Pornografie ist ein ausgesprochen schillerndes Thema geworden: Einerseits wird heterosexuelle Mainstream- Pornografie traditionell aus moralischen Gründen abgelehnt, weil sie Sexualität in verzerrter, den Sexualtrieb aufstachelnder Weise darstellt, und die Menschen zum Sexualobjekt degradiert. Die Kritik der feministischen PorNO-Bewegung hat dies dahin präzisiert, dass Pornografie vor allem Frauen zum Sexualobjekt herabwürdigt. Andererseits hat sich eine Vielzahl alternativer Pornografien entwickelt. So produziert die sexpositive Frauenbewegung (PorYES) sexuell explizite Bilder, die dem Genre der Pornografie zugehören und emanzipatorisch auf die Entwicklung der weiblichen Sexualität gerichtet sind. Die strafrechtlichen Verbote entsprachen lange der moralischen Ablehnung von Pornografie. Es stellt sich die Frage, wie sie in Anbetracht der feministischen Kritik der PorNO-Bewegung und im Hinblick auf das Phänomen alternativer Pornografien zu bewerten sind.
Strafrecht und Pornografie
Das deutsche Strafrecht unterscheidet zwischen qualifizierter Pornografie (Gewalt-, Tier-, Kinder- und Jugendpornografie) und einfacher Pornografie. Die qualifizierte Pornografie unterliegt weitgehenden Herstellungs- und Verbreitungsverboten; kinder- und jugendpornographisches Material darf man zudem anderen nicht individuell zugänglich machen und nicht selbst besitzen, wenn es ein tatsächliches oder wirklichkeitsnahes Geschehen wiedergibt. Einfache Pornografie darf Kindern und Jugendlichen nach dem Strafgesetzbuch weder individuell noch durch irgendeine Form der öffentlichen Zurschaustellung zugänglich gemacht werden. Daneben gibt es eine Vielzahl jugendschutzrechtlicher und rundfunkrechtlicher Vorschriften, die z.B. die Altersfreigabe für Filme oder die Beschränkung von Sendezeiten im Fernsehen regeln und damit dem Kinder- und Jugendschutz dienen. Das Verbot, Pornografie allgemein zugänglich zur Schau zu stellen, dient zugleich dem Schutz der Erwachsenen vor der ungewollten Konfrontation mit Pornografie. Diesen darf Pornografie aus Gründen des Konfrontationsschutzes auch nicht unverlangt individuell zugänglich gemacht werden.
Keine gesetzliche Definition
Das klingt intuitiv einleuchtend und klar. Aber es ist durchaus unklar, was Anknüpfungspunkt der strafrechtlichen Verbote ist, denn der Begriff der einfachen Pornografie im Sinne des Strafrechts wird weder im Gesetz definiert noch in der Rechtsprechung einheitlich gefasst. Die Rechtsprechung geht häufig davon aus, dass sexuell explizites Material dann pornographisch ist, wenn es ausschließlich oder überwiegend dazu dienen soll, sexuell zu erregen, wenn es Sexualität losgelöst von sozialen Beziehungen darstellt, die Menschen zum bloßen Objekt der Begierde degradiert und wenn es die Grenzen des moralischen Anstandes nach allgemeinen Wertvorstellungen eindeutig überschreitet. Diese Versuche der Begriffsfassung stehen in der Kritik, weil sie auf moralische Bewertungen abstellen. Das Recht soll aber nicht die Moral, also individuelle Wertmaßstäbe, sondern Rechtsgüter schützen.
Meines Erachtens sollte das Gesetz angesichts der Vielfalt des inzwischen existierenden pornographischen Materials auf die Verwendung des Begriffs „Pornografie“ verzichten und ausdrücklich benennen, weshalb bestimmte sexuell explizite Darstellungen Verboten unterliegen sollen, ohne dabei auf persönliche Moralvorstellungen Bezug zu nehmen.
Menschenwürde als Ausgangspunkt
Was das Problematische an bestimmten sexuell expliziten Darstellungen ist, hat der Strafrechtler Heribert Schumann auf den Punkt gebracht: Ihm zufolge können sexuell explizite Materialien dann mit strafrechtlichen Verboten belegt werden, wenn sie Menschen in einer Weise zeigen, die die Menschenwürde oder das Persönlichkeitsrecht missachtet. Geschützt wären damit im Grundgesetz verankerte geschützte Rechtsgüter von hochrangiger Bedeutung. Ganz selbstverständlich von strafrechtlichen Verboten erfasst wären dann Gewalt- und Kinderpornografie. Daneben wäre auch die Zugänglichkeit von Darstellungen strafrechtlich beschränkt, in denen sexuelle Handlungen auf Täuschungen und Nötigungen beruhen oder die eine Person als allzeit verfügbares Sexualobjekt zeigen. Nicht erfasst wären Materialien, die sich auf die Darstellung einverständlicher und selbstbestimmter sexueller Handlungen beschränken, unabhängig davon, ob sich die Beziehung der Beteiligten auf diese beschränkt, ob sie mit mehreren Sexualpartner_innen Kontakt haben und ob die Darstellung der Erregung dienen soll.
Für die Strafbarkeit der Jugendpornografie, die auf europarechtlichen Vorgaben beruht, wäre zu fragen, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen die Darstellung jugendlicher Sexualität tatsächlich menschenwürdewidrig oder persönlichkeitsverletzend ist. Überlegt werden könnte, die Strafbarkeit im Zusammenhang mit Jugendpornografie auf Darstellungen von Handlungen, die selbst strafbar sind, also auf Darstellungen des sexuellen Missbrauchs von Jugendlichen, zu beschränken. Eine solche Begriffsfassung, die sich auf die Menschenwürde oder das Persönlichkeitsrecht bezieht, würde aus meiner Sicht der Kritik der PorNO-Bewegung gerecht werden, der es um den Schutz der Würde von Frauen geht. Eine solche Definition würde zudem der PorYES-Bewegung zugute kommen, da mit ihr sexuell explizite Bilder, bei denen die Beteiligten erkennbar im lustvollen Einvernehmen agieren, nicht mehr Gefahr laufen, strafrechtlichen Verboten zu unterfallen, nur weil sie sexuell explizit sind oder der Erregung dienen sollen.
Dr. Anja Schmidt
Über die Autorin
Die Autorin ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Strafrecht, Strafprozessrecht und Rechtsphilosophie der Universität Leipzig. Von 2002 bis 2005 hatte sie das Amt der Gleichstellungsbeauftragten der Juristenfakultät inne. Anja Schmidt beschäftigt sich besonders mit folgenden Forschungsgebieten: Straf- und Verfassungsrecht, Rechtsphilosophie und feministischen Rechtswissenschaft, insbesondere feministische Rechtstheorie sowie Rechtsfragen im Zusammenhang mit Gewalt, der bipolaren Heteronorm nicht entsprechenden Lebensweisen und kommerzialisierter Sexualität.
Links zum Thema:
Studienbuch zur feministischen Rechtswissenschaft
Mobiler Studientag „Recht und Geschlecht“
Informationen und Austausch zu Legal Gender Studies
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