Im Herbst 2017 schrieben Millionen Frauen in sozialen Netzwerken #MeToo – aber wie ist der Hashtag eigentlich entstanden? Wenn ich diese Frage Passant*innen in der Bremer Fußgängerzone stellen würde, wäre die Antwort wahrscheinlich: als Reaktion auf die Harvey Weinstein-Enthüllungen. Das stimmt aber nicht. Tatsächlich geht der Hashtag auf die Aktivistin Tarana Burke zurück. Tarana Burke rief den Hashtag #MeToo 2006 im sozialen Netzwerk MySpace ins Leben, um auf den Missbrauch von afroamerikanischen Frauen aufmerksam zu machen. Tarana Burke wollte dadurch hauptsächlich die Empathie zwischen afroamerikanischen Frauen in Bezug auf sexuelle Gewalt stärken.
Als öffentlich wurde, dass Harvey Weinstein zahlreiche Frauen sexuell genötigt hatte, nutzte die Schauspielerin Alyssa Milano den Hashtag. In einem Tweet rief sie Frauen dazu auf, unter #MeToo ihre Erfahrungen mit sexueller Gewalt und Sexismus zu teilen.
If you’ve been sexually harassed or assaulted write ‘me too’ as a reply to this tweet. pic.twitter.com/k2oeCiUf9n
— Alyssa Milano (@Alyssa_Milano) October 15, 2017
Die Reaktion war riesig. Bereits am selben Abend verwendeten allein auf Twitter 200.000 User*innen den Hashtag. In den folgenden Tagen und Wochen teilten Millionen von Frauen und auch einige Männer auf Facebook, Twitter oder Instagram ihre persönlichen Erfahrungen mit Sexismus und sexualisierter Gewalt.
#MeToo – Auch mir ist es passiert
Aber zurück zu Tarana Burke: Bereits 1997 hat die Aktivistin die Idee zu #MeToo entwickelt. Damals erzählte ihr ein 13-jähriges Mädchen von sexuellem Missbrauch im familiären Umfeld. Tarana Burke war schockiert über die Schilderungen des Mädchens. Später sagte sie, dass sie damals noch nicht in der Lage gewesen sei dem Mädchen von ihren eigenen Erfahrungen zu berichten. Das Gespräch ließ sie jedoch nie wieder los. Rund 10 Jahre später gründete sie die non-profit-Organisation Just Be Inc., um Opfern von sexueller Belästigung und sexuellem Missbrauch eine Stimme zu geben. Mit dem Hashtag #MeToo rief sie dann 2006 eine Bewegung ins Leben, die aussprach, was sie 10 Jahre vorher nicht über die Lippen brachte: Me Too – auch mir ist es passiert.
Tarana Burke wollte durch diese zwei kurzen Worte Frauen die Möglichkeit geben, über sexuelle Gewalt zu sprechen, ohne sich groß erklären zu müssen. Das schlichte #MeToo sollte ausreichen, um zu zeigen, was passiert ist. Tarana Burke wollte außerdem Solidarität und Empathie zwischen Frauen, die Erfahrungen mit sexueller Gewalt machen mussten, stärken: Mir ist es passiert und dir ist es passiert und wir sind solidarisch miteinander.
Wir müssen Feminismus intersektional denken
Tarana Burke hat allen Personen, die sich der #MeToo-Bewegung seit Oktober 2017 angeschlossen haben, ihren Respekt ausgesprochen. Sie kritisierte jedoch, dass die „Neuauflage“ des Hashtags die Arbeit afroamerikanischer Frauen zur Schaffung eines Dialogs über sexuelle Gewalt ignoriere. Weitere Stimmen afroamerikanischer Frauen wurden laut. Sie prangerten an, dass Tarana Burkes jahrelange Arbeit gegen Sexismus bisher nicht öffentlich von weißen Feminist*innen unterstützt wurde.
Mit dieser Kritik steht die #MeToo Bewegung nicht alleine. Immer wieder wird ein Feminismus, der ausschließlich die Erfahrungen weißer, heterosexueller Frauen mit Sexismus diskutiert und kritisiert. Zurecht: denn Women of Color machen andere Erfahrungen mit Sexismus. Gleiches trifft auch auf trans Frauen, homosexuelle Frauen, jüdische Frauen und Frauen mit einer Behinderung zu. Intersektionalität ist der Schlüssel zu einer gleichberechtigten Diskussion.
20 Jahre später – Solidarisch gegen Sexismus
Tarana Burke rief #MeToo 2006 ins Leben um Frauen – insbesondere Women of Color – die sexuellen Missbrauch erfahren haben, untereinander zu stärken. Im Herbst 2017 teilten Millionen Frauen ihre individuellen Erfahrungen unter dem Hashtag. Auffällig ist, dass medial meist nur die Erfahrungen weißer Frauen aufgegriffen wurden. Um strukturellen Sexismus nachhaltig zu bekämpfen, müssen allerdings die Erfahrungen aller Frauen berücksichtigt werden – unabhängig von Hautfarbe oder sexueller Orientierung. Ein Feminismus, der Sexismus nachhaltig bekämpft darf nicht exklusiv sein – sondern solidarisch, intersektional und inklusiv.
Laura Gerken
Anna Luther meint
super artikel,
vielen dank!