Dem Anschein nach ist die Modebranche umweltverschmutzend und frauendominiert – besonders im Konsum. In diesem Artikel setzen wir uns kritisch mit der konventionellen Modebranche und dem Vorwurf der weiblichen Kauflust auseinander. Mit dem Second Hand Laden Hello Good Buy in der Bremer Innenstadt präsentieren wir außerdem eine Alternative zu verantwortungslosem Modekonsumverhalten.
(Ultra)-fast Fashion: Rücksichtslosigkeit, Gier und Ausbeutung in der Modeindustrie
Im Zweiwochenrhythmus eine neue Kollektion: Das ist das Erfolgsrezept von Fast Fashion Giganten wie H&M und Zara, die immer neue Trends möglichst schnell an die Konsument*innen bringen wollen. Klingt dieser rasche Produktionszyklus schon einigermaßen absurd, so steigert eine noch fragwürdigere Modeproduktion jetzt die konventionelle Fast Fashion Produktion.
Ultra-fast fashion hat in der Modebranche Eingang gefunden. Gemeint ist eine noch schnellere Produktion in noch höherer Stückzahl. Der britische Online-Versandhandel ASOS produziert so laut der Beratungsfirma Coresight bis zu 4500 neue Teile pro Woche. Shein, ein chinesischer Online-Versandhandel, fügt täglich sogar bis zu 7000 neue Produkte in seinen Onlineshop hinzu. Viele der Produkte sind qualitativ minderwertig und werden von Konsument*innen schnell wieder entsorgt. Trotzdem sind Ultra-fast fashion Shops beliebt, vor allem unter Mädchen und jungen Frauen. Shein ist eine der weltweit meistbesuchtesten Modewebseiten.
Das ist ein Problem für die Umwelt, aber auch für die Arbeiter*innen, die in der Modebranche beschäftigt sind. Einerseits ist die Modebranche für 8 % der globalen Treibhausgasemissionen und für rund 10 % des industriellen Wasserverbrauchs verantwortlich. Andererseits leiden Arbeiter*innen in der Modeindustrie unter menschenverachtenden Arbeitsbedingungen. Laut der Schweizer Organisation Public Eye arbeiten sie in der Produktion teilweise 75 Arbeitsstunden pro Woche. Für Stücklöhne, ohne Arbeitsvertrag oder Sozialleistungen. Die Textilindustrie ist eine frauendominierte Branche. Ein großer Teil der Näher*innen sind Frauen.
Was ist dran am Vorwurf der weiblichen Konsumlust?
Nichtsdestotrotz trifft der Vorwurf der Kauflust häufig Frauen selber. Laut OECD sind sie für 80 % des weltweiten Konsums oder der Konsumentscheidungen verantwortlich. Eine Studie von C3 und Burda Community Network kommt zu dem Schluss, dass Frauen in Deutschland in Sachen Mode zu Spontankäufen neigen.
Der Vorwurf der weiblichen Kauflust ist in vielerlei Hinsicht problematisch. Studien, die mit binären, homogenen Geschlechtermodellen arbeiten, verfestigen Geschlechterstereotypen im Kontext des nachhaltigen Konsums. Sie unterschlagen auch Analyse-Ebenen außerhalb der Geschlechterebene. Laut genanet steigert beispielsweise höheres Einkommen nachhaltigen Konsum. Durch Diskriminierung von Frauen im Lohnsektor jedoch verfügen Frauen häufig über ein niedrigeres Einkommen als Männer – auch bei gleicher Arbeit. In Privathaushalten wird die Entscheidung über Ressourcenschonung häufig auf jene Haushaltsteilnehmer*innen verlagert, die Care-Arbeit leisten. Das sind zumeist Frauen.
