Seit Februar 2020, also seit mehr als zwei Jahren, ist Corona nicht mehr aus unserem Leben wegzudenken. Es bestimmt unseren Alltag und niemand hätte mit diesem Ausmaß gerechnet. Die Pandemie hat viele Missstände sichtbar gemacht und viele Situationen haben sich extrem verschlimmert. Dann kam 2021 ein Hoffnungsschimmer; die Corona-Impfung; „Der Kampf geht in die entscheidende Phase“. Die Impfung rettet Leben. Daran ist nichts auszusetzen. Destotrotz muss über Nebenwirkungen der Corona Impfung aufgeklärt werden. Die potentiellen Nebenwirkungen werden beim Impftermin aufgelistet; Fieber, Kopfschmerzen, Schmerzen an der Einstichstelle und so weiter. Doch vielen Menschen mit Gebärmutter fällt noch ein weiteres Symptom auf. Und zwar Veränderungen im Menstruationszyklus. Dr. Kate Clancy, eine medizinische Anthropologin, teilte am 24. Februar letzten Jahres ihre Erfahrung einer ungewöhnlich starken Periode, nach der Impfung, mit. Zu Überraschung vieler war sie mit dieser Erfahrung nicht alleine.
A colleague told me she has heard from others that their periods were heavy post-vax. I'm curious whether other menstruators have noticed changes too? I'm a week and a half out from dose 1 of Moderna, got my period maybe a day or so early, and am gushing like I'm in my 20s again.
— Dr. Kate Clancy 🏳️🌈 (@KateClancy.bsky.social) (@KateClancy) February 24, 2021
Zyklusstörung nach der Corona-Impfung?
Unzählige andere Menschen teilten diese Erfahrung. Woher kommt das aber, dass Menschen inklusive Trans*Männer, non-binäre Menschen und Frauen in ihrer Menopause, plötzlich Änderung in ihrem Menstruationszyklus verzeichnen? Tja, dies ist noch nicht erforscht. Menschen werden also nicht vor solchen Nebenwirkungen gewarnt, weil viele der Ärzt*innen es einfach nicht wussten. Ein anderer Grund warum Ärzt*innen darüber nicht aufklären ist das schlichte Abtun von Menstruationsbeschwerden als etwas Ernstzunehmendes. Beispielsweise sieht der Berufsverband der Frauenärzt*innen eher Stress als auslösenden Faktor und nicht den Impfstoff. „Weltweit sollen Menschen mit Gebärmutter nach einer Impfung plötzlich so gestresst sein, dass sie plötzlich anfangen zu bluten?“ fragt Linus Giese, in einem Artikel in der Freitag und ich stimme ihm zu. Fakt ist, dass die Studienlage zu dünn ist, um eine ausschlaggebende Schlussfolgerung ziehen zu können. Es gibt viele mögliche Erklärungen, aber keine ist sicher. Das verunsichert Betroffene.
Erklärungsversuche
Eine mögliche Verknüpfung zwischen der Impfung und Unregelmäßigkeiten im Menstruationszyklus könnte anhand von Immunzellen erklärt werden. Diese sind eben auch für den Auf- und Abbau der Gebärmutterschleimhaut zuständig und werden durch die Impfung und viele damit einhergehende chemische Signale beeinflusst. So kann es zu einem früheren, beziehungsweise stärkeren Abbau der Schleimhaut kommen. Doch auch diese Theorie ist weder durch handfeste Studien fundiert, noch führt sie zu einer breiteren Aufklärung für Menstruationsbeschwerden als Nebenwirkung der COVID-Impfung. Klar ist, dass die Nebenwirkungen temporär sind und definitiv kein Grund sein sollten, die Impfung als Schutzmaßnahme abzulehnen. Außerdem sollte der Fakt, dass die Menstruation von der Impfung betroffen ist keine Rechtfertigung sein, Falschinformationen zu verbreiten. Wenn Du gesundheitlich dazu in der Lage bist, solltest Du Dich impfen lassen!!
Trotzdem ist es wichtig, über mögliche Nebenwirkungen aufzuklären. Das Paul-Ehrlich-Institut hat im vergangen Jahr Verdachtsfälle von Impfkomplikationen und Impfnebenwirkungen gesammelt und ausgewertet. Bis Ende Juni gab es 310 Fälle mit insgesamt 368 „unerwünschten Ereignissen“ während des Menstruationszyklus. Knapp zehn Prozent davon wurden sogar als schwerwiegend bezeichnet!
Werden Menstruationsbeschwerden überhaupt gemeldet?
Dabei muss auch beachtet werden, dass viele Betroffene ihre Unregelmäßigkeiten gar nicht erst melden. Die Periode kann an sich sehr unregelmäßig sein, also ist das nicht etwas, was sofort als Nebenwirkung auffällt. Beachtet werden muss, dass die Menstruation, wie so viele andere Themen, die Menschen mit Gebärmutter betreffen, tabuisiert ist. Die Menstruation ist nicht etwas, worüber man offen spricht und für viele Menschen ist das Bluten mit Scham verbunden. Umschreibungen, wie die „Erdbeerwoche“ , „that time of the month“ oder „Hai-Woche“ verdeutlichen, wie verschwiegen eine der natürlichsten Sachen der Welt ist, die die Hälfte unserer Menschheit jeden Monat erlebt oder erlebt hat. Besonders kompliziert ist es für Trans Männer und non-binäre Menschen, für die diese Nebenwirkungen sowohl eine körperliche, als auch eine enorme psychische Belastung darstellen. Leider ist es noch nicht normalisiert, dass nicht nur weiblich gelesene Personen menstruieren.
Wenn Du selbst unter Nebenwirkungen leidest oder Personen kennst, die betroffen sind, könnt ihr hier eure Nebenwirkung melden. So teilt man seine Erfahrung. Die Nebenwirkungen der Impfung können erforscht werden und so zukünftig umgangen werden. Es muss also mehr Aufklärung und Forschungsgelder für Studien geben. Vor allem für Trans Männer und nicht-binäre Menschen kann ein unerwartetes Auftreten der Regelblutung traumatisch sein und stellt einen großen Eingriff in den eigenen Körper dar. Für Trans Männer und für FLINTA* in ihrer Menopause kann Bluten auch ein Zeichen von Krebs sein. Daher ist es wichtig, dass Betroffene wissen, dass nach der Impfung „harmlose“ Unregelmäßigkeiten im Zyklus auftreten können. Alle Personen, die menstruieren, sollten sich darauf vorbereiten können und nicht mit einer Menstruationsblutung überrascht werden.
Psychische Belastungen
Häusliche Gewalt, die schwierige Situation armutsbetroffener Personen, wie zum Beispiel Rentner*innen oder Geflüchteter, vermehrtes „racial-profiling“; gruppenbezogene Diskriminierung und soziale Benachteiligung wurden in der Krisensituation sichtbar und müssen so schnell wie möglich behoben werden. Die menstrualen Nebenwirkungen sind nur ein kleines Nebenprodukt der prekären Corona-Situation. Trotzdem verdeutlichen sie wieder mal, dass die Wissenschaft und Medizin sich immer noch hauptsächlich am weißen, wohlhabenden cis Mann orientieren. Und das muss dringend geändert werden.
Lina
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