ein kleines bisschen besser waren und so sind wir mit dem Vizeweltmeisterinnentitel nach Hause gegangen.
Wie ist Indiaca in Deutschland organisiert, gibt es viele Teams?
Es gibt schon relativ viele Teams, die sich aber auf bestimmte Regionen konzentrieren. Es gibt Hochburgen des Indiaca, wie in Nordrhein-Westfalen, Bayern und Baden-Württemberg. Und es gibt vereinzelte Vereine im Osten und Norden. Indiaca gehört in Deutschland zum DTB, dem Deutschen Turnerbund, einige Vereine spielen aber auch beim CVJM (Christlicher Verein Junger Mernschen). Dann gibt es Unterverbände, wie den Westfälischen Turnerbund oder den badischen Turnerbund. Dann gibt es noch einige kleinere Vereine, die aber nicht auf Turnierebene spielen. Deutschland hat immerhin um die 20.000 Spieler*innen, in Japan sind es aber sogar rund eine Million.
Seit der Corona-Pandemie haben viele Sportverbände und Wettkämpfe mit Einschränkungen zu tun. Hat sich die Corona-Pandemie auf Euer Training in Deinem Verein und auf das Nationalteam ausgewirkt? Gab es bei der Weltmeisters*innenchaft Einschränkungen?
Ja. Zum einen war das Training in dem Vereinen und in der Nationalmannschaft eingeschränkt. Man durfte nicht in die Hallen und sich mit vielen Personen treffen. Leider haben auch einige Vereine auch international, Spieler*innen durch die Corona-Pandemie verloren, sodass zum Beispiel auch Polen nicht mehr genug Leute hatte, um bei der WM anzutreten. Japan konnte auch nicht zur WM kommen, weil sie nach der Rückreise nach Japan in eine zweiwöchige Quarantäne hätten gehen müssen und man dort ja nur zehn Tage Urlaub im Jahr hat.
Wir bei Frauenseiten blicken in unserem Themenspecial über Sport besonders darauf, wie Sport mit Geschlecht und Gender zusammenhängt. Auf den ersten Blick scheint es naheliegend: In den meisten Sportarten treten Frauen- und Männer getrennt voneinander an. Wie ist das beim Indiaca?
Es gibt insgesamt drei verschiedene Klassen: Männer, Frauen und der Mixed-Bereich. Ursprünglich gab es beim DTB zu Beginn sogar nur Frauenteams. In der Mixed-Mannschaft spielen zwei Frauen mit drei Männern, da die Männer in der Regel größer sind und angreifen können und die Frauen Stellerinnen sind, die den Ball für den Angriff ans Netz spielen. Aber man kann auch mit drei Frauen und zwei Männern spielen. Tatsächlich kenne ich viele Sportler*innen, die deutlich lieber Mixed spielen, weil es nochmal komplett eine andere Dynamik ist, da hat jede Klasse Besonderheiten. Ich persönlich spiele hauptsächlich in der Frauenmannschaft, weil ich auf der Position der Angreiferin spiele und die Frauen in den Mixed-Mannschaften meist Stellerinnen sind. Aber ab und zu spiele ich auch in der Mixed- Mannschaft und das macht auch immer super viel Spaß.
Wie groß ist der Platz, der Indiaca in Deinem Leben einnimmt? Wie oft habt Ihr Spiele? Bist Du hauptberufliche Sportlerin oder ist es Dein Hobby und wirst Du als Nationalspielerin bezahlt? Gibt es da Unterschiede zwischen den Frauen- und Männerteams?
Indiaca ist meine riesige Leidenschaft. Ein Leben ohne Indiaca kann ich mir gerade nicht vorstellen. Ich brauch einfach diesen Teamzusammenhalt und eine Sportart, wo man zusammen kämpft. Hauptberuflich bin ich Studentin aber betreibe Indiaca als Hobby. Leider kann man das auch nicht beruflich machen, sonst wäre das eine Überlegung wert. Wir werden nicht bezahlt und da gibt es auch keinen Unterschied zwischen Männern und Frauen. Dafür ist es einfach eine zu kleine Randsportart, wo wir selbst für jedes Sponsoring und jeden Cent kämpfen, weil wir vom DTB auch kaum was kriegen.
Für die WM war es schwierig, regelmäßig zu trainieren, einmal wegen Corona und weil die Spieler*innen aus ganz Deutschland kommen. Im letzten Dreivierteljahr davor haben wir uns einmal im Monat für ein Wochenende zum Training getroffen. Ansonsten gibt es in den einzelnen Verbänden Ligen, wo alle drei bis vier Woche ein Spieltag mit mehreren Spielen stattfindet.
Was begeistert Dich an Indiaca und welche Zukunft siehst Du für diese Sportart in Deutschland und international?
Indiaca ist zum einen ein sehr dynamisches Spiel, was ich sehr cool finde. Und irgendwie gibt es dem auch einen Reiz, dass es nicht so bekannt ist. An sich würde ich mir wünschen, dass Indiaca nicht ausstirbt, sondern sich weiterverbreitet. Nicht nur innerhalb Deutschlands, sondern weltweit. Schön wäre es, wenn auch weitere Nicht-EU Länder mitspielen. Ein Riesenziel wäre Olympia, aber das bleibt wahrscheinlich ein Traum.
Falls einige Lesende nun Lust bekommen haben, selbst Indiaca zu spielen – was gibst Du ihnen als Tipp mit auf den Weg, wo gibt es Indiaca Teams?
Man muss auf jeden Fall Freude daran haben, in einem Team zu spielen und alles in einem Team zu geben. Hier in Bremen und Umfeld gibt es leider keine Mannschaften, aber auch wenn ich es in der Sporthalle spiele, kann man es auch sehr gut auf dem Volleyballfeld am See spielen. Schnappt Euch einfach ein paar Freund*innen und los geht’s! Wenn Ihr mit mir ein Team in Bremen gründen wollt, könnt Ihr mich auch bei Instagram anschreiben, da heiße ich joy.wi.
Vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview führte Hannah Lüdert
Weitere Quellen:
https://www.cvjm.de/website/de/cv/themen-bereiche/sport/sportarten/indiaca
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