Wir sehen also: Konsumbedingungen sind häufig zu komplex, um sie einzig über die Geschlechterebene zu messen. Außerdem ist es zu einfach gedacht, die Verantwortung für Umweltverschmutzung und Ausbeutung auf die Konsument*innen zu verlagern. Trotzdem ist es in Anbetracht der negativen Auswirkungen von (Ultra)-fast fashion sicher angebracht, nach nachhaltigen Alternativen Ausschau zu halten.
Nachhaltige Alternativen zu (Ultra)-fast fashion: Hello Good Buy in Bremen
Ein solche Alternative bietet der Second Hand Store Hello Good Buy in der Bremer Obernstraße. Gründerin Sarah Elise Gjemdal kommt aus Norwegen, wo sie bereits als Teenagerin ein Interesse für Second Hand entwickelte. Allerdings fiel ihr auf, dass sie ihr Interesse mit niemandem ihrer Freunde teilen konnte.
„Obwohl es tolle Teile zu angemessenen Preisen [im Second Hand Laden „Salvation Army“, Anm. d. Redaktion] gab, begleitete mich niemand meiner Freunde zu dem Laden. Ich fragte mich weshalb, und bemerkte dass die meisten Second Hand Läden ästhetisch nicht ansprechend waren. Ich dachte mir, dass es moderne Second Hand Läden mit trendiger und saisonaler Bekleidung braucht, um jüngere Konsument*innen anzusprechen.“
Hello Good Buy entstand aus der Idee, eine Alternative zu Fast Fashion anzubieten. Hier können Kund*innen sowohl modische Second Hand Kleidung erwerben, wie auch Kleidung recyclen. Das geht, indem sie ihre Teile zum Weiterverkauf an den Store verkaufen oder gegen ein Guthaben eintauschen.
Das erste dieser Geschäfte eröffnete 2017 unter dem Namen „Sarah Panter“ in Norwegen. Verfeinert wurde das Konzept unter dem neuen Namen „Hello Good Buy“ nach Kopenhagen gebracht. Durch den Pop-Up Wettbewerb der Wirtschaftsförderung Bremen im Rahmen des Aktionsprogramm Innenstadt erhielt Hello Good Buy die Möglichkeit, einen Store in der Bremer Innenstadt zu eröffnen.
Verantwortlichkeit findet sich in allen Bereichen des Konzepts wieder. Hello Good Buy unterstützt junge, vor allem weibliche Unternehmer*innen durch Kollaborationen. Momentan wird der Keller des Stores an eine Fotografin vermietet, deren Klient*innen größtenteils Unternehmer*innen mit nachhaltigen Konzepten sind, ebenso wie an eine selbstständige Yogalehrerin.
Sarah Gjemdal ist glücklich über den Anklang, den Hello Good Buy in Bremen findet.
„Die Menschen in Norddeutschland scheinen sehr interessiert an Second Hand und nachhaltigem Konsum zu sein, was sehr gut zu unserer Philosophie passt. Einen Second Hand Laden in der Obernstraße zu eröffnen, war bisher in vielerlei Hinsicht eine tolle Erfahrung. Es ist toll, Teil der Wiederbelebung der Bremer Innenstadt zu sein, nachhaltige Kleidung anzubieten und sich mit jüngeren Konsument*innen in Bezug auf nachhaltigen Modekonsum auseinanderzusetzen. Viele Menschen sind auch glücklich darüber, ihre Kleidung auf einfachem Wege beiHello Good Buyy zu verkaufen, um dafür Geld oder ein Store-Guthaben zu erhalten. Wir sind gespannt zu sehen, was die Zukunft bringt!“
Hello Good Buy ist voraussichtlich bis Ende Juni 2022 in der Obernstraße 22 – 24 geöffnet.
Dalea Awada
Ingeborg Mehser meint
Danke für den Artikel. Ich bin bei der Clean Clothes Campaign (Kampagne für saubere Kleidung) Bremen und freue mich über Artikel, in denen unsere Themen aufgegriffen werden.
Mein nächster Besuch in der Obernstraße wird zu “Hello Good Buy” führen