Vorhänge und Aquarelle in leuchtend intensiven Farben. Filme und Performances, die zum Staunen und Wundern einladen. Quellenmaterialien, die erklären, und Objekte, die Erklärung verweigern. Räume, in denen Farben die Atmosphäre prägen. Ulla von Brandenburg verwandelt Ausstellungsräume in neue Welten und möchte die Besucher*innen mit existenziellen Fragen zurücklassen. Vom 11.12.2021 bis zum 10.04.2022 ist ihre Ausstellung „Eine Landschaft ohne Blau, wie ungefähr“ in der Weserburg Bremen zu bestaunen. Unsere Redakteurin durfte sich die farbenfrohen Installationen schon vorab ansehen und berichtet.
Frauen in der Kunstwelt
Die Weserburg Bremen bietet internationaler Kunst der Gegenwart in Bremen ein Zuhause. Es ist Europas erstes Sammlermuseum und vereint als Zentrum für Künstlerpublikationen die Funktionen Archiv, Forschungsinstitut und Ausstellungsort. Natürlich stellte die Weserburg schon so manch ausgezeichneten Künstler aus. Unter ihnen zuletzt noch Peter Piller. Künstler (ungegendert*!) vor allem deshalb, weil die Unterrepräsentation von Frauen in der Kunstwelt auch vor der Weserburg nicht halt macht. So waren es überwiegend Männer, die in den letzten Jahren in Einzelausstellungen ihre Werke ausstellen durften. Nur vereinzelt können FLINTA* unter den großen Namen entdeckt werden. Ulla von Brandenburg reiht sich nun in diese Liste ein. Ihre Werke, international bekannt, waren schon in zahlreichen Einzel- und Gruppenausstellungen zu sehen, sie selbst ausgezeichnet und nominiert für diverse Preise. Palais du Tokyo in Paris, Whitechapel Gallery in London oder das Perez Art Museum – nur ausgewählte Namen berühmter Ausstellungshäuser, in denen von Brandenburg bereits Erwähnung gefunden hat. Aber auch die Kuratorin der Ausstellung „Eine Landschaft ohne Blau, wie ungefähr“ kann hier nicht ungeachtet bleiben. Mit Janneke de Vries leitet seit 2018 zum ersten Mal eine Frau die Weserburg. Sie zeigt, wie sehr es sich lohnt, auch FLINTA* in der Kunstwelt Gehör zu verschaffen.
Alternativen zum Bisherigen
Mit ihrer Ausstellung dreht Ulla von Brandenburg den White Cube auf links. Große lange Vorhänge bedecken die sonst weißen Wände der Weserburg komplett und schaffen eine Abfolge verschiedener (Farb-)Atmosphären, die das ästhetische Auge befriedigen und die Zuschauer*innen vergessen lassen sollen, wo sie sich befinden. Ulla von Brandenburg hat das alte Interieur rausgeschmissen und ihre Wanderstücke mitgebracht. Sie mag es, alles, was sie über die Jahre zusammengesucht und entwickelt hat, wieder auszupacken und die Stoffe, Objekte, Bilder, Filme und Performance-Künstler*innen eine lose Geschichte erzählen zu lassen. Das Zirkus-Thema ist präsent.
Erfahrung der Sinne
Andere Themen finden in der Ausstellung mindestens genauso ihren Platz. Das Thema des Farbaspektes lässt schon der Titel der Ausstellung erahnen, ein Zitat aus Goethes „Tafeln zur Farbenlehre und deren Erklärung“. Und auch sonst dient Goethes Farbenlehre von Brandenburg als Inspiration. Sie vertritt die Vorstellung, dass der Einsatz von Farben unmittelbar an unsere Gefühlswelt anknüpft und setzt so sie mit gezielter Wirkung in ihren Werken ein.
Ihre Werke, geprägt von farbigen Textilien, besitzen stets politisches Potential. So ist Stoff das Erste, was mensch nach der Geburt fühlt. Verwendet, um Dingen symbolischen Charakter zu verleihen, ob als Flagge oder nur als Abdeckung – wie hier um den White Cube zu verstecken. Textilien sind seit jeher weiblich konnotiert. So besitzen sie die Kompetenz, Geschlechterrollen wieder aufzubrechen. Dies zeigt Ulla von Brandenburg auch in ihren Filmen. Schauspieler*innen, gehüllt in die buntesten Gewänder, tanzen alleine oder zusammen. So vereint von Brandenburg weitere zentrale Themen ihrer Ausstellung. Tanz, Theater, Individualität gegenüber von Gemeinschaft.
Tanz als Revolution
Es überrascht demnach wenig, auch ein Gemälde der amerikanischen Friedensaktivistin und feministischen Theoretikerin Emma Goldman in der Ausstellung zu erhaschen. So war es sie, die einst sagte: „If I can’t dance, it’s not my revolution.“ Als Anarchistin stellte sie sich gegen jede Art von Autorität. Auch Ulla von Brandenburg hält nichts von Hierarchien. Keines der zentralen Themen stellt sie über die anderen. Tanz ist ebenso wichtig wie Stoff und auch Stoff genauso wichtig wie die Aquarelle.
Immer wieder setzt somit Ulla von Brandenburg politische Impulse, lädt ein, in neue Welten zu treten und Gekanntes zu hinterfragen. Dabei macht sie sich Performances, Tanz, meterlange Stoffware und die Farben nach Goethes Farbenlehre zunutze. Sie schneidet eine Menge Themen an, ohne jedoch explizit in die Tiefe zu gehen. Die Besucher*innen lässt sie teils nachdenklich, teils verwundert zurück.
Alle gespannten Geister können in Ulla von Brandenburg Erlebniswelten eintreten. Noch bis zum 10.04.2022 sind diese in der Weserburg Bremen erfahrbar.
Liselotte Groß
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