Angst, Liebe/ Chaos, Stille/ Mutter, Tochter.
Im Theaterstück „Du hast mich zu lieben“, geht es um das Tochter-sein. Um die Frage nach der Perspektive, um die „Richtigkeit“ vom Emotionen und Erinnerungen. Es geht um ein Kind, dass verzweifelt versucht die Beziehung zur Mutter zu verstehen. Sie will ihre Mutter anklagen, ihre eigene Perspektive validieren. schwarz-weiß sehen. Sie will ein Kind sein, das nach seiner Mutter schreit und eine kosmische Gerechtigkeit einfordert. Doch sie ist erwachsen. Sie geht in eine Aushandlung mit sich. Und das Ergebnis ist Emotionalität pur, es ist Verarbeitung, eine kathartische Erfahrung.

Szene aus dem Stück „du hast mich zu lieben“
Das Licht im Publikum geht aus. Menschen in weißen Regenmänteln betreten eine* nach der anderen* die Bühne. Vor der ersten Reihe baumeln Schnüre von der Decke, in der hinteren linken Ecke steht ein Plastik Sessel, rechts eine Leiter, hinten ebenfalls Schnüre. Viel Zeit hab ich nicht um das Bühnenbild auf mich einwirken zu lassen. Die erste Person spricht und mir fallen Tränen aus den Augen. Diese werden bis zum Ende des Stücks begleiten.
„Das hab ich nicht gesagt.“ „doch das hast du gesagt, ich erinnere mich.“ „So etwas würde ich nie sagen.“
Jeder Satz in diesem Theaterstück, fühlt sich an wie die kalkulierte Bewegung der Hand eines Gehirnchirurgen. Es dreht und wendet sich in meinem Gehirn, die Sätze schlagen ein. Ich erkenne die Emotion. Ich kenne die Geschichte die da erzählt wird. Und dann wird schließlich auch das von den Schauspieler*innen aufgegriffen. Tochter sein, sei eine kollektive Erfahrung und es gehe darum diese aufzuschlüsseln, Gefühle und Wahrnehmungen als Fakten festzuhalten, um in einem Gerichtsverfahren die endgültige Wahrheit herauszufinden.
Der Blick in die Vergangenheit
Die drei Ich-Anteile der Tochter versuchen nun gemeinsam in die Vergangenheit zu blicken. Sie spielen Szenen nach, die entweder eine liebende Mama oder Vernachlässigung darstellen. Nachts auf den Spielplatz huschen und im Mantel der Dunkelheit Springseil hüpfen. Pures Glück. Immer wieder sieht man auf der Bühne eine glückliche Familie, eine liebende, lustige zwar chaotische aber auch geduldige Mama. Und man sieht vor allem: die herzzerbrechende Reaktion der Tochter auf diese Erinnerung. Denn auf einmal springt das Licht umher, die Stimmung wird gebrochen.

Szene aus dem Stück „du hast mich zu lieben“
„Und was war im Italien Urlaub?“
Stille. Nein nein nein, das ist so nicht passiert. Chaos. Eine Erinnerung kommt hoch. Die Mutter habe sie vernachlässigt. Ein kind mit Todesangst im Stich gelassen. Nun ist der Fall endgültig klar! Mama hätte mich besser lieben sollen! Wie kann ich hier bleiben? Die Wut tobt. Sachen werden zusammen gepackt. hektisch werden Kinderfotos in Kisten gestopft. Tränen fließen. Diesmal reicht es wirklich. Das ist genug Beweis.
Und dann klopft die Hoffnung noch einmal.
Que sera, que sera
„Du hast mich zu lieben“ ist nicht nur ein Theaterstück über eine Schicksals Geschichte. Das feminine fabric Kollektiv schaut sich viel eher die Gesellschaftliche Rolle der Mutter an. Das Fazit ist nicht etwa, dass eine Frau eine „Rabenmutter“ war und das arme Kind jetzt geschädigt ist. Viel eher sagt das Stück aus: es gibt keine feste Mutterrolle, sie ist gesellschaftlich konstruiert. Es fragt: Gibt es wirklich einen Mutter Instinkt? Ist deine Mutter nicht auch nur ein Mensch? und eine Tochter?
Bei meiner Verschnauf-Zigarette nach dem Stück, hörte ich überall um mich herum Konversationen über Mütter, über Töchter-
„Meine Mutter war damals….“
„Ich hoffe meine Tochter wird nie so ein Stück über mich schreiben.“
Dieses Stück am Muttertag zu schauen, war eine emotionale Achterbahnfahrt, eine kollektive Therapiestunde, eine wundervolle Erfahrung. Wer die letzte Szene aus dem Roman „Tschick“ berührend fand, sollte sich bemühen dem feminine fabric Kollektiv, bestehend aus Tonia Nacke, Line Papendiek und Annik Ahrens eine Bühne zu geben. Sie sind Theaterpädagog*innen und haben in Ottersberg studiert. Es wird zwar im nächsten Zeitraum keine weitere Aufführung stattfinden, aber die drei wünschen sich mehr Bühnen. Ich wünsche mir, dass mehr Menschen, mehr Mütter sowie Töchter dieses Theaterstück anschauen können.
Hannah P.
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