Vibrieren, eine Nachricht von Luca von Bumble, keine Ahnung wer das ist. Ich drehe mein Handy auf seinen Bildschirm und seufze. Es ist das erste Mal seit einigen Monaten, dass ich wieder auf einer Dating-App unterwegs bin und schon habe ich keine Lust mehr. Warum ich Bumble überhaupt wieder heruntergeladen habe? Ich bin in einer trockenen Phase, unfreiwillig. Ein Text über das Verlangen nach guter körperlicher Nähe und Kontrolllosigkeit.
Ich schmeiße mich genervt auf mein Bett. Die Sonne kämpft sich durch die Wolken und wärmt meine Füße, während in der Luft der Staub glitzert. Ich lege mich in den rechteckigen Schein auf meinem Bett, kugele mich so zusammen, dass alle Körperteile gewärmt werden.
Seit gefühlt ewiger Zeit sehne ich mich nach guter körperlicher Nähe. Nähe, bei der ich mich nicht unwohl fühle, mit einer Person, die ich ganz gut finde. Einen anderen Körper nackt nah an meinem spüren, kuscheln, gegenseitig Lust bereiten, aufeinander liegen, aneinander reiben, sich gegenseitig berühren. Nackte Haut sehen und fühlen, einen anderen Körper erforschen und meinen teilen. Es soll Spaß bereiten und nah sein. Ich wünsche mir, berührt und begehrt zu werden. Und das, ohne dass damit andere Verpflichtungen kommen. Eine lockere Sache. Ich klinge verzweifelt. Bin ich das? Oder fühle ich mich nur ohnmächtig?
Wolken schieben sich vor die Sonne und der Staub scheint sich auf das Fensterbrett zu legen. Ich krabbele unter die Decke und starre mein dreckiges Fenster an. In den an der Scheibe getrockneten Regentropfen hat sich Sand festgesetzt.
Ohnmächtig, kontrolllos – Gefühle, die ich gar nicht mag. Normalerweise sehe ich mich in einer aktiven Position, ich versuche etwas zu verändern, wenn mir eine Situation nicht gefällt. In diesem Fall ist das gar nicht so einfach. Ich kann nur den Zufall etwas kitzeln, denn wen ich treffe, ist nicht unbedingt kontrollierbar. Also kann ich raus gehen, mit Menschen sprechen, offen sein, auf Dating-Plattformen rumhängen und so weiter. Aber auch den Zufall zu kitzeln ist nicht erfolgreich: Eine Person zu finden, zu der ich mich sexuell hingezogen fühle, die auch mich mag und verfügbar ist – schwierige Sache.
Nicht zu wenig mache ich mir Gedanken darüber, ob ich vielleicht zu wählerisch bin. Vielleicht habe ich unerfüllbare Erwartungen und bin deshalb in dieser Lage. Aber ganz ehrlich? Ich brauche keinen Sex, der unpassend, irgendwie komisch oder einfach nicht gut ist. Meine Beschreibung von „guter körperlicher Nähe“ ist gefüllt von sexueller Anziehung und Intimität. Aber eins muss ich hier klarstellen: Intimität benötigt nicht unbedingt romantische Liebe oder irgendeine romantische Beziehungsform, wie scheinbar viele Menschen annehmen. Intimität kann in vielen Formen kommen: Voreinander pinkeln, Kuchen teilen, kuscheln oder nur ein Gespräch. Manchmal kann Kuchen teilen intimer sein als Sex, sogar Welten intimer als mancher Sex. Sind meine Erwartungen zu hoch oder nur sehr genau? Bei Bumble jedenfalls finde ich einen Like unter 50 Dislikes.
Ich rutsche erneut in die Sonne, lege meine Beine um die Decke. Meine Augen gleiten an meinem Körper entlang, meine Beinhaare glitzern in der Sonne.
Nicht nur der Umgang mit dem Empfinden von Kontrolllosigkeit und dem Verlangen nach Nähe macht mir zu schaffen. Da wäre noch der gute alte soziale Druck. Wie viel Sex muss man in welcher Zeit haben? Wie lang ist eine trockene Phase gesellschaftlich angemessen? Und wenn diese Richtlinien nicht erfüllt werden, was sagt das über mich aus? Bin ich vielleicht das Problem, bin ich zu unattraktiv, zu feige, zu unbegehrt? Oder bewege ich mich einfach nur in den falschen Kreisen? Da mein Umfeld nicht das gleiche Problem wie ich zu haben scheint, frage ich mich generell: Sind andere Menschen auch in einer trockenen Phase? Wenn ja, seid ihr okay damit oder äußert ihr euch nur nicht?
Das Sonnenlicht ist bereits an das andere Ende meines Bettes gewandert. Es scheint am Bett hinunter zu krabbeln und leuchtet den Boden an. Die Blumen auf meiner Fensterbank werfen in dem leuchtenden Rechteck einen langgezogenen Schatten.
Mein Selbstbewusstsein von sozialem Druck oder irgendeiner Menge an Sex beeinflussen zu lassen ist rational gesehen natürlich Quatsch. In diesem Fall rational zu bleiben, gelingt mir aber nicht und so drängt der Einfluss mich in einen Teufelskreis: Je weniger körperliche Nähe, desto mehr sozialer Druck, desto weniger Selbstbewusstsein, desto weniger traue ich mich meinen Zufall zu kitzeln, desto weniger bekomme ich körperliche Nähe, desto mehr sozialer Druck und so weiter. In der Theorie zumindest. In der Realität kann ich mich ganz gut ablenken und habe an genug Tagen ein ausreichendes Ego, um nicht zu verzweifeln. Obwohl, hatte ich nicht schon festgestellt, dass ich möglicherweise verzweifelt bin? Wer weiß.
Fühle ich mich vielleicht auch allein und einsam? Wenn ich diesen Text lese, scheint dem so. Dabei ist das Gefühl von Einsamkeit in keinem anderen Bereich meines Lebens vertreten. Vielleicht fühlt sich nur mein Körper allein. Vielleicht bin ich auch nur eine Person mit menschlichem Bedürfnis. Und vielleicht würde ich mich weniger alien-artig fühlen, wenn ich mir weniger Druck machen würde. Und dadurch weniger allein mit der Situation.
May-Nell
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