Neuerscheinungslisten gibt es nicht zu knapp. Unsere Autorin Marion hat einige Frühjahrsschätze unter den Neuerscheinungen in der Literatur gefunden.
Meena Kandasamy: Schläge. Ein Porträt der Autorin als junge Ehefrau.
Die namenlose Erzählerin des Romans heiratet jung und zieht mit ihrem neuen Mann in eine Küstenstadt fern ihrer Heimat Chennai. Nach nur wenigen Tagen Ehe muss sie schmerzhaft erfahren, dass ihr neuer Ehemann hinter verschlossenen Türen zum eifersüchtigen Tyrannen wird, der vor keinem Mittel zurückschreckt, um seinen Willen durchzusetzen. Ein sprachgewaltiger Roman, der in seiner Brutalität erschreckt und mit seinem dennoch poetischen Stil überzeugt.
CulturBooks, April 2020. 304 Seiten, € 22,-
Elizabeth Strout: Die langen Abende
Olive Kitteridge ist eine Witwe in ihren Siebzigern und lebt in einer verschlafenen Kleinstadt in Maine. Bis zu ihrer Pensionierung hat sie als Lehrerin gearbeitet, nun muss sie sich damit abfinden, dass sie ihren Alltag nicht mehr immer alleine regeln kann. Um ihre Unzufriedenheit macht sie keinen Hehl und brüskiert ihr Umfeld mit schonungsloser Ehrlichkeit. Doch auch Olive hat ihre zarten Seiten, die sich an unerwarteten Stellen zeigen.
Luchterhand, März 2020. 352 Seiten, € 20,-
Toni Morrison: Selbstachtung
Die 2019 verstorbene Autorin Toni Morrison gilt als eine der wichtigsten Vertreterinnen afroamerikanischer Literatur. In ihren Büchern setzte sie sich unter anderem mit den Themen Rassismus und Feminismus auseinander. Ihre bedingungslose moralische Haltung brachte ihr dabei immer Bewunderung ein. In Selbstachtung erscheinen nun einige ihrer Essays erstmals in deutscher Übersetzung.
Rowohlt, Juli 2020. 368 Seiten, € 24,-
Grit Poppe: Angstfresser
Kyra, verfolgt von den Geistern ihrer Vergangenheit, ist schon mit etlichen Therapien gescheitert. Nun soll ein Hirudo Timor Abhilfe schaffen, ein blutegelähnlicher kleiner Parasit, der in der traditionellen chinesischen Medizin eingesetzt wird. Er soll die Ängste aus ihrem Körper saugen. Kann er ihr wirklich helfen, ihre verdrängten Kindheitserlebnisse zu verarbeiten? Ein mitunter surrealer Roman, der von Angst, Verdrängung und Schuldgefühlen handelt.
Mitteldeutscher Verlag, Februar 2020. 352 Seiten, € 20,-
Ann Petry: Die Straße
Bereits 1946 erschien dieser Roman, der von einer jungen Mutter in Harlem erzählt. Die Geschichte um Lutie Johnson, die ihren Sohn in einer der finstersten Ecke der Stadt alleine großzieht, wurde damals sofort zum Bestseller. Auch heute scheint das Thema nicht an Aktualität verloren zu haben. Der Kampf einer alleinerziehenden Mutter, die trotz widriger Umstände das beste für ihr Kind erreichen will, begeistert in der Neuerscheinung erneut die Leserschaft.
Nagel & Kimche, Januar 2020. 384 Seiten, € 24,-
Annabel Abbs: Frieda von Richthofen
1907 besucht die 28-jährige Frieda, in England mit einem Professor verheiratet, ihre Schwester in München. Begeistert von deren freiem Leben erkennt sie, dass sie nicht mehr nur als Mutter und Ehefrau leben kann. Fünf Jahre später lernt sie den Schriftsteller D. H. Lawrence kennen und provoziert mit ihrer neuen Liebe einen gesellschaftlichen Skandal. Das Leben von Frieda von Richthofen, später selbst als Autorin und Übersetzerin erfolgreich, wird in dieser Romanbiographie nachgezeichnet.
btb, September 2020. 420 Seiten, € 12,-
Kübra Gümüşay: Sprache und Sein
Die Journalistin Kübra Gümüşay befassst sich in ihrem neuen Buch damit, wie Sprache unser Denken und unsere Weltsicht beeinflusst. Dabei befasst sie sich mit dem Phänomen einzigartiger Wörter, die kaum in andere Sprachen übersetzt werden können, aber auch mit der Frage, wie sich sprachliche Repräsentation auf die Wahrnehmung ganzer Gruppen auswirkt.
Hanser, Januar 2020. 208 Seiten, € 18,-
Annemarie Schwarzenbach: Eine Frau zu sehen
Die Schweizerin Annemarie Schwarzenbach stammte aus gutem Haus. Sie weigerte sich, das bequeme Leben ihrer Familie weiterzuführen und reiste als Fotografin und Schriftstellerin durch Europa, lange in Begleitung von Erika und Klaus Mann. In Eine Frau zu sehen schreibt sie von einer leidenschaftlichen Affäre, die begann, nachdem sie 1929 zufällig eine Frau in einem Hotel traf und sich in sie verliebte.
Kein & Aber, April 2020. 80 Seiten, € 10,-
Rachel Cusk: Danach. Über Ehe und Trennung
Nach der Geburt ihrer Kinder einigten sich die erfolgreiche Autorin Rachel Cusk und ihr Mann darauf, dass sie weiterhin arbeiten sollte, während er sich hauptsächlich um die Kinder kümmerte. Der Versuch misslang. In ihrem neuen Buch versucht sie, die Gründe des Scheiterns zu finden. Lag es am „Rollentausch“ oder waren es persönliche Fehler und Entscheidungen, an denen die Beziehung scheiterte?
Suhrkamp, April 2020. 187 Seiten, € 22,-
Olivia Wenzel: 1000 Serpentinen Angst
In ihrem Debüt-Roman schreibt die Autorin darüber, wie es ist, im Theaterpublikum die einzige Schwarze zu sein, von der Angst vor Neonazis und von einer Großmutter, die mit Linientreue immer gut durchgekommen ist und auch heute noch bedenkenlos eine rechte Partei wählt. Mit Humor und Empathie schreibt Wenzel von einer Welt, die sich rapide verändert und für sie oft kein sicherer Ort ist.
S. Fischer, März 2020. 352 Seiten, € 21,-
Marion Rave
